Freitag, 19. April 2024

Archiv

Johann Wadephul (CDU)
"Nicht wundern, wenn jetzt was Militärisches geschieht"

Nach den Explosionen von zwei Tankern sieht CDU-Politiker Johann Wadephul eine immer zugespitztere Lage in der Golfregion. Wichtig sei nun aufzuklären, ob tatsächlich der Iran dahinterstecke. "Wir brauchen für einen derartigen Vorwurf schon wirklich belastbare Beweise", sagte Wadephul im Dlf.

Johann Wadephul im Gespräch mit Jasper Barenberg | 14.06.2019
Iranisches Marineschiff bei dem Versuch, Feuer auf dem norwegischen Tankschiff Altair zu löschen, das mutmaßlich durch einen Angriff im Golf von Oman ausgelöst wurde, 13. Juni 2019
Iranisches Marineschiff bei dem Versuch, Feuer auf dem norwegischen Tankschiff Altair zu löschen, das mutmaßlich durch einen Angriff im Golf von Oman ausgelöst wurde, 13. Juni 2019 (AFP / TASNIM NEWS)
Jasper Barenberg: War es Sabotage? War es ein kalkulierter Nadelstich? Oder waren es am Ende Piraten? – Wie die beiden Tanker am Golf von Oman beschädigt wurden, was genau sich dort abgespielt hat, das bleibt vorerst weitgehend nebulös. Allerdings ist es schon der zweite Zwischenfall innerhalb von nur vier Wochen, und das an einem neuralgischen Punkt für den weltweiten Transport von Öl – in einer Region, in der sich die Rivalen Saudi-Arabien und Iran zunehmend feindlich gegenüberstehen, zu einer Zeit, in der Donald Trump den Ton gegenüber Teheran verschärft, das Land mit Wirtschaftssanktionen in die Knie zwingen will, einen Flugzeugträger schickt. – Thema auch im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.
Am Telefon ist Johann Wadephul, der Fraktionsvize der Union im Bundestag. Schönen guten Morgen.
Johann Wadephul: Guten Morgen, Herr Barenberg.
Johann David Wadephul (CDU) spricht im Bundestag.
Johann David Wadephul (CDU) spricht im Bundestag. (picture alliance / dpa / Jörg Carstensen)
Barenberg: Herr Wadephul, wie nah dran sind wir an einer militärischen Auseinandersetzung am Golf?
Wadephul: Bedauerlicherweise recht nah. Natürlich muss man jetzt noch einmal wirklich die Untersuchungen stattfinden lassen, die auch im Sicherheitsrat offenkundig vereinbart wurden. Das ist wichtig.
Auf der anderen Seite haben die Amerikaner jetzt ein Video veröffentlicht, was Revolutionsgarden dort zeigt in der Region, auch wie sie eine Haftmine von einem Schiff entfernen. Das heißt, es hat eine gewisse Plausibilität der Beteiligung des Iran. In jedem Fall wissen wir alle, dass der Konflikt zwischen Iran und Saudi-Arabien insbesondere seit langem schwelt, nicht gelöst ist, im Jemen kriegerisch auf die schrecklichste Art und Weise ausgetragen wird, dass die Amerikaner die Situation natürlich durch die Aufkündigung des Atomabkommens verschärft haben, und es wird eigentlich jeden Tag etwas schlimmer, gefährlicher. Wir haben ja vor einiger Zeit zurückgeblickt auf die Entstehung des Ersten Weltkrieges, wie die Welt schlafwandlerisch in diesen Krieg gekommen ist, und wir stehen in einer nicht vergleichbaren, aber doch ähnlichen Situation, dass wir hier jeden Tag zusehen, und es wird jeden Tag prekärer, und man muss sich nicht wundern, wenn jetzt was Militärisches geschieht.
Video ist undeutlich
Barenberg: Noch mal kurz zurück zu der Frage, wer für diesen Zwischenfall verantwortlich ist. Sie haben das Video angesprochen, das jetzt seit einiger Zeit auf dem Markt ist und Bilder zeigt, angeblich von einem Boot der iranischen Revolutionsgarden. Großbritannien sagt ja, man vertraue den Informationen, die von den USA kommen. Sie sind da nicht ganz so optimistisch und sagen, eine gründliche Untersuchung wäre doch angebracht?
Wadephul: Na ja. Wir brauchen für einen derartigen Vorwurf schon wirklich belastbare Beweise. Ich habe das Video mir angeschaut. Das ist natürlich undeutlich. Man kann Männer erkennen, die in der Tat eine Haftmine offensichtlich entfernen. Welcher Nationalität sie sind, woher sie kommen, an welchem Schiff das jetzt ganz genau ist, das weiß ich nicht. Ich würde jetzt aber auch weder den Amerikanern, noch den Briten von vornherein unterstellen, dass sie die Welt an der Nase herumführen, sondern das wird schon einen ernsthaften Hintergrund haben.
Dennoch ist es jetzt wichtig, das aufzuklären, wie das war. Wir wissen, dass der Iran eine janusköpfige staatliche Organisation hat, einen zivilen Strang mit Militär und Verwaltung und auch Ministerien, aber auch den geistlichen Strang, wozu die Revolutionsgarden gehören, die der zivilen Kontrolle nicht unterstehen und die eigene Aktionen machen und die zu den Hardlinern gehören und die keinerlei Kompromisse im Konflikt mit Saudi-Arabien oder den USA wollen, die möglicherweise – das muss man zumindest einkalkulieren – auch ein Interesse an der Verschärfung der Situation haben könnten. Das ist plausibel, aber Beweise liegen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vor.
"Das ist eine neuralgische Ecke"
Barenberg: Die Frage ist ja, Herr Wadephul, ob es je Beweise geben wird. Vor vier Wochen gab es diesen anderen Zwischenfall. Da gab es eine Untersuchung nach Auftrag aus dem UN-Sicherheitsrat. Herausgekommen ist, dass es vermutlich ein staatlicher Akteur war, der beteiligt ist, aber mehr auch nicht. Ist die Forderung nach Klarheit nicht immer eine, die am Ende gar nicht erfüllt werden wird und kann?
Wadephul: Na ja. Wir haben schon, oder die westliche Welt hat schon Nachrichtendienste, die leistungsfähig sind, und da, denke ich schon, kann doch mehr auf den Tisch kommen. Und ich glaube, das muss ja schon unser Interesse auch sein herauszubekommen, wer es am Ende gewesen ist. Aber Sie haben vollkommen recht: Damit darf man sich letztlich nicht aufhalten oder nicht ablenken lassen. Wir wissen alle, dass es schwerwiegende Konflikte in der Region gibt, und wir haben alle bisher (auch Europa) zu wenig getan, um sie zu lösen. Außenminister Maas hat eine verdienstvolle Reise unternommen, aber am Ende sind viele Europäer noch mit anderen innenpolitischen Dingen beschäftigt. Das gilt für uns, das gilt für das Vereinigte Königreich noch viel mehr, leider auch für Frankreich. Und Sie haben es vorhin vollkommen richtig gesagt: Das ist eine neuralgische Ecke. Wir haben jetzt schon eine Erhöhung des Ölpreises.
Unsere Wirtschaft ist ohnehin nicht mehr so stark wie vor zwei, drei Jahren. Das heißt, das bedroht uns ganz unmittelbar, und wir als Deutsche, als Europäer müssen uