Donnerstag, 28. März 2024

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"Nicht gerade ein Ruhmesblatt"

Der Bundestagsabgeordnete Willy Wimmer kritisiert die Haltung von Außenminister Frank-Walter Steinmeier gegenüber der UN-Konferenz gegen Rassismus als "unverständlich und der Sache nicht angemessen". Er plädiert für eine offene Auseinandersetzung mit "kruden Vorstellungsweisen" anderer Staatschefs.

Willy Wimmer im Gespräch mit Dirk Müller | 20.04.2009
    Dirk Müller: Akribische diplomatische Formulierungen können das ganze zum Kippen bringen, die UN-Konferenz gegen Rassismus in Genf. Die Unterhändler feilen und ringen nahezu um jeden Satz, um jedes Wort, ganz besonders, wenn es um die Rolle Israels geht. Hier scheiden sich wie so oft die Geister, wird die Politik häufig zur Ideologie. Zahlreiche westliche Regierungen befürchten, dass Israel einseitig verurteilt werden könnte, wie auch schon vor acht Jahren in Durban. Außerdem will Irans Präsident Ahmadinedschad reden vor den Delegierten. Der wiederum ist bekannt für seine wenig diplomatische Sprache mit Blick auf Jerusalem. Die USA haben bereits die Teilnahme abgesagt, die Briten wiederum sitzen dagegen mit am Konferenztisch. Gestern am späten Abend die Entscheidung aus Berlin: auch Deutschland steigt bei der Konferenz aus.
    Nach den USA sagt also auch Deutschland die Teilnahme an der Konferenz ab. Darüber wollen wir nun sprechen mit dem CDU-Außenpolitiker Willy Wimmer. Guten Morgen!

    Willy Wimmer: Guten Morgen, Herr Müller.

    Müller: Herr Wimmer, die Absage, ist das eine Angsthasen-Politik?

    Wimmer: Jedenfalls ist die Art und Weise, wie das zu Stande gekommen ist, nicht gerade ein Ruhmesblatt. Ich verstehe den deutschen Außenminister deshalb nicht, weil er dem eigenen Bekunden nach tagelang gesagt hat, er würde sich um ein Einvernehmen in der EU bemühen, damit eine einheitliche europäische Haltung zu Stande kommt. Die gab es erkennbar seit der letzten Woche schon nicht mehr, und trotzdem ist dieses Bild aufrecht erhalten worden, und jetzt weiß man nicht genau, was die deutsche Seite machen will. Nimmt sie nicht daran teil, wie die öffentlichen Erklärungen verlautbaren lassen, oder ist sie durch einen Beobachter vertreten, der jederzeit den Status in der Konferenz wieder aufleben lassen kann, und dann nimmt Deutschland doch daran teil. Also damit wird man dem Anliegen, das ja gerechtfertigt ist, nicht gerecht.

    Müller: Herr Wimmer, da muss ich noch mal nachfragen. Wir haben die Nachrichten, auch die Meldungen, auch die Erklärung eindeutig verstanden: "Wir nehmen nicht daran teil!".

    Wimmer: Ja, aber die Erklärung im Wortlaut und das, was auch heute Morgen in den überregionalen Zeitungen berichtet wird, das macht deutlich, dass der Weg nicht ganz klar ist. Offiziell sagt man, wir nehmen nicht daran teil. Dann steht aber in den Texten drin, dass man durch einen Beobachter vertreten ist und sich vorbehält, jederzeit wieder in die Konferenz eingreifen zu können. Also das ist ein "rein in die Kartoffeln und raus aus die Kartoffeln". Das ist irgendwie unverständlich und der Sache nicht angemessen.

    Müller: Ist das feige?

    Wimmer: Das will ich nicht so klassifizieren, aber es ist jedenfalls kein Musterbeispiel für eine kluge und klare deutsche, außenpolitische Haltung.

    Müller: Seit wann, Herr Wimmer, entscheidet der deutsche Außenminister die deutsche Außenpolitik selbst?

    Wimmer: Jedenfalls ist er für diese Dinge verantwortlich und wir haben ja in den zurückliegenden Wochen gesehen, dass bei Bedenken, die offensichtlich aus dem Kanzleramt geäußert worden sind, Außenminister Steinmeier bei seiner Haltung geblieben ist und eine europäische gemeinsame Haltung auch für sinnvoll erachtet hat und dafür auch gefochten hat. Das ist in der letzten Woche schon in sich zusammengebrochen, und trotzdem bleibt er bei seiner Haltung. Also irgendwie ist das merkwürdig, was da in Berlin läuft.

    Müller: Wenn das Kanzleramt Vorbehalte gehabt hat, Herr Wimmer, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann hat die Kanzlerin keinen Einfluss mehr auf den Außenminister?

    Wimmer: Ich will die aktuelle Lage des Wochenendes mit dem Ausrufen von Kandidaturen nicht verbinden in Zusammenhang mit dieser Konferenz der Vereinten Nationen, aber merkwürdig ist das Vorgehen schon.

