Freitag, 19. April 2024

Archiv

New York
Kleinkunst und Eckläden müssen raus

New York City, das Mekka der Kunst, der Glücksritter und Neustarter. Clayton Patterson, Künstler und Fotograf, ist einer der renommiertesten Chronisten der New Yorker Subkulturen. Jetzt hat er genug von der Veränderung, die gerade Manhattan die letzten Jahre durchlaufen hat. Er wandert aus, und zwar ausgerechnet nach Bad Ischl ins oberösterreichische Salzkammergut.

Von Christian Lehner | 12.05.2014
    Schiffe auf dem Hudson vor der Skyline von Manhattan
    Die Veränderung ist seit jeher der Motor New Yorks. Doch was derzeit vor allem in Manhattan passiert, hat eine neue Qualität. Kleinkunst und Eckläden müssen raus. (dpa / picture alliance / Andreas Engelhard)
    "Wir stehen jetzt an der Ecke Stanton und Ludlow Street. Früher herrschte hier eine Gang namens "Hell Raiser". Das war auch der Name des Heroins, das hier gedealt wurde."
    Clayton Patterson gibt uns eine Tour durch die Lower East Side. Inmitten der Touristenscharen, die vom Broadway in das Viertel strömen, wirkt der Künstler und Fotograf wie ein Außenseiter. Wikinger-Bart, Totenkopf-Kappe und goldene Zähne. 1979 ist der gebürtige Kanadier nach Manhattan gekommen. Damals war er inmitten der Dealer, Drag Queens und Punks noch kein Fremdkörper.
    "Die Gefahr war wenigstens sichtbar. Man konnte sie einschätzen. Das Großkapital versteckt sich jedoch hinter den glänzenden Fassaden der Luxushotels, die hier gerade überall hochgezogen werden. Davor kann man sich nicht schützen."
    New York verliert seinen speziellen Charakter
    Die Veränderung ist seit jeher der Motor New Yorks. Doch was derzeit vor allem in Manhattan passiert, hat eine neue Qualität. Kleinkunst und Eckläden müssen raus. Corporate America und seine Banken und Fast Food-Ketten ziehen ein. So verliert New York nach und nach seinen speziellen Charakter und wird zu einer gewöhnlichen amerikanischen Großstadt.
    "Die Mieten steigen und steigen. Jetzt haben wir Starbucks und Burger King im Viertel. Der Gitarren-Shop an der Ecke hingegen muss trotz gutem Geschäft zusperren. Das kann sich niemand mehr leisten. Es ist eine verdammte Schweinerei."
    Clayton Patterson wurde von der New York Times "der letzte Bohemian" der Lower East Side genannt. Der ehemalige Kunstlehrer hat die Entwicklung des Viertels dokumentiert wie kein anderer. HardCore, politisches Theater, Körperkunst. Patterson war überall mit seiner Kamera dabei, hat selbst Kunst produziert und in seinem Haus an der Essex-Street ein Archiv mit über 750.000 Fotos angelegt. Ein wahrer Schatz der Subkulturen.
    "Das Viertel war die Vereinten Nationen der Kulturen und Ethnien: Iren, Latinos, Chinesen! Mittendrin die Ramones, Jim Jarmush oder John Zorn. Und dann stellt sich heraus, dass Ginsberg dein Nachbar ist. Die Lower East Side hat mein Verständnis von Kultur verändert. Es war die beste Ausbildung überhaupt."
    Von der Lower East Side nach Bad Ischl
    Nun packt Patterson seine Koffer. Nach Österreich zieht er ins Voralpenland. "Ausgerechnet Bad Ischl", möchte man sagen. Doch Clayton verbindet eine lange Geschichte mit dem Kurort, in den auch schon Kaiser Franz Josef I regelmäßig besuchte. Seit 1995 kommt Patterson regelmäßig ins Land, mischt bei Tattoo-Messen oder Literatur-Festivals mit.
    "Nicht alles dreht sich um den Kaiser in Bad Ischl. Es existiert eine kleine, aber sehr vitale Szene. Und es gibt noch viele Familienunternehmen. Das gefällt mir. Die Menschen sind freundlich und das Essen schmeckt unglaublich lecker!"
    Seine viel geliebte Lower East Side möchte das New Yorker Urgestein freilich nicht zur Gänze aufgeben. Ihm schwebt vielmehr ein kultureller Austausch zwischen den Streets of New York und den Straßen Bad Ischls vor.
    "Vielleicht übersiedle ich mein Archiv und eröffne ein Museum oder wir machen ein Filmfestival im alten Lichtspieltheater des Kaisers. Ich komme jedenfalls nicht als Bittsteller, sondern will den Menschen was geben".
    "Kaiser der Lower East Side."
    Im April hat Clayton Patterson seine vorerst letzte Ausstellung in New York eröffnet. Sie heißt hintersinnig "The $16 Burger Show". Zu sehen sind Fotos und Bilder aus 30 Jahren Lower East Side. Die Kunstelite New Yorks ist gekommen. Ebenso wie Punks und Rocker. Eine Stadt sagt Good Bye.
    "Er ist eine New York Ikone. Mir fällt der Abschied schwer."
    "Es ist nicht nur traurig, dass er geht, sondern auch warum er gehen muss"
    "Ich liebe seine Kunst. Seid gut zu ihm in Österreich und baut ihm ein Schloss!"
    New York weint, Bad Ischl freut sich hoffentlich. Falls Sie demnächst im schönene Salzkammergut in Oberösterreich urlauben und es begenet ihnen ein freundlicher älterer Herr mit Wikingerbart, Totenkopfkappe und Goldzähnen, dann ist das der ehemalige "Kaiser der Lower East Side."