Donnerstag, 25. April 2024

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Neuwahlen in Sachsen?
"Diese Brisanz sehen wir so nicht"

Das Verhalten der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry bei der Listenaufstellung ihrer Partei zur letzten Landtagswahl in Sachsen müsse natürlich juristisch geklärt werden, sagte der Grünenpolitiker Volkmar Zschocke im DLF. Die Frage aber, ob wegen eines möglichen Fehlers die Wahl wiederholt werden müsse, sei noch nicht geklärt.

Volkmar Zschocke im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 15.10.2016
    Der Fraktionsvorsitzende von Bündnis90/Grünen in Sachsen, Volkmar Zschocke.
    Der Fraktionsvorsitzende von Bündnis90/Grünen in Sachsen, Volkmar Zschocke. (dpa-Zentralbild/Martin Schutt)
    Dirk-Oliver Heckmann: Am Telefon ist Volkmar Zschocke, Vorsitzender der Grünenfraktion im sächsischen Landtag. Herr Zschocke, schönen guten Tag erst mal!
    Volkmar Zschocke: Ich grüße Sie!
    Heckmann: Herr Zschocke, das Versagen der Behörden im Fall des NSU, dann die Pannen bei der Ergreifung des Terrorverdächtigen al-Bakr, jetzt die Forderung nach Neuwahlen vonseiten einschlägiger Verfassungsjuristen – ist Sachsen mittlerweile eine Bananenrepublik?
    Zschocke: Na ja, das Verhalten von Frauke Petry gegenüber dem Wahlprüfungsausschuss, aber auch ihre Rolle bei der manipulierten Listenaufstellung, das muss natürlich juristisch geklärt werden, zum Beispiel, auch ob gegen zentrale rechtsstaatliche Grundsätze hier verstoßen wurde, etwa gegen das Willkürverbot oder ob das sogar eine Straftat darstellt diese Handlung, aber eine Bananenrepublik ist Sachsen deshalb nicht, denn der Wahlprüfungsausschuss hat sich ja hier mit dieser Frage sehr intensiv befasst, und ich vertraue darauf, dass dies sorgfältig und vollumfänglich jetzt geprüft wird und die Prüfergebnisse dann auch ordentlich rechtlich bewertet werden. Also die Brisanz, wie sie im "Spiegel" dargestellt wird, die sehen wir so nicht. Das Gutachten, was mir vorliegt, sagt im Prinzip auch sinngemäß, dass die Vertrauensleute, die eine sehr wichtige Stellung haben, auch eine Streichung von Kandidaten vornehmen können, soweit dies nicht willkürlich ist und die übrigen Kandidaten dann eben auch aufrücken, also…
    Heckmann: Das heißt, Sie halten dieses Vorgehen möglicherweise sogar für rechtens, was da Frau Petry vorgeworfen wird, auch vonseiten einschlägiger Verfassungsexperten?
    "Ein Verfahren, wo das sorgfältig gemacht, das dauert natürlich"
    Zschocke: Ich glaube nicht, dass das Vorgehen rechtens ist, sondern ich glaube, dass die Frage, ob das zu einer Neuwahl zwangsläufig führt, juristisch abschließend noch nicht geklärt ist, und das gilt es jetzt erst mal abzuwarten.
    Heckmann: Aber die Frage ist ja auch, warum das alles so lange dauert, also seit nunmehr zwei Jahren prüft ja der Wahlprüfungsausschuss diesen Fall. Wie kann das sein? Der Staatsrechtler Wolfgang Isensee hat im "Spiegel" gesagt, das muss eine Verzögerungsstrategie sein, denn Politiker urteilen da in eigener Sache, und da sei es auch kein Wunder, dass niemand Rechtsverstöße ernsthaft klären will. Ist da was dran?
    Zschocke: Na ja, die Verzögerung, die es hier gegeben hat, hängt natürlich auch mit den Zeugenvernehmungen zusammen. Die letzte Zeugenvernehmung war ja im Mai mit dem Herrn Wurlitzer von der AfD, und dann mussten auch noch die widersprüchlichen Aussagen geklärt werden zwischen dem Herrn Hütter und der Frau Petry. Im August und September ging es dann um die juristische Bewertung und die Beauftragung von juristischen Gutachten, also insbesondere zu der Frage, welche Befugnisse die Vertrauensleute haben. Insofern ist das ein Verfahren, wo das sorgfältig gemacht wird und vollumfänglich geprüft wird, und das dauert natürlich.
    Heckmann: Vollumfänglich geprüft wird – wovon gehen Sie denn aus? Denken Sie, dass am Ende eine Entscheidung für Neuwahlen stehen wird?
    Zschocke: Also ich kann die juristische Bewertung nicht vornehmen. Das liegt bei…
    Heckmann: Aber Sie haben ja Experten sicherlich in Ihrer Fraktion.
    "Der Wahlprüfungsausschuss muss die Ergebnisse sauber bewerten"
    Zschocke: Das obliegt dem Wahlprüfungsausschuss. Das muss auch dem Wahlprüfungsausschuss insoweit erst mal überlassen werden, dass er hier die Ergebnisse ordentlich und rechtlich sauber bewertet. Inwiefern das dann tatsächlich zu einer Relevanz in Bezug auf die Wahl führt, das kann man momentan noch nicht abschließend beurteilen.
    Heckmann: Volkmar Zschocke war das, Vorsitzender der Grünenfraktion im sächsischen Landtag. Einschlägige Juristen gehen davon aus, dass in Sachsen Neuwahlen anzusetzen sind. Herr Zschocke, danke Ihnen für dieses Gespräch!
    Zschocke: Ich danke Ihnen auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.