    Müller: Ist ein Fehler?

    Wimmer: Jedenfalls für mich nicht akzeptabel.

    Müller: Da müssen Sie noch mal sagen, warum.

    Wimmer: Ich habe es ja gerade deutlich gemacht. Man muss ja von der deutschen Politik erwarten können, jedenfalls in schwierigen außenpolitischen Fragen, dass der Weg klar ist, und wenn schon die angekündigte europäische gemeinsame Haltung in der letzten Woche nicht mehr möglich war, weil einige schon gesagt haben, die Niederlande und Italien, dass sie an dieser Konferenz nicht teilnehmen werden, und man bleibt trotzdem dabei, eine gemeinsame europäische Haltung forcieren zu wollen, dann ist das ja in der Sache unverständlich und die Unklarheit der eigenen Erklärung von gestern Abend habe ich eben herausgestellt und das bin ich eigentlich bei der deutschen Außenpolitik so nicht gewöhnt, in Zusammenhang mit UN-Konferenzen schon mal gar nicht.

    Müller: Ich verstehe das Argument trotzdem nicht ganz, Herr Wimmer; deswegen möchte ich da noch mal nachfragen. Sie sagen, gemeinsame europäische Haltung; das hat ja nicht funktioniert. Sie haben das Beispiel Niederlande genommen, die steigen aus. Die Briten wiederum sitzen mit am Tisch, um Einfluss zu nehmen, um dabei zu sein, um mitreden zu können. Hätten das die Deutschen auch machen sollen?

    Wimmer: Sie haben jedenfalls einen anderen Weg gewählt und die Erklärung des Außenministers, die ja sehr vollmundig war, er würde sich um eine gemeinsame europäische Haltung bemühen, das war ja schon in der letzten Woche absehbar, dass er das nicht mehr machen konnte, weil Italien und die Niederlande gesagt haben "wir nicht". Und dann trotzdem diesen Eindruck aufrecht zu erhalten, das halte ich für merkwürdig und ist eigentlich in Berlin so bisher noch nicht vorgekommen.

    Müller: Es geht ja in der Auseinandersetzung um Genf auch um den Auftritt von Mahmud Ahmadinedschad, der mit großer Wahrscheinlichkeit Israel wieder in irgendeiner Form klar und deutlich kritisieren wird. Wenn jetzt demnächst Robert Mugabe beispielsweise bei der UN-Vollversammlung in New York auftritt, gehen die Deutschen dann auch raus?

    Wimmer: Das ist natürlich eine hohe Form von außenpolitischem Auseinandersetzen, was da passiert, und ohne jetzt irgendein gutes Wort über den iranischen Präsidenten verlieren zu wollen, aber wir haben vor geraumer Zeit in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" lesen können, dass öffentlich stark angegriffene Erklärungen dieses iranischen Präsidenten offensichtlich im Wortlaut so nicht hätten übersetzt werden dürfen. Deswegen ist hier natürlich auch eine gewisse Vorsicht geboten, was sagt der Mann wirklich, und es ist in Anbetracht des Charakters der Vereinten Nationen schwer vorstellbar, dass man sagt, ich nehme nicht an UN-Konferenzen teil, bloß weil mir der eine oder andere nicht passt, es sei denn, man fightet in diesen Veranstaltungen gegen krude Vorstellungsweisen, die diese Herren - ob sie nun Mugabe oder iranischer Präsident heißen - in diesen Runden vortragen. Ich erwarte eigentlich von der deutschen Politik, dass das, was an Unsinn und blühendem Unsinn gesagt wird, oder was vergiftend wirken kann, in den Konferenzen selber zurückgewiesen wird und nicht dadurch, dass man an diesen Dingen nicht teilnimmt.

    Müller: Es geht inhaltlich wieder einmal um Israel. Ist das, was aus deutscher und auch aus amerikanischer Sicht rational ist gegenüber Israel, nicht immer rational gegenüber der Welt?

    Wimmer: Man muss ja auf die Vorgeschichte dieser Konferenz auch in diesem Zusammenhang eingehen, und es war für eine geraume Zeit so, dass die russischen Vermittlungsbemühungen allseits akzeptiert worden sind, die Attacken, die gegen Israel geritten worden sind - seit der Konferenz von Durban und auf dieser Konferenz -, das aus diesen Konferenzprotokollen rauszunehmen und in der Abschlusserklärung nicht auftauchen zu lassen. Eigentlich musste man in der letzten Woche annehmen, dass die Konferenz einvernehmlich würde durchgeführt werden können. Das Verhalten der Vereinigten Staaten, Israels und anderer Staaten hat dieses russische Bemühen in der Tat unterlaufen und jetzt muss man sich fragen, ob nicht durch das Verhalten aller Beteiligten diese Anti-Rassismus-Konferenz in der Tat seit Durban zu Tode geritten worden ist.

    Müller: Bei uns im Deutschlandfunk der CDU-Außenpolitiker Willy Wimmer. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.