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Nicht abschaffen, aber reformieren

Deutschlands Beamte, auch Staatsdiener genannt:Iimmer wieder stand und steht dieser Berufsstand im Mittelpunkt von Beachtung und Kritik. Neben sachlicher Kritik mischten sich häufig auch hämische Töne sowie despektierliche Witze in die Debatten ein. Unsere Staatsdiener seien überprivilegiert und arbeiteten zu wenig, so lautet z.B. ein gängiges Vorurteil gegen die rund 1,9 Millionen Beamten, die es in Deutschland zur Zeit gibt. Doch Beobachtung, Vorurteile und Kritik hin oder her: Unübersehbar ist die traditionelle Bastion des Beamtentums zwischenzeitlich ins Bröckeln geraten. Rückblick:

Von Frank Überall und Pascal Beucker | 14.12.2004
    Im Oktober verständigten sich der Deutsche Beamtenbund, die Gewerkschaft Verdi und der Bundesinnenminister auf Dienstrechtsreformpläne. Mehrarbeit und Weihnachtsgeldkürzungen sind bereits an der Tagesordnung.

    Jetzt will der Bund die Altersbezüge der Staatsdiener kürzen, und die Überlegungen der Föderalismuskommission von Bund Länder, die am Freitag dieser Woche ihre letzte Sitzung in Berlin abhalten wird, weisen in folgende Richtung:

    Die Besoldungskompetenz für Beamte soll in Teilen vom Bund auf die Länder übergehen, und über eine Grundrechtsänderung könnte der Beamtenstatus sogar generell in Frage gestellt werden.

    Die Kritik am Beamtentum ist freilich so alt wie dieser Berufsstand selbst. Denn das Berufsbeamtentum hat in der deutschen Geschichte eine erstaunliche Durchhaltefähigkeit bewiesen. Seinen ersten großen Aufschwung erlebte es mit der Reichsgründung 1871, nachdem es sich in den deutschen Ländern seit Anfang des 19. Jahrhunderts herausgebildet hatte. In wenigen Jahrzehnten verdreifachte sich die Zahl der Staatsbediensteten auf anderthalb Millionen. Neben der fachlichen Qualifikation war überzeugte monarchistische Grundhaltung Voraussetzung für die Verbeamtung.

    In der Weimarer Republik blieb die Mehrzahl der Beamten anti-demokratisch eingestellt. Nach der Machtübernahme Hitlers wollten so viele Beamte der NSDAP beitreten, dass sich die Parteiführung gezwungen sah, sich des Ansturms durch wiederholte Aufnahmesperren zu erwehren. Wie sie einst ihrem Kaiser ewige Treue geschworen hatten, mussten die Beamten nun darauf schwören, - so wörtlich - dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, treu und gehorsam zu sein.

    Nach dem Zweiten Weltkrieg wollten die Alliierten Siegermächte eine Fortführung des Beamtentums wegen der zweifelhaften Rolle vieler Beamter im Dritten Reich gar nicht zulassen. Konsequent wurde es in der sowjetischen Besatzungszone abgeschafft. In Westdeutschland konnten sich die britische und die amerikanische Militärregierung jedoch nicht gegen den Verfassungskonvent und den Bundestag durchsetzen. Dazu der Historiker Bernd Wunder:

    An und für sich ist das angelsächsische Modell einer Beamtenschaft, die offen ist, die in der Gesellschaft verwurzelt ist, die keine Privilegien hat, die aber durchaus gewisse Schutzrechte hat, einer Demokratie angemessener als die deutsche obrigkeitshörige, autoritär strukturierte Beamtenschaft, wie sie aus dem 19. Jahrhundert übernommen ist.

    Kritiker des bundesdeutschen Berufsbeamtentums plädieren auch heute noch leidenschaftlich für dessen Abschaffung. Einer von ihnen ist der Berliner Politikwissenschaftler Professor Peter Grottian, der diese Art der Beschäftigung für undemokratisch hält:

    Es ist im Grunde genommen ja darauf zentriert, dass der König oder der Herrschende sozusagen eine loyale Beamtenschaft haben soll, wo diese Beamtenschaft vollstrecken soll, was der König oder der Regierende sich ausgedacht hat. Das ist eine aberwitzige Vorstellung heute. Denn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung sind ja oft sehr autonom in ihren Entscheidungen.

