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Neuwagen
Europaparlament fordert strengere CO2-Emissionsgrenzen

Nach dem Willen der EU-Kommission sollen Autobauer in Zukunft die Kohlenstoffdioxid-Emissionen ihrer Neuwagen um 30 Prozent senken - bis zum Jahr 2030. Der Umweltausschuss des Europaparlaments fordert noch strengere Regeln. Doch der Vorschlag stößt auf viel Ablehnung.

Von Paul Vorreiter | 02.10.2018
    Neuwagen des BMW-Konzerns stehen auf dem Autoterminal der BLG Logistics Group in Bremerhaven
    Autobauer sollen die Kohlenstoffdioxid-Emissionen ihrer Neuwagen reduzieren (picture alliance / Ingo Wagner)
    Ein wenig wirkt es wie auf dem Basar: Sollen Autobauer in Zukunft die Kohlenstoffdioxid-Emissionen ihrer Neuwagen um 30 Prozent senken? Oder bietet jemand noch etwas mehr? Die EU-Kommission hält eine Reduktion um 30 Prozent bis 2030 für angemessen. Ausgangswert für die Reduktion sind 95 Gramm pro Kilometer; die Zielmarke für den Flottendurchschnitt bei Neuwagen bis spätestens 2021. Außerdem sollen Fahrzeughersteller belohnt werden, wenn sie einen bestimmten Anteil an umweltfreundlichen Neuwagen mit niedrigem Kohlenstoffdioxidausstoß auf den Markt bringen.
    Dem Umweltausschuss des Europaparlaments gehen die Vorschläge nicht weit genug. Er hat sich Mitte vergangenen Monats auf ein ambitionierteres Ziel geeinigt. In dieser Woche stimmt das Plenum des Parlaments ab, ob es sich den Forderungen des Umweltausschusses anschließt. Dass das nicht passiert, hofft der CDU-Europaabgeordnete Jens Gieseke. Er sagte dem Deutschlandfunk Studio Brüssel:
    "Das Ambitionsniveau ist bis auf 45 Prozent heraufgeschraubt worden und es gibt auch Vorgaben, dass ein sehr hoher Anteil von Elektrofahrzeugen von über 40 Prozent bis 2030 vorliegen muss, das ist eine starke Verengung auf Elektromobilität. Ich glaube, dass wir technologieoffen sein müssen. Insofern hoffe ich, dass wir dieses Votum wieder herunterschreiben können."
    Deutschland unterstützt Kommissionsvorschlag
    Für diejenigen, die das Ziel herunterschrauben wollen, kommt Unterstützung aus Deutschland. Kanzlerin Merkel hatte auf dem "Tag der Deutschen Industrie" davor gewarnt, dass höhere Ziele als jene der Kommission, die Autoindustrie aus Europa vertreiben könnten. Wenige Tage später erklärte Bundesumweltministerin Svenja Schulze, SPD, dass nun auch sie den niedrigeren Kommissionsvorschlag akzeptiert. Zuvor hatte auch sie sich für eine strengere Reduktionsvorgabe ausgesprochen. Die deutsche Autoindustrie ihrerseits hält die Zielvorgabe der Kommission für 2030 für vorstellbar. Das Zwischenziel einer Reduzierung von 15 Prozent bis 2025 dagegen stellte der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, Bernd Mattes, Anfang des Monats in Frage.
    Ein Signal, dass die Zeichen eher auf eine Korrektur nach unten hinweisen, setzte vergangene Woche auch EU-Klimakommissar Miguel Arias Canete. Er verzichtet inzwischen darauf, bei den Mitgliedsländern für ein höheres Kohlenstoffdioxid-Reduktionsziel zu werben. Es soll also beim ursprünglichen Wert bleiben: Bis 2030 will die EU im Vergleich zum Jahr 1990 40 Prozent an klimaschädlichem Co2 einsparen.
    Für Diskussionen vor der Abstimmung in Straßburg sorgt außerdem eine Analyse der EU-Kommission: Die warnt vor Arbeitsplatzverlusten, sollte sich ein höheres Ziel zur Emissionsbegrenzung bei Neuwagen durchsetzen.
    Warnung vor Arbeitsplatzverlusten
    Zum Vergleich: knapp 60.000 Arbeitsplätze könnten in der herkömmlichen Autoproduktion verloren gehen, falls die Emissionen um 45 Prozent sinken müssten. Bei dem 30-Prozent Ziel, seien es nur rund 2.000. Rebecca Harms, umweltpolitische Sprecherin der Grünen im Europaparlament, empfindet die Untersuchung als:
    "manipulativ vor der Abstimmung. Da sollen Sorgen von Beschäftigten geschürt werden, ohne dass man die tatsächliche Situation ernsthaft beschreibt. Die Arbeitsplatzbedrohung, die es gibt durch Elektromobilität, die bleibt, solange wir über Reduktionen von CO2 bis 40 Prozent reden oder E-Autoquoten bis 30 Prozent, die bleibt moderat."
    Allerdings verweist die Analyse der EU-Kommission gleichsam darauf, dass mit den strengeren Zielen bis 2030 auch viele neue Jobs entstehen könnten. Sogar mehr als 150.000 Jobs, gesetzt dem Fall, dass in der EU auch Batterien für die E-Autos hergestellt würden. Der verkehrspolitische Sprecher der Sozialdemokraten im Europaparlament, Ismail Ertug, warnt davor, Möglichkeiten der Elektromobilität zu unterschätzen:
    "Weil wir uns nämlich weltweit in einer Gemengelage befinden, wo zum Beispiel China eine Automobilnation mit eben dieser Technologie, mit der Elektromobilität, sein will und wenn wir nicht aufpassen, dann werden die Autos eben in Zukunft dort gebaut, und wir müssen dann zukaufen. Damit das nicht so ist, fordern wir heute schon Investitionen in Europa, insbesondere in Deutschland. Warum die Konservativen das nicht durchblicken, weiß ich nicht, ich denke, dass sie da der Autolobby auf dem Leim gehen."
    Mit der Entscheidung im Plenum ist die Verordnung lediglich einen Schritt weiter: Dann steht die Position des Europaparlaments fest. Danach wird mit dem Ministerrat, also den Vertretern der Mitgliedsländer verhandelt. Das passiert am 09. Oktober in Luxemburg. Dort kann erneut an den Grenzwerten geschraubt werden.