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Neues von Facebook

Facebook ist wegen seiner ziemlich lockeren Haltung zum Datenschutz immer wieder in der Kritik. Mit neuen Einstellungen will das soziale Netzwerk seinen Nutzern jetzt noch mehr Einblick in das Privatleben ihrer Mitmenschen ermöglichen – und Google+ Paroli bieten.

Von Jan Tussing | 23.09.2011
    "Die Zeitleiste ist die Geschichte deines Lebens"

    sagt Facebook-Gründer Mark Zuckerberg.

    Die sogenannte Timeline, die Zeitleiste, ist eine der vielen Neuerungen, die der junge Internetunternehmer auf der Entwicklerkonferenz in San Francisco in dieser Woche vorgestellt hat.

    Diese Zeitleiste hat drei Teile: Zum einen können alle wichtigen Ereignisse aus dem Leben eines Facebook-Nutzers dort festgehalten werden. Zweitens erscheinen auch alle Apps, also die Anwendungen, die sich ein User auf Facebook zugelegt hat. Und drittens gibt es eine Möglichkeit, sich auch als Mensch und Künstler besser auszudrücken und zu präsentieren.
    Facebook hat weltweit 750 Millionen Nutzer. Der Markt für das soziale Netzwerk ist nach Ansicht von Experte so ziemlich ausgereizt, jetzt geht es also darum, den Kontakt mit den Facebook-Nutzer zu vertiefen. Und was wäre da besser, als sich noch mehr zu vernetzen.

    "Dieses Jahr gehen wir einen Schritt weiter. Wir machen es möglich, dass ihr euch mit allem und jedem verknüpfen könnt, und zwar genauso, wie ihr es wollt."
    Bislang mussten Nutzer immer auf den "gefällt mir"- Knopf klicken, um etwas zu sehen und lesen, was ihnen von Freunden geschickt wurde. Ab sofort kann man sich aber gleich auf die Seite der Freunde begeben, um zu sehen, welche Musik sie gerade hören oder welchen Film sie gerade sehen. Über eine neue Anwendung kann jeder sofort die Möglichkeit ansehen, hören oder lesen, womit sich die Freunde gerade beschäftigen. Was viele Kritiker als einen Schritt zum gläsernen Menschen kritisieren, sieht Mark Zuckerberg als das Coolste an, was Facebook zu bieten hat.
    "In der Lage zu sein, die Musik von jemandem anzuklicken und sie abzuspielen, ist eine tolle Eigenschaft, aber zu wissen, dass du einem Freund geholfen hast, etwas Neues zu entdecken und dass ihr womöglich einen ähnlichen Musikgeschmack habt, das ist super!"
    Super allerdings auch für Firmen wie Hulu, Netflix und Spotify, mit denen Facebook neuerdings Partnerschaften eingegangen ist. Anders als Amazon oder Apple, die ihren Kunden Musik, Bücher oder Filme verkaufen, funktioniert Facebook nämlich als eine Art Empfehlung für Produkte. Wenn sich meine Freunde bei Spotify eine gewisse Musik zulegen, oder auf Netflix einen Film ansehen, dann ist das im Grunde eine Art Kaufempfehlung für mich. Und diese Info lassen sich Werbefirmen teuer bezahlen.

    "Wenn ihr euch anschaut, was eure Freunde gerade machen, könnt ihr wirklich interessante Dinge entdecken. Das sind reibungslose Erfahrungen, und es passieren Zufälle in Echtzeit. Ihr erkennt das Verhaltensmuster eurer Freunde."
    Dank des neuen Facebook können Nutzer besser entscheiden, wie sie ihre Zeit verbringen und wie sie ihr Geld ausgeben wollen. Aber die Kehrseite ist, dass sie auch Informationen und Produkte aussperren, weil sie in ihrem Freundeskreis nicht bekannt sind.
    Zuckerberg ist daher gespannt, wie sich die Tatsache auswirken wird, dass jeder Nutzer nun kostenlos Musik hören und Filme ansehen darf, für die er eigentlich nicht bezahlt hat.
    Früher wollte die Musikindustrie Raubkopien verbieten und bestrafen. Heute hat sie begriffen, dass die totale Vernetzung den potenziellen Kunden hilft, mehr Musik und Filme kennenzulernen und zu entdecken als zuvor – und am Ende auch mehr Musik und Filme zu kaufen, als sie es sonst getan hätten.
    "Damit dieses Model funktioniert, musst du sehr viel mehr Musik entdecken, und am besten entdeckst du dies über deine Freunde."
    Das werde die gesamte Musikindustrie tiefgreifend verändern, so ein euphorischer Zuckerberg. Aber was bedeutet das im Klartext? Facebook wird wegen der totalen Vernetzung von Freunden und Firmen noch komplexer und noch komplizierter. Die Nutzer von Facebook verlieren den Überblick, wer sie gerade beobachtet – sie werden also noch transparenter und einsehbarer. Und die Werbeindustrie? Die kann in Zukunft noch besser entscheiden, wem sie welche Werbung auf die Seite stellt. Facebook entwickelt sich zum Konsumkatalysator. Da klingeln mal wieder die Kassen.