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Nicht nur Walachei

Mit dem Jahr 2007 wird Rumänien aller Voraussicht nach Mitglied der Europäischen Union. Damit tritt ein Land dem Club bei, das engste Wirtschaftskontakte nach Deutschland pflegt. Nicht nur große Konzerne wie Continental, Metro oder Steilmann haben in den vergangenen Jahren kräftig in Rumänien investiert. Auch das Interesse der mittelständischen Betriebe an dem osteuropäischen Standort ist gewachsen.

Von Thomas Wagner | 29.10.2006
    Kettenrasseln in einem neuen Fabrikgebäude am Rande der zentralrumänischen Stadt Sibiu. In den Karpaten hat es in der Nacht zuvor geschneit - der erste Schneefall in diesem Herbst. Das sorgt für Hochbetrieb in der sauberen, übersichtlichen Fabrikhalle. Rund 100 Frauen und Männer, zumeist um die 30 bis 40 Jahre alt, fertigen im Akkordtempo aus Metallteilen Schneeketten. Ihre Chefs kommen aus Baden-Württemberg: Vor drei Jahren hat die Firma RUD aus Aalen ihre Schneekettenproduktion nach Sibiu ausgelagert.

    "Es ist richtig, dass wir einen relativ hohen Lohnanteil in unseren Produkten haben. Da wir nicht eine weitere Möglichkeit der Automatisierung zu erträglichen Kosten hatten, war für uns die Verlagerung sozusagen die einzige Möglichkeit, dieses Geschäft zu halten. Für einen Arbeiter liegt das Lohnniveau zwischen zehn und 20 Prozent der deutschen Lohnkosten."

    Frank Traub ist oft in Rumänien. Im Auftrag der baden-württembergischen RUD-Gruppe kümmert er sich im Tochterwerk Sibiu um die Produktion und die Arbeitsvorbereitung. Mehr als 100 Mitarbeiter fertigen dort aus simplen Metallteilen Schneeketten, zu Netto-Monatslöhnen von rund 200 Euro. Das ist deutlich weniger als in anderen osteuropäischen Ländern wie Tschechien oder Polen. Nur so, heißt es von Seiten der Firmenleitung, sei das Unternehmen auf dem hart umkämpften Schneekettenmarkt überhaupt noch konkurrenzfähig. Doch nicht nur, weil Rumänien als Billig-Lohnland gilt, hat die RUD-Gruppe ihre Schneekettenfertigung ausgerechnet hierher verlagert und nicht in ein anderes osteuropäisches Land.

    "Ich bin Vorarbeiter in der Vormontage. Ich kann hier mit den Deutschen Leuten sprechen, die Dokumente lesen und überhaupt alles. Ich habe in der Schule gelernt, und ich habe in Deutschland gearbeitet, mehrere Jahre."

    Marius Ungureanu, 31, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er ist ein Mitarbeiter der ersten Stunde im rumänischen Schneekettenwerk der baden-württembergischen RUD-Gruppe. Nicht nur er, sondern fast alle Mitarbeiter sprechen Deutsch, wie fast ein Fünftel der Einwohner in Sibiu, das früher Hermannstadt hieß und seit dem 12. Jahrhundert deutsches Siedlungsgebiet war. Sprachkenntnisse sind heute ein wichtiger Standortfaktor für deutsche Investoren wie die RUD-Gruppe aus Aalen. Frank Traub:

    "Speziell was Wissens- und Know-how-Transfer anbelangt, ist die Sprache und die Kommunikation unter den deutschen und den rumänischen Mitarbeitern beim Anlernen in Deutschland oder hier in vor Ort in Rumänien von enormer Bedeutung. So kann entsprechendes Wissen relativ gut, sehr schnell und sehr leicht vermittelt werden."

    Knapp 300 Kilometer nordwestlich von Sibiu verwandeln sich mächtige Baumstämme in Bettfedern. Hier, am Ortsrand der Kleinstadt Lugoj, hat Ende 2001 der deutsche Holzverarbeiter Werzalit seinen rumänischen Tochterbetrieb eröffnet. Lastzüge karren riesige Paletten mit Baumstämmen aus den benachbarten Karpatenwäldern heran. In Minutenschnelle schieben Mitarbeiter die mächtigen Rundhölzer in die Maschinen. Dort werden die Stämme fachgerecht zersägt und weiterverarbeitet.