    In der politischen Landschaft der Bundesrepublik sind solche Stellungnahmen eher selten. Vor allem die beiden großen Volks-Parteien, SPD und CDU/CSU, halten am Berufsbeamtentum fest. Für sie ist es der Garant eines zuverlässigen öffentlichen Dienstes, wie der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz betont:

    Ich bin der Auffassung, wir sollten zu unseren Traditionen stehen. Wir haben nun mal seit vielen Jahrhunderten das Berufsbeamtentum, das sich auch durchaus bewährt hat. Man könnte es auch anders machen, das ist sicherlich richtig. Aber warum sollten wir denn jetzt auf einmal, von heute auf morgen, nicht mehr zu unseren Traditionen stehen? Wir verändern auch nicht unsere Nationalhymne, unsere Flagge.

    Auch die Unionsparteien stehen fest zur Zukunft des deutschen Beamtentums. Zwar müsse angesichts der angespannten Lage in den staatlichen Haushalten über die eine oder andere Veränderung nachgedacht werden – prinzipiell müssten hoheitliche Aufgaben aber weiterhin den Beamten vorbehalten werden. Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Hartmut Koschyk:

    Das Berufsbeamtentum ist flexibel genug, auch Anforderungen der Gegenwart und der Zukunft gerecht zu werden. Insofern sage ich, steht auch das Berufsbeamtentum immer auf dem Prüfstand, was muss daran reformiert werden. Aber innerhalb des Systems sind sicher weitere Veränderungen möglich, aber an den Grundfesten des Berufsbeamtentums in Deutschland sollte man nicht rütteln.

    Doch was macht das Beamtentum eigentlich so besonders? Aus verfassungsrechtlicher Sicht genießt es einen besonders hohen Rang, siehe ausdrückliche Absicherung im Grundgesetz. Wohl kein anderer Berufsstand kann sich darauf berufen, eine solch umfassende Bestandsgarantie zu haben. Deshalb heißt es in Artikel 33 des Grundgesetztes:

    Absatz 4: Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.
    Absatz 5: Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln.


    Das heißt, eine wesentliche Änderung des Berufsbeamtentums oder gar eine Abschaffung würde nur mit einer verfassungsändernden Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament möglich sein. Die erwähnten hergebrachten Grundsätze beinhalten unter anderem eine ganze Reihe von Privilegien für Beamte.

    Um die besondere Unabhängigkeit der beamteten Staatsdiener sicherzustellen, gilt bei ihnen das Alimentationsprinzip, d.h. sie müssen z.B. keine Sozialabgaben zahlen. Außerdem: sie werden traditionell nicht nach Leistung bezahlt, sondern entsprechend ihrem Rang in der Verwaltung umfassend vom Staat unterhalten. Beamte sollen also alleine auf Recht und Gesetz verpflichtet und vor sachfremden Einflüssen geschützt sein. Ihre finanzielle Situation soll so auskömmlich sein, dass sie zum Beispiel Korruptionsversuchen nicht erliegen. Das ist auch der Grund, weshalb Beamten-Bestechung besonders hart bestraft wird.

    Im Gegenzug für die finanzielle Absicherung gibt es für die Beamten aber auch eine Reihe von besonderen Pflichten – so dürfen Beamte nicht streiken, und sie sind verpflichtet, auch in ihrer Freizeit dem Staat treu zu dienen. Die Pflicht zum Gehorsam gegenüber dem Dienstherren ist allerdings an einer Stelle eingeschränkt: Der Beamte muss sich stets an der Rechtmäßigkeit seines Handelns orientieren.

    Vor allem in den 60er und 70er Jahren wurde die Schar der Beamten in der Bundesrepublik ausgeweitet. Nicht nur in den originär hoheitlichen Diensten der Polizei und der Justiz, sondern auch in anderen Bereichen wurden Staatsdiener vornehmlich mit dieser Lebensanstellung versehen. Zum Beispiel auch im Bildungsbereich an den staatlichen Schulen:

    Während die Schüler auf dem Schulhof ihre Pause genießen, sitzen sich im Lehrerzimmer inzwischen zwei verschiedene Arten von Pädagogen gegenüber. Beide haben zwar die gleichen Aufgaben, geben den gleichen Unterricht und erteilen die gleichen Schulnoten – trotzdem ist der eine Angestellter, der andere Beamter. Als Grund für die Verbeamtung der Lehrer wird häufig genannt, dass sie mit ihren Zeugnissen über den weiteren Lebensweg der Schüler entscheiden. Einen solch intensiven Eingriff in das persönliche Leben dürfe von staatlicher Stelle nur ein Beamter ausüben, heißt es. Von der Praxis in den Schulen ist das aber spätestens überholt, seitdem auch angestellte Lehrer Zeugnisse schreiben. Der Duisburger Lehrer Bernd Wilhelmi aber verteidigt seinen Beamtenstatus:

    Ich habe als Beamter nicht nur die Sicherheit, die ich am Arbeitsplatz habe, sondern ich habe auch die Möglichkeit, meinem Dienstherrn gegenüber Dinge aufzuzeigen, die ich für falsch halte. Also ich kann remonstrieren, so heißt das. Und ich kann deutlich machen, dass bestimmte Dinge in der Schule, die im Moment verwaltungsmäßig gemacht werden, so nicht praktikabel oder unsinnig sind, und mein Dienstherr muss darauf reagieren.

    Eigenständig denkende Beamte – das ist im modernen Staat das Idealbild eines Staatsdieners. Viele werden dem Ideal inzwischen gerecht, auch wenn das in einer Bürokratie gar nicht so einfach ist. Ein umfangreiches Regelwerk erschwert die Flexibilität der Beamten, so dass viel von der Kritik – wie sie zum Beispiel in den Beamtenwitzen zum Ausdruck kommt – gar nicht an den Beschäftigten selbst liegt.

    In Deutschlands Amtsstuben hat sich die Zahl der Beamten in den letzten 40 Jahren mehr als verdreifacht. Erst seit einigen Jahren überschatten die Sparbemühungen der verschiedenen politischen Ebenen den Expansionskurs des Beamtentums. Die Hauptlast tragen dabei die Bundesländer. Bei ihnen sind rund zwei Drittel aller Staatsdiener beschäftigt. Die Einstellung von Beamten galt und gilt für viele Politiker als die aktuell jeweils günstigste Variante. Weil auch von Arbeitgeberseite keine Sozialabgaben fällig werden, belasten die aktiven Beamten den staatlichen Haushalt etwas weniger als Angestellte in gleicher Position.

    Hinzu kommt, dass in den 50er Jahren die Gehälter der Beamten um sieben Prozent niedriger angesetzt wurden als die der Angestellten. Das so gesparte Geld sollte vom Staat eigentlich zurückgelegt werden, nur hat das damals keiner gemacht. Inzwischen rollt aber eine bedrohliche Welle von Pensionszahlungen auf die öffentlichen Haushalte zu. Der Landesrechnungshof in Nordrhein-Westfalen hat bereits davor gewarnt, dass schon jetzt mehr als die Hälfte der Steuereinnahmen für die Personalkosten des öffentlichen Dienstes aufgewendet werden muss.

    Jeder fünfte Euro wird dabei für Beamte ausgegeben, die längst in den Ruhestand verabschiedet wurden und der Verwaltung aktuell gar nichts mehr bringen. Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Karl-Heinz Däke, warnt eindringlich vor einem politischen Verdrängen dieser Kosten:

    Die Pensionsverpflichtungen insbesondere bei den Ländern, werden mit Sicherheit in einigen Jahren zu den Sprengsätzen in den öffentlichen Haushalten werden. Manch einer kann ja jetzt schon berechnen, wie stark die Pensionsverpflichtungen die Länderhaushalte, aber auch beim Bund und teilweise bei den Gemeinden, belasten werden. Das ist ein echter Sprengsatz, mit dem sich die Öffentlichkeit, aber auch die Finanzpolitik viel stärker beschäftigen muss als das bisher der Fall war.

    Gerade deshalb ist es auch so schwierig, das System von heute auf morgen umzustellen. Würde nämlich das Berufsbeamtentum abgeschafft, fielen sowohl die Pensionszahlungen für die bisherigen Beamten weiter an – es würden für die neuen Angestellten aber auch Sozialabgaben fällig. Das wiederum würde die öffentlichen Haushalte nahezu sprengen. Ein wirkliches Konzept für eine Zukunft ohne Beamte gibt es von Politikern aller Parteien nicht – obwohl sich auch schon etliche Kommissionen von Wissenschaftlern und Fachleuten daran versucht haben.

