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New Model Army
"Es ist eine heftige Zeit heute"

„Wir sind alle so wütend und zugleich irgendwie gelangweilt“, attestiert New Model Army. Die Band aus Bradford mit ihrem flammenden Folk-Punk-Rock gibt es seit knapp 40 Jahren. Doch die Probleme der Gegenwart sind das, was sie auf ihrem neuen Album „From Here“ beschäftigen - Populismus und Klimawandel.

Von Andreas Dewald | 19.08.2019
New Model Army live auf dem A Summer s Tale Festival 2018 in der Lüneburger Heide. Luhmühlen, 03.08.2018 *** New Model Army live at the A Summer s Tale Festival 2018 in the Lüneburg Heath Luhmühlen 03 08 2018 Foto:xR.xKeuntjex/xFuturexImage
Wie eine Mischung aus der Heldengestalt alter Sagen und eines zornig skandierenden Arbeiterführers: Justin Sullivan von New Model Army (imago stock&people)
Justin Sullivan: "Wenn du die fünf Musiker von New Model Army fragst, wo sie ihre Musik am liebsten aufnehmen möchten, werden sie sagen: 'Irgendwo, wo es kalt, rau, trostlos, weit offen und groß ist.' Das ist unsere Landschaft. Ich glaube, diese Rauheit zieht sich durch all unsere Musik."
Also haben New Model Army ihr neues Album "From Here" in einem Studio in Norwegen auf der kleinen, von Wind und Wellen umtosten Insel Giske aufgenommen. Und tatsächlich hat man das Gefühl, dass die wilde, zerklüftete Landschaft, in der die neuen Songs entstanden sind, im Sound der Kult-Band aus Bradford wiederhallt. Der flammende Folk-Punk-Rock von Justin Sullivan und seiner Band, die im nächsten Jahr 40-jähriges Jubiläum feiert, wirkt auf "From Here" so wuchtig, dringlich und vital wie lange nicht. Wohl auch, weil Sullivan in seinen Songtexten intensiv über die brennenden politischen, ökologischen und zwischenmenschlichen Probleme der Gegenwart nachdenkt.
"Als ich im letzten Jahr anfing, neue Songs zu schreiben, brüllten sich alle in der Online-Welt ständig an. Alles ist dort stark polarisiert. In der Politik geht es viel brutaler zu. Ich wollte jedoch keine Songs schreiben, in denen ich sage, 'Brexit ist Unsinn' und so weiter. Auf 'From Here' geht es um viele Dinge, die heute in der Welt passieren. Aber ich trete einen Schritt zurück und betrachte sie in einem größeren Zusammenhang."
Alles wird immer extremer
"The Weather" vom neuen Album "From Here" ist einer der packendsten politischen Songs von New Model Army und gehört in eine Reihe mit Klassikern der Band wie "51st State" oder "Vagabonds". Justin Sullivan beklagt hier die Folgen des Klimawandels, so als hätte er gerade die neuesten Nachrichten über Umweltschäden im Fernseher gesehen: "Wir drehen alle immer mehr durch, während der Druck langsam größer wird", singt er. "Zwischen uns wird es immer schwieriger und die Distanz zwischen uns wird größer."
Justin Sullivan: "Ist es ein Zufall, dass überall auf der Welt die Menschen und die Kultur immer extremer werden und das Wetter ebenso? Wahrscheinlich nicht. Wir bestehen alle aus denselben Molekülen. Vielleicht ist das einer dieser typischen Justin-Sullivan-Songs, in denen es immer ums Wetter geht. Aber im Moment fühlt sich das doch so an! Das Klima spiegelt die chemischen Reaktionen wieder, die da draußen vor sich gehen. Und das wirkt wieder auf die Menschen zurück. Bei Revolutionen wird immer alles neu justiert. Es ist eine heftige Zeit heute."
Auch in dem Song "End Of Days", der so gar nicht nach Apokalypse klingt, spielt Justin Sullivan zumindest indirekt auf die aktuelle politische Situation an und liefert einen bissigen Kommentar zu gesellschaftlichen Realitäten. In dem mit akustischen Gitarren und donnernden Tribal-Drums fesselnd umgesetzten Stück geht es um die unguten Auswirkungen von Social Media im fortgeschrittenen digitalen Zeitalter.
Verdammter Brexit
"Die Schlüsselzeile in diesem Song ist ‚We‘re long past being careful of what we wish for‘. Wir sind schon lange nicht mehr vorsichtig mit unseren Wünschen. Und damit meine ich gar nicht den verdammten Brexit. Warum akzeptieren die Menschen Typen wie Trump oder Boris Johnson, die alles nur zerstören wollen? Die Menschen scheinen es zu genießen, dass die Dinge kaputt geschlagen werden. Selbst wenn sie wissen, dass diejenigen, die alles zerstören wollen, Monster sind, schauen sie sich das an und genießen es. Wir sind alle so wütend und zugleich irgendwie gelangweilt."
Auf dem neuen Album "From Here" stürmt Justin Sullivan wie eine Mischung aus der Heldengestalt alter Sagen und zornig skandierendem Arbeiterführer durch ein Konvolut hymnischer Rock-Songs und dramatischer Balladen, wie sie New Model Army zuvor kaum besser hinbekommen haben. Alles ziemlich anachronistisch und unhip zwar, aber überaus wirkungsmächtig. Und am Ende versorgt einen Justin Sullivan mit spirituellen Erkenntnissen und Altersweisheiten, die weit über den Tag hinaus reichen.
"In der Musik von New Model Army hat es immer ein politisches Element gegeben. Nicht in Form einer Doktrin, aber wir reden von dem, was vor sich geht. Dabei geht es uns um Humanismus, um Spirit, um Gott, um Natur. Das macht uns aus. Daher kommen wir und dahin kehren wir zurück. Ganz einfach."
New Model Army - Tourtermine Deutschland: 10.10. Dortmund / 11.10. Hamburg / 12.10. Berlin / 25.10. München / 26.10. Stuttgart / 27.10. Nürnberg / 29.10. Dresden / 30.10. Frankfurt / 31.10. Losheim am See / 14.12. Köln