    Ausschlaggebend waren auch in diesem Fall die niedrigen Lohnkosten. Die arbeitsaufwendige Bettfedernproduktion hätte ohne diese Möglichkeit eingestellt werden müssen, heißt es von dem Unternehmen. Die Unternehmensleitung fühlt sich aber nicht nur deshalb in Rumänien wohl. Was in deutschen Ohren fast unglaublich klingt: Firmenchef Johann Werz freut sich regelrecht über die Steuerbescheide des rumänischen Finanzamtes.

    "Das ist mehr oder weniger einfach so wie bei Kirchhof, diese Flat-Rate-Tax. Nur, dass die nicht wie bei Kirchhoff 25 Prozent ist, sondern 16 Prozent. Das heißt: Alle zahlen 16 Prozent Einkommenssteuer. Und das ist natürlich ein riesiger Unterschied zu den 46, 47 Prozent, die man in Deutschland als Personengesellschaft hat."

    Die Flat-Tax, die einheitliche Steuerrate, bei der alle Investoren gerade mal 16 Prozent Einkommenssteuer bezahlen, gibt es zwar erst seit Ende 2004. Doch auch sie erweist sich immer mehr als wichtiger Standortvorteil für deutsche Investoren in Rumänien.

    Mehr als 21 Millionen Einwohner zählt Rumänien und gilt daher nach Polen als größter Absatzmarkt in Südosteuropa. Kein Wunder, dass nahezu alle großen Supermarktketten, die man von Deutschland kennt, auch in Rumänien investiert haben. Namen wie Metro und Real-Markt kennt jedes rumänische Kind. Daneben sind unter den Unternehmen aus Deutschland, die nach Rumänien kamen, viele Automobilzulieferer. Als größter deutscher Investor gilt die Continental AG mit Sitz in Hannover.

    Im Jahr 2000 eröffnet Continental in Temeswar ein großes Reifenwerk. Heute stellen dort mehr als 1000 Mitarbeiter rund 30 000 Reifen pro Tag her - dies sowohl für den westeuropäischen als auch für den einheimischen Markt. Zusätzlich ist die Konzerntochter Conti-Tech mit weiteren vier Werken vertreten. Dort wird High-Tech-Zubehör für die Kraftfahrzeugindustrie produziert. Thomas Peter ist Geschäftsführer des Contitech-Werkes in Temeswar:

    "Rumänien, ganz klar, wegen dem niedrigen Lohnniveau, gar keine Frage, wegen der relativ westlichen Ausrichtung hier in Temeswar, das Banat, österreichisch-ungarische Monarchie und so weiter. Die Leute sprechen noch sehr viel Deutsch hier. Das heißt: Auch die Einstellung ist noch relativ Deutsch geprägt. Der Ausbildungsstandard ist hier oben in der Ecke sehr gut. Die Verkehrsanbindung - Flughafen ist da, Eisenbahn ist da, die Autobahn ist zumindest in greifbarer Nähe. Für uns die wichtigsten Strecken sind eigentlich Ungarn - und das ist mit dem Lkw gut zu machen."

    Klingt gut - doch zunehmend kämpfen deutsche Investoren wie Continental mit einem Problem, das in einem Schwellenland wie Rumänien am allerwenigsten vermutet würde: Die Arbeitskräfte werden rar.

    "Es ist ein Problem, ja, vor allem, gut ausgebildete Arbeitskräfte zu finden, die dann noch einigermaßen vom Lohnkostenniveau her akzeptabel sind, um den Wettbewerbsvorteil Rumäniens gegenüber Deutschland zum Beispiel aufrecht zu erhalten."

    Das hat damit zu tun, dass sich viele ausländische Investoren an so genannten "Hot-Spots" niederlassen: Sibiu in Zentralrumänien gehört dazu, aber auch Temeswar im Westen. Dort werben sich deutsche Unternehmen bereits gegenseitig die Mitarbeiter ab. Für Thomas Peter, Werksleiter bei Contitech Temeswar, ist dies ein ausgesprochenes Ärgernis:

    "Ein Problem ist einfach hier vor Ort, Arbeitskräfte zu finden. Wir haben also Buslinien eingerichtet, um also Leute aus den umliegenden Ortschaften ranzubringen. Das haben auch einige unserer großen Nachbarn hier, die also ihre Leute hier aus 80 Kilometern Entfernung jeden Morgen mit dem Bus rankarren, für jede Schicht."

