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Neuseeland
Das grüne Gold der Maori

Seit Jahrhunderten werden aus dem Pounamu-Stein in Neuseeland Waffen, Werkzeuge und Schmuck gefertigt. Die kostbaren grünen, Jade ähnlichen Steine findet man nur hier und nur auf der Südinsel. Per Gesetz gehören sie den Maori, für die das Mineral auch etwas Magisches hat.

Von Saskia Guntermann und Michael Marek | 01.03.2015
    Hokitika, auf der Südinsel von Neuseeland: Das kleine, verschlafene Städtchen an der Westküste gilt als "Te Wahi Pounamu" - als Ort der grünen Steine. Hier, 250 Kilometer von Christchurch entfernt, wird der berühmte Greenstone verarbeitet - oder: Pounamu, wie der Jade ähnliche Stein in der Sprache der Maori heißt:
    "Der Greenstone ist für die Maori etwas Heiliges. Der Stein wird für viele Dinge des Alltags benutzt: für Werkzeuge, Äxte, Kämme, Ohrringe - vor allem aber wird Schmuck aus Greenstone hergestellt", sagt Adam Wilson, Steinmetz und Experte für Greenstone:
    "Besonders beliebt ist der Hei Matau, ein stilisierter Angelhaken. Er symbolisiert Stärke, Glück und eine sichere Reise über das Wasser. Ein anderer beliebter Anhänger oder Talisman ist der Twist: Dabei überkreuzen sich mehrmals zwei Stränge und versinnbildlichen damit Freundschaft, Loyalität und Liebe. Hier um Hokitika herum gibt es viele Steinmetze, die solche Schmucksteine herstellen."
    "Greenstones sind hart wie Stahl"
    In Jeans, buntem Flanellhemd und Schutzbrille sitzt Adam Wilson in seiner Werkstatt. Große und kleine Schleifmaschinen stehen hier, mit denen der Mittvierziger den grünlich schimmernden Stein bearbeitet. Wie lange er für einen Greenstone brauche, um einen Anhänger herzustellen? Wilson runzelt die Stirn:
    "Greenstones sind hart wie Stahl, und wie viele du schaffst, das hängt davon ab, wie geschickt du bist und wie groß die Steine sind. Ich arbeite heute an sechs Steinen gleichzeitig. Manchmal schaffe ich ein Dutzend Anhänger am Tag. Auch das Polieren der Steine mit Öl, bis sie zu glänzen beginnen, braucht viel Zeit und Geduld. Und man muss vorsichtig arbeiten, um den Stein nicht zu beschädigen."
    Mit rasant flotten Kratzern zeichnet er die Umrisse eines künftigen Anhängers auf die dicke grüne Jadeplatte. Später wird er sie nachsägen, die geschwungenen Formen herausschleifen und polieren. Viele Greenstones wurden früher nach Deutschland exportiert, sagt Adam Wilson. Und sie seien teuer.
    Pounamu ist für die Maori ein besonderes Geschenk, um Liebe und Verbundenheit zu zeigen, eine enge Freundschaft zu besiegeln oder Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen. Für die Maori besitzt der grüne Stein auch etwas Magisches. Deshalb ist er in der Kultur der neuseeländischen Ureinwohner so wichtig. Greenstone, so heißt es, nähme Mana auf, die spirituelle Kraft des Trägers.
    "Pounamu hat für die Maori ein große kulturelle Bedeutung. Für sie verbindet der Stein die Kräfte der Erde mit denen des Himmels, die der Sterne mit der des Wassers. Jede Maori-Familie, die ihren Grünstein achtet und innerhalb der Familie weitergibt, bewahrt auf diese Weise ihre respektvolle Teilhabe an den Kräften der Natur. Deshalb werden die Steine nur verschenkt oder als Familienerbe verehrt. Für die Maori besitzt der Greenstone etwas Heiliges."
    Legenden über die Entstehung des Greenstone
    Die Maori kennen unzählige Legenden, wie der Greenstone entstanden ist. Eine der bekanntesten ist die tragisch-romantische Geschichte von Poutini. Poutini verliebte sich unsterblich in die schöne Waitaiki, die leider schon verheiratet war. Die Rache des Ehemannes fürchtend, verwandelte Poutini seine Geliebte in einen Grünstein und platzierte ihn in die Mündung des Arahura Flusses. Aus den Tränen der Geliebten entstand der Sage nach der grüne Stein. Bis heute ist der Arahura-River, der zehn Kilometer nordöstlich von Hokitika liegt, ein spiritueller Ort für die Maori - und zugleich Hauptfundstelle für das grüne Gold.
    "Jeder einzelne Greenstone muss von den Maori registriert werden. 1997 hatte die neuseeländische Regierung festgelegt, dass alle Greenstones den Ngai Tahu gehören, dem größten Maori Stamm auf der Südinsel Neuseelands. Wenn ich einen Stein bearbeite, dann geht es darum herauszufinden: Welche Kräfte sind im Rohmaterial verborgen, und wie kann ich diese zum Leben erwecken. Als Steinmetz lasse ich zunächst den Stein selber 'sprechen', dann erst gebe ihm eine Form. Hier übrigens können Sie seine Registriernummer erkennen.
    Magie des Steins
    Ein geschickter Steinschnitzer könne die Magie des Steins in der gelungenen Synthese von Funktion und Fantasie in einem prägnanten Symbol wiedergeben, sagt Adam Wilson. In vorschriftlicher Zeit gaben die Anhänger Auskunft über ihren Träger - quasi als Visitenkarte. Die Muster waren sehr vielfältig und komplex. Labyrinthe konnten zum Beispiel Wellen sein, durch die der Fischer sein Boot führt. Der ungeübte Blick vermöge zwar die fließenden Ornamente erkennen, doch bleiben ihm die magischen Symbole verborgen, so Wilson. Nur Eingeweihte wissen, ob der Schnitzer im grünlich schimmernden Stein auch Fische, Boote, Waffen oder Heilpflanzen versteckt, die sich im Dekorativen auflösen.
    Überall in Hokitika kann man professionellen Steinmetzen wie Adam Wilson bei der Arbeit zuschauen. In kleinen Läden und Ateliers sitzen Männer und bearbeiten den Greenstone. Da der Stein überaus selten und nur schwer zu finden ist, treibe das den Preis nach oben, sagt Wilson.
    Heute überschwemmen chinesische Billigprodukte den Markt und bemächtigen sich des traditionellen Designs - sehr zum Verdruss der Maori. Auch aus diesem Grund ist jeder Stein zertifiziert. Dadurch ist es möglich, seine Herkunft zurückzuverfolgen. Und die Steinmetze verpflichten sich, dem kulturellen Erbe Respekt zu zollen.
    Das gilt auch für den Maori-Sänger und -Gitarristen Riqi Harawira, der in seinem Song von der Schönheit des grünen Goldes und seiner neuseeländischen Heimat erzählt.