    Mehrere Landesregierungen haben bereits offen konkrete politische Vorstöße für eine Einschränkung oder gar Abschaffung des Berufsbeamtentums gemacht. So wollte Schleswig-Holstein die Beamtenrechte schon einmal vergeblich mit einer Grundgesetz-Änderung einschränken.

    Nordrhein-Westfalen setzte sogar eine Kommission ein, die einen grundsätzlichen Verzicht auf Beamte des bekannten Typs forderte. Bei Neueinstellungen solle weitgehend auf diese Dienstverhältnisse verzichtet werden – stattdessen soll der Staat nur noch Angestellte beschäftigen. In hoheitlichen Bereichen wie Polizei oder Justiz könnten dagegen Beamte neuen Typs geschaffen werden, die per Vertrag zum Beispiel zur Geheimhaltung verpflichtet werden.

    Doch diesen Initiativen werden wenige Chancen eingeräumt. Deshalb meint der grüne Innenpolitiker Hans-Christian Ströbele, dass das Berufsbeamtentum höchstens mittelfristig aufgeweicht werden kann:

    Ich erinnere mich noch an die 70er Jahre, als es darum ging, einem Lokomotivführer oder einem Briefträger, die damals nur als Berufsbeamte vorstellbar waren, Berufsverbote zu erteilen, weil sie nicht die genügende Loyalität dem Staat gegenüber mitbringen. Das war damals schon unsinnig. Und das ist inzwischen so überholt, dass sich heute keiner mehr darüber aufregt, dass auch ein Angestellter, und nicht mal ein Angestellter beim Staat, Lokomotive in Deutschland fährt.

    Das wiederum könne man auf andere Berufsgruppen innerhalb des öffentlichen Dienstes ohne weiteres übertragen, meint der Grünen-Politiker. Während Ströbele leidenschaftlich für einen Verzicht auf Beamte plädiert, setzt sich die große Mehrheit seiner Kollegen vehement für deren Erhalt ein. Das mag auch daran liegen, dass in allen Parlamenten die Beamten rund ein Drittel der Abgeordneten stellen – das ist genau das Drittel, das nötig ist, um eine Verfassungsänderung zu verhindern. In allen Parteien finden sich Prominente, die demonstrativ für einen Fortbestand des Berufsbeamtentums plädieren. Zum Beispiel der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hartmut Koschyk:

    Es gibt eine Reihe von Untersuchungen, die deutlich machen, dass Beamte jedenfalls nicht teurer sind als Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst. Sie arbeiten mehr, wir haben inzwischen einen großen Unterschied in der wöchentlichen Arbeitszeit. Beamte 40 Stunden und mehr, Tarifbeschäftigte in der Regel 38 Stunden. Es gibt Untersuchungen, die deutlich machen, dass die Kosten, die die öffentliche Hand für Beamte aufzuwenden hat, geringer sind als die, die sie für in gleicher Höhe zu bezahlende Angestellte und Arbeiter aufzuwenden hat.

    Der Bundesrechnungshof hat die Erhebungen, wie teuer Beamte sind, nachgeprüft und ist zu einem differenzierteren Ergebnis gekommen. Beamte seien demnach nur dann günstiger, wenn man das Geld für ihre Pensionen frühzeitig zurücklegt und es bis zur Auszahlung hoch verzinsen lässt. Die so genannten Versorgungsrücklagen werden bisher aber nur zögerlich eingeführt, so dass Beamte dem Staat weiterhin besonders teuer zu stehen kommen.

    Kein Wunder, dass die Bundesländer versuchen, einen Ausweg zu finden. Sie fordern mehr eigene Kompetenzen, der Bund soll sich aus der Gestaltung der Dienstverhältnisse zurückziehen. Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz warnt davor:

    Wenn die Länder wieder für ihre Beamten alleine zuständig sind, oder weitgehend alleine zuständig sind, wird das sicherlich auch unterschiedliche Regelungen in Deutschland bedeuten, vielleicht auch eine unterschiedliche Bezahlung. Aber das Leben in Deutschland ist nicht einförmig. Die Menschen leben in Berlin anders als in Stuttgart, in Frankfurt/Oder anders als in Saarbrücken. Übrigens sind auch die Lebenshaltungskosten sehr unterschiedlich. Ich lebe beispielsweise, so erstaunlich das klingen mag, in Berlin preiswerter als in meiner Heimatstadt in Lünen, weil die Lebenshaltungskosten in Berlin geringer sind.