    Nur wenige Kilometer vom Temeswarer Conti-Tech-Werk entfernt laufen die Maschinen bei der Firma "Barum Automotive" auf Hochtouren. Firmenchef Alfred Barth kommt aus dem oberschwäbischen Landkreis Biberach. Vor zehn Jahren baute Barth in Temeswar eine Fabrik auf, in der Metallteile für die Autoindustrie bearbeitet werden. Barth gilt als "alter Hase" im Rumänien-Geschäft. Mit dem Problem des Arbeitskräftemangels sieht auch er sich konfrontiert. Allerdings hat er es auf seine Art gelöst.

    "Sie müssen die Situation der Familie kennen. Sie müssen mit den Leuten in deren Sprache reden können. Dann haben sie einen Betrieb, der so gebaut ist, wie ein Familienbetrieb eigentlich sein sollte. Dann haben sie auch guten Kontakt. Und dann haben sie auch Leute, die wirklich hinter der Firma stehen. Aber für die Zukunft ist es wirklich so, dass neue Investoren hier keine Arbeitskräfte mehr finden werden."

    Hinzu kommt: Nach vorsichtigen Schätzungen arbeiten in den Sommermonaten etwa zwei Millionen Rumänen im Ausland. Vor allem in Spanien und in Italien sind rumänische Arbeitskräfte sehr gefragt. Da Rumänisch eine Sprache lateinischen Ursprungs ist, finden sie sich dort auch schnell zurecht. Sie arbeiten in Baukolonnen, als Erntehelfer und in der Gastronomie und verdienen ein Vielfaches dessen, was sie selbst bei ausländischen Investoren bekämen.

    Weil sich dieser Arbeitskräftemangel in den Produktionsmetropolen Temeswar und Sibiu auf lange Sicht nicht entspannen wird, meiden viele Firmen, die neu nach Rumänien kommen, die großen, entwickelten Industriestandorte. Sie gehen dorthin, wo bislang noch keine ausländischen Investoren sind – in die Kleinstädte in ländlicher Umgebung. Klaus Materna von der Stuttgarter Technologie Management Gruppe Stuttgart baut für deutsche Investoren in Rumänien Fabrikgebäude. Acht Werke hat er in den zurückliegenden sieben Jahren schlüsselfertig übergeben. Bauzeit: Weniger als ein Jahr für ein Werk. Die meisten Gebäude entstanden in Sibiu und in Temeswar. Das nächste Werk lässt Materna gerade in Slatina bauen, eine Fabrik des Reifenherstellers Pirelli. Slatina liegt im südlichen Karpatenvorland etwa 250 Kilometer südwestlich von Bukarest.

    "Jetzt kommen natürlich auch Investoren, die innerhalb kurzer Zeit, das heißt sechs Monate, ungefähr 1000 Leute suchen, gehen dann die Städte zweiter Kategorie. Slatina mit 70 000 Einwohnern und einer neuen Fabrik ist natürlich da ein gefundener Standort, um die Leute für die Produktion als auch für die Administration zu bekommen."

    Bus fahren quer durch Siebenbürgen, vorbei an den berühmten Jahrhunderte alten Kirchenburgen. Die modernen Fabrikgebäude am Ortsrand so mancher Kleinstadt wie Mediasch und Sigishoara zeigen, dass die Investoren tatsächlich auch das flache Land für sich entdeckt haben. Immerhin arbeiten mehr als 40 Prozent der Rumänen in der Landwirtschaft, die aber größtenteils als hoffnungslos veraltet gilt. Sie stellen deshalb immer noch ein großes Arbeitskräftepotential dar.

