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NFL-Quarterback Kaepernick
Märtyrer mit viel Selbstbewusstsein

Seit drei Jahren machen allen NFL-Clubs um den für seinen Hymnen-Protest bekannt gewordenen Colin Kaepernick einen weiten Bogen. Nun sollte ein von der Liga organisiertes Probetraining Bewegung in die Pattsituaiton bringen. Das Projekt ging spektakulär schief.

Von Jürgen Kalwa | 17.11.2019
Colin Kaepernick beim öffentlichen Training für die NFL
Colin Kaepernick beim öffentlichen Training für die NFL (Austin McAfee/Icon Sportswire/imago)
Seit Colin Kaepernicks letztem Spiel vor fast drei Jahren wurden in den insgesamt 32 Teams der NFL über hundert neue Quarterbacks verpflichtet Denn der Verschleiß von Footballprofis in der Knochenmühle NFL ist enorm. Kaepernick, inzwischen 32 Jahre alt, ein Mann, der sechs Tage die Woche trainiert, um sich fit zu halten, bekam in dieser Zeit nicht mal ein Angebot zu einem Vorstellungsgespräch, geschweige denn zu einem Probetraining.
Weil dies nach einem Verstoß gegen das amerikanische Arbeitsrecht aussah, verklagte der Spieler die Liga. Zum Prozess kam es nicht. Außergerichtlich einigte man sich dem Vernehmen nach auf mehr als zehn Millionen Dollar Schadenersatz.
Doch an der Pattsituation änderte sich nichts. Auch nicht als der Sportausrüster Nike im September eine viel beachtete Werbekampagne startete. Der schwarze Footballspieler, ausgesperrt und zum Märtyrer geworden, weil er sich für soziale Gerechtigkeit engagiert.
Der Quaterback Colin Kaepernick (Mitte) von den San Francisco 49ers und zwei Mitspieler knien während der Nationalhymne bei einem Match der National Football League. 
Colin Kaepernick und Mitstreiter von den San Francisco 49ers (picture alliance/EPA/JOHN G. MABANGLO )
Kurioserweise sollte in der letzten Woche auf einmal alles ganz schnell gehen. Am Dienstag erhielt Kaepernick aus dem Nichts eine Einladung zu einem von der Liga organisierten Vorstellungstermin für Abgesandte aller interessierten Teams in Atlanta. Gekoppelt allerdings an kuriose Bedingungen: Nicht nur diktierte die Liga den Termin auf Samstag. Sie setzte dazu eine Entscheidungsfrist von zwei Stunden. "Irgendetwas stinkt hier", sagte sein Agent Jeff Nalley, dessen Klient schließlich zusagte.
Auch bei Gesprächen über weitere Bedingungen gab sich die NFL unnachgiebig. Diese Haltung kulminierte am Samstag, als Kaepernick kurzfristig das Probetraining verlegte – vom Gelände hinter verschlossenen Türen bei den Atlanta Falcons auf eine High-School-Anlage eine Autostunde entfernt, zu dem die Öffentlichkeit Zugang hat.
Auflage: Keine Klage
Die Leistungsshow wurde live auf YouTube übertragen, wo phasenweise knapp 50.000 Zuschauer gleichzeitig sahen, wie zielsicher Kaepernick noch immer das Leder-Ei an seine Mitspieler verteilt. Hinterher erklärte er Zuschauern und Medienvertretern:
"Ich bin fit und werde das auch bleiben. Danke an alle für eure Unterstützung. Jetzt warten wir darauf, ob sich die NFL meldet oder eines der 32 Teams, und sagen euch Bescheid, wenn das passiert."
Die Liga reagierte – mit einer Presseerklärung – und tat darin so, als träfe sie an dem Hickhack keine Schuld. Kaepernicks Verdacht, der angesichts seiner Erfahrungen eine Inszenierung aus reinen PR—Gründen befürchtete, konnte sie so allerdings nicht entgegenwirken. Zumal eine der Auflagen der NFL für das Probetraining war, dass der Quarterback sie nicht verklagt, falls er hinterher erneut kein Vertragsangebot erhält.
Der Rapper Jay-Z bei einem Konzert
Der Rapper Jay-Z bei einem Konzert (Daniel DeSlover/imago)
Ein Mysterium blieb allerdings ungeklärt: Wie war es überhaupt zu dieser bizarr wirkenden Geste gekommen? In vielen Spekulationen wird der New Yorker Erfolgs-Rapper Jay-Z als Triebkraft genannt. Der betreibt eine Sportmanagement-Agentur und hatte sich im Sommer von der NFL als Ratgeber für Imagefragen und die Kontaktpflege zur Musikszene einkaufen lassen.
Mit Blick auf die mehrheitlich schwarzen NFL-Profis, die Vorbehalte des schwarzen NFL-Publikums, aber auch die populären schwarzen Hip-Hop-Stars. Nachdem der Spieler jedoch erneut demonstrierte, dass er sich selbstbewusst dem autoritären Gehabe der Liga nicht einfach unterordnet, schlug die der Vermittlungsversuch spektakulär fehl.
Quote steht 6:1
Seitdem geht es denn auch nur noch darum, die Schuldfrage zu klären. Dass auch nur ein Team in einer Sportart mit ihrer militärisch geprägten Feldherrenkultur, die verlangt, dass sich Spieler wie Soldaten klaglos einfügen, jemanden anheuert, der sich nicht einfach herumkommandieren lässt, ist unwahrscheinlicher denn je.
Die Aussichten darauf, dass Kapernick demnächst einen Job angeboten bekommt, stehen laut Online-Wettanbietern übrigens sehr schlecht. Sollte er irgendwo unterkommen, kann man sehr viel Geld verdienen. Die Quoten darauf stehen bei 6:1.
Im Deutschlandfunk haben wir eine kürzere Variante dieses Beitrags gesendet. Hier lesen und hören sie die ausführliche Fassung.