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Neuwahlen in Nordirland
Die alten Koalitionäre müssen sich wohl wieder zusammenraufen

Um Nordirland ist es ruhig geworden. Die frühere britische Unruheprovinz sorgt nur noch selten für Schlagzeilen. Das kann sich aber wieder ändern, heute wird das Regionalparlament in Belfast neu gewählt. Ursache für die vorgezogenen Wahlen sind aber nicht der Friedensprozess oder der Brexit, sondern hoch subventionierte Holzpellets.

Von Friedbert Meurer | 02.03.2017
    Arlene Foster ist an der Spitze der Regierung in Nordirland.
    Arlene Foster, Erste Ministerin Nordirlands, muss sich in Neuwahlen behaupten. (PAUL FAITH / AFP)
    "The Leaders Debate" – das Duell der Spitzenkandidaten vorgestern Abend im Nordirland-Programm der BBC. Mit zwei Männern und drei Frauen – darunter Arlene Foster, die Erste Ministerin, und Michelle O'Neill, ihre Herausforderin von Sinn Féin. "Sinn Féin vertritt jeden, wir stehen für eine moderne Gesellschaft", behauptet O'Neill.
    Sie ist mit nur 40 Jahren für die Sinn-Féin-Ikone Martin McGuinness nachgerückt, der aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr antritt. "Niemand muss von uns etwas befürchten. Wir stehen für das Karfreitagsabkommen und das Konsensprinzip. Es ist mein Job, die Menschen zu überzeugen."
    Michelle O'Neill ist das neue, junge Gesicht von Sinn Féin. Professor Paul Dixon, Nordirland-Experte der Universität Kingston in London, traut ihr tatsächlich zu, die national-irische Partei weiter zu modernisieren.
    "Sinn Féin hat sich ideologisch sehr verändert. Michelle O'Neill denkt strategisch und taktisch. Sie wird sehen, wie weit sie ihre Partei in die Mitte des nationalen Lagers führen kann."
    Beihilfen-Skandal führte zu Bruch der Regierung
    Die Debatte im Fernsehstudio ist vor allem vom Duell zwischen ihr und Arlene Foster von den Demokratischen Unionisten bestimmt. Ihre Koalition aber platzte wegen eines prosaisch wirkenden Skandals um Beihilfen für Öko-Energie. 500 Millionen Pfund sind immerhin verschwendet worden. Ein nordirischer Bauer zum Beispiel heizte eine leere Scheune sinnlos mit Holzpellets, um damit eine Million Pfund im hochsubventionierten Nordirland abzukassieren.
    "Ich bin auch frustriert und verärgert", erklärt die Erste Ministerin Arlene Foster, in deren eigenen Bereich die Affäre aber fällt. "Wir sollten jetzt die Ergebnisse der Untersuchung abwarten, statt uns in Andeutungen zu ergehen."
    Eine Zuschauerin fordert unter Beifall, Foster hätte zurücktreten sollen. Der Streit um Holzpellets ist für nordirische Verhältnisse bezeichnend: Die Region hängt mit zehn Milliarden Pfund jährlich am Tropf Londons. Vetternwirtschaft, Korruption, Geldverschwendung – die Wörter fallen häufiger.
    Nach einer halben Stunde fällt zum ersten Mal in der TV-Debatte das Wort "Brexit", das doch "in aller Munde" sei, meint der Moderator. Eine deutliche Mehrheit der Nordiren, 56 Prozent, hat gegen den Brexit gestimmt, weil es zwischen Nordirland und der Republik Irland wieder zu Grenz- und Zollkontrollen führen könnte. Arlene Foster, die Erste Ministerin, aber war für den Brexit.
    "Wir haben für den Brexit Werbung gemacht, wir sehen ihn sehr positiv. Wir wollen gemeinsam mit der britischen Regierung den Brexit gestalten, der gut für Nordirland ist."
    Nordirland ist eigentlich auf einem guten Weg
    Neben Sinn Féin ist auch Naomi Long gegen den Brexit. Sie ist die einzige der fünf Spitzenkandidaten, die mit ihrer Alliance-Party beide Teile der Gesellschaft anzusprechen versucht, irische Nationalisten und pro-britische Unionisten.
    "Das haben wir davon, dass die beiden großen Parteien nur daran denken, die Interessen je ihrer Seite zu bedienen. Sie sind nicht die besten Leute, um das Land zu regieren."
    Sinn Féin liegt in den Umfragen vor den Demokratischen Unionisten, aber beide brauchen sich wohl, um eine Regierung zu bilden. Paul Dixon von der Kingston University sieht Nordirland eigentlich auf einem guten Weg. Aber wenn sich die bisherigen Koalitionäre nicht wieder zusammenraufen, dann droht Nordirland 20 Jahre nach dem Karfreitagsabkommen wieder direkt von London aus regiert zu werden.
    "Eine Direktverwaltung durch London würde sich gegen den Geist des Friedensprozesses richten. Das würde destabilisierend wirken. Jetzt kommt auch noch der Brexit dazu. Kein Politiker in Nordirland hat an einer direkten britischen Kontrolle ein Interesse."