    Der Arbeitskräftemangel ist nur eines von vielen Problemen, mit denen sich deutsche Investoren in Rumänien konfrontiert sehen. Viele klagen über die ausufernde Bürokratie, aber auch über die Korruption im Land. Allerdings haben sich hier wesentliche Verbesserungen ergeben. Der Biberacher Unternehmer Alfred Barth von Barum Automotive Temeswar:

    "Die Korruption in Rumänien ist zumindest in der kleinen Korruption merklich zurückgegangen. Polizei, Zoll und so weiter kann man beinahe sagen: Es gibt keine Korruption mehr. Bei den Behörden sind sie sehr, sehr vorsichtig geworden, auch im Hinblick auf den Beitritt zur Europäischen Union. Sie bemühen sich kräftig, hier die alten Zöpfe abzuschneiden, um ja den Anforderungen, die von Europa gestellt werden, gerecht zu werden."

    Dass deutsche Investoren heute nicht mehr so häufig mit Korruption konfrontiert werden wie noch vor vier, fünf Jahren, hat nicht zuletzt mit dem Weg Rumäniens in die Europäische Union zu tun. Der EU-Beitritt ist das wichtigste außenpolitische Ziel des Landes. Auf ihrem Gipfeltreffen im Dezember werden die Staats- und Regierungschefs abschließend entscheiden, ob Rumänien zum ersten Januar 2007 der EU beitreten kann.

    Die Korruption im Land erwies sich in Verhandlungen mit der Europäischen Union lange als größtes Beitrittshindernis. Nur, wenn es dem Staat gelingt, die Korruption zu bekämpfen, kann Rumänien auch tatsächlich mit einem EU-Beitritt rechnen.
    Immerhin kann die rumänische Koalitionsregierung, bestehend aus der liberalen Partei PNL und der "Demokratischen Partei", hier Erfolge bei der Korruptionsbekämpfung verbuchen. So gab die EU-Kommission im jüngsten Fortschrittsbericht grünes Licht für den Beitritt Rumäniens.

    Allerdings werden die Beitrittsverträge aller Voraussicht nach – und das wird ein Novum in der Geschichte der EU-Erweiterung sein - erstmals mit so genannten "Sperrklauseln" versehen. Ob diese Schutzklauseln – wie es ein in dieser Woche bekannt gewordener Antrag des Bundestages vorsieht – bereits zum ersten Januar greifen, werden die EU-Gipfeltreffen der kommenden Woche zeigen. Sicher ist schon jetzt: Wenn die Rumänen auf bestimmten Feldern nicht noch intensiver daran arbeitet, die EU-Standards zu erreichen, können verschiedene Fördermittel gestrichen werden. Die Korruptionsbekämpfung gehört dazu.

    Graue Haare, ein schlichtes, schwarzes Kostüm, etliche Falten im Gesicht: Monica Marcovei macht einen müden Eindruck. Die Frau ist Juristin und sitzt in einer der wichtigsten Positionen in der rumänischen Regierung. Monika Marcovei ist seit Dezember 2004 Justizministerin. In dieser Funktion hat sie sich vor allem einer Aufgabe verschrieben: Die Justizverwaltung so zu modernisieren, dass eine effektive Korruptionsbekämpfung auf allen Ebenen sichergestellt wird.

    "Ja, zugegeben, das war wirklich so: Viele ehemalige Mitglieder der früherem Geheimpolizei Securitate sind nach der Wende erfolgreiche Geschäftsleute geworden. Und deshalb haben sich die ganze Zeit über geschäftliche Interessen von Einzelunternehmern und politische Interessen miteinander vermengt. Oder im Klartext: Politiker waren ungehemmt auch als Geschäftsleute aktiv. Natürlich müssen wir dagegen vorgehen – egal, wie lange es dauert."

    Unternommen hat die Regierung immerhin eine ganze Menge: Dass Abgeordnete oder gar Regierungsmitglieder gleichzeitig als Unternehmer tätig sind, und das möglicherweise im Auftrag staatlicher Institutionen, wurde verboten und unter Strafe gestellt. Zur Korruptionsbekämpfung richtete Marcovei vor über einem Jahr eine eigene Anti-Korruptions-Staatsanwaltschaft ein – eine Sonderbehörde, die zwischenzeitlich gegen eine Reihe von Politikern aller rumänischer Parteien ermittelt, auch aus den Regierungsparteien.

    "Ich behaupte mal, dass die wirklich sehr erfolgreich waren in diesem Jahr. Ehrlich gesagt: Ich hätte es mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können, dass diese Sonderermittler so erfolgreich sein würden. Okay, wir haben noch keine endgültigen Verurteilungen. Aber Sie können ja auch noch keine rechtsgültigen Verurteilungen haben – in einem einzigen Jahr."