    Die bundesweit einheitliche Bezahlung der Beamten war bisher aber eines der wichtigsten Merkmale, das von den Berufsorganisationen wie dem Beamtenbund auch immer verteidigt wurde. In Zeiten knapper Kassen droht es nun zu bröckeln. Deshalb haben sich die Gewerkschaften mit Bundesinnenminister Otto Schily zusammengesetzt und über eine behutsamere Reform ihres Berufsstandes nachgedacht. Herausgekommen ist ein Papier, das vor allem höhere Leistungsanreize beim Gehalt vorsieht.

    Damit rückten die DGB-Gewerkschaften von ihrem ursprünglichen Ziel ab, ein einheitliches Dienstrecht für Beamte und Angestellte zu schaffen – de facto gäbe es damit kein privilegiertes Berufsbeamtentum mehr. Der Vorsitzende des Beamtenbundes, Peter Heesen, lobte vor der Presse den gefundenen Kompromiss:

    Ich glaube, dass alles das, was wir wollen, nur dann funktioniert, wenn alle Beteiligten mitmachen. Das war für uns ein ganz wichtiger Aspekt. Und deshalb haben Minister Schily und ich auch alles daran gesetzt, zu einem möglichst breiten Konsens zu kommen. Dass Sie heute erleben, dass die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, der Kollege Frank Bsirske, dieses Ergebnis gemeinsam vorstellen, ist ein Beleg für die hervorragende Zusammenarbeit und für das gemeinsame Ziel, die Entwicklung des öffentlichen Dienstrechts auch künftig gemeinsam zu schultern.

    Das Dienstrecht soll also ganz vorsichtig weiter entwickelt werden, darin sind sich Gewerkschaften und Bundesregierung einig. Wer dagegen die Frage nach einer Abschaffung des Berufsbeamtentums stelle, so der Beamtenbund, dürfe sich nicht wundern, wenn die Staatsdiener bald in größerem Umfang streiken würden – gerade bei den Sicherheitsorganen sei das – so wörtlich – ein unkalkulierbares Risiko. Eine Aufgabe der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums rüttle an den Grundfesten der staatlichen Ordnung, meint der Interessenverband. Für einen Abschied vom Beamtentum gebe es auch keine breite Unterstützung, weiß Bundesinnenminister Otto Schily:

    Es müssen ja, wenn entsprechende Veränderung vorgenommen werden, Zwei-Drittel-Mehrheiten erreicht werden in beiden Gesetzgebungskammern. Und ob im Bundesrat angesichts doch der schwachen Finanzausstattung einiger Länder und die damit verbundenen Sorge eine Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht werden kann, kann ja jeder von Ihnen sich selber die Frage stellen und auch selber beantworten.

    Den großen Wurf bei der Modernisierung des Staatsdienstes haben die Verantwortlichen auch diesmal wieder verpasst, meinen Kritiker. Zum Beispiel wäre es an der Zeit gewesen, einmal den Dschungel der verschiedenen Zulagen für die Beamten zu lichten.

    Im deutschen Beamtensystem aber wird so schnell nichts grundlegend geändert. Die Föderalismus-Kommission von Bundestag und Bundesrat hat in den vergangenen Wochen lediglich über die Zuständigkeiten bei Beamtenrecht und Besoldung gerungen.

    Herausgekommen ist, dass die bundesweite Einheitlichkeit zu Gunsten der Länder teilweise aufgegeben wird. Eine komplette Abschaffung des Beamtentums wurde zwar diskutiert, fand aber letztlich keine Mehrheit. Nach den Plänen der Bundesregierung soll allerdings der höchste Ruhegehaltssatz von bisher 71,75 Prozent bis zum Jahre 2030 auf 66,8%abgesenkt werden, nachdem bereits angekündigt war, die langfristige Senkung des Rentenniveaus wirkungsgleich auch auf Beamte zu übertragen. Berlin erwartet dadurch Milliarden-Euro-Einsparungen in den Haushaltskassen.