    Doch es geht ja nicht nur um die Korruptionsbekämpfung alleine, sondern um eine grundlegende Reform des Rechtssystems. Gerade ausländische Investoren verlangen seit Jahren nach einem verlässlicheren Rechtsrahmen. Denn im Umgang mit Behörden erlebten sie in den vergangenen Jahren immer wieder böse Überraschungen. Ludgar Thol ist Geschäftsführer einer rumänischen Tochterfirma, die die Karlsruher Reiffbau GmbH und Co. KG vor sechs Jahren gegründet hat, um in Rumänien Geschäfts- und Wohngebäude zu errichten.

    "Bei unseren Grundstückskäufen in Rumänien haben wir Lehrgeld in dem Sinne bezahlt, dass die Grundstücke teilweise nicht die Größe hatten, wie sie ausgewiesen waren, obwohl es Planunterlagen gab, notarielle Verträge, Katasterpläne. Wir haben uns blenden lassen von den vielen Stempeln und Unterschriften auf den Plänen."

    Immerhin werden in jüngster Zeit derlei Klagen seltener. Nicht nur, dass die rumänische Regierung die Rechtssicherheit für ausländische Investoren erhöhen will – auch der wuchernden Bürokratie auf allen Ebenen hat sie den Kampf angesagt. Dass ein Investor für Bau- und Inbetriebnahme einer Betriebsstätte unter Umständen über 500 Genehmigungen einholen muss, soll sich in Zukunft ändern: Gerade eben hat die Regierung das sogenannte "One-Step-Shop"-Gesetz beschlossen. Demnach hat ein Investor nur noch eine zentrale Behördenanlaufstelle. Von dort sollen dann alle weiteren notwendigen Genehmigungen eingeholt werden. Liegen solche Bescheide innerhalb von 100 Tagen nicht vor, gelten sie automatisch als genehmigt – ohne weiteres Nachfragen.

    Begeisterung bei in- und ausländischen Investoren hat die rumänische Regierung zudem mit der Reform der Einkommens- und Körperschaftssteuer Ende 2004 ausgelöst: Die Unternehmen, aber auch Selbständige zahlen einen pauschalen Satz von 16 Prozent auf ihr Erträge und Einkommen. Dafür wurde die rumänische Regierung allerdings von der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds heftig kritisiert. Die Flat-Tax, der einheitliche Steuersatz, hieß es da besorgt, führe in Zukunft zu erheblichen Budgetproblemen, die möglicherweise auch zur Verzögerung bei der Rückzahlung offener Kredite führen könnten. Ion Seres ficht das als Wirtschaftsminister Rumäniens nicht an.

    "Da waren mehrere Gründe ausschlaggebend, weswegen wir das Flat-Tax-System im Dezember 2005 eingeführt haben: Zum ersten wollten wir den bis dahin ständig wachsenden Schwarzmarkt eindämmen. Die Gewinne, die dort erwirtschaftet wurden, sollten endlich auch in die offizielle Wirtschaftsleistung des gesamten Landes einfließen. Zum zweiten wollten wir ein Zeichen gerade für ausländische Investoren setzen: Kommt nach Rumänien – hier könnt Ihr könnt ihr gut investieren und davon auch profitieren. Und zu guter letzt wollten wir auch das bis dahin ziemlich komplizierte Steuersystem vereinfachen. Das ist nun viel einfacher geworden: Die Unternehmen müssen einfach 16 Prozent von ihrem Gewinn abführen – und das war’s."

    Insofern sieht sich Rumänien gut auf den EU-Beitritt vorbereitet. Gar so viel, glauben auch die Investoren, ändert sich für ihr Alltagsgeschäft dadurch nicht, einmal abgesehen davon, dass die bislang noch komplizierte Zollabfertigung bei der Ausfuhr von Produkten nach Deutschland wegfällt. Doch wie entwickeln sich die Lohnkosten? Steigen sie wie beispielsweise in Ungarn, Polen und Tschechien nach dem EU-Beitritt? Oder bleiben sie auf einem deutlich niedrigeren Niveau? Die Investoren sind sich da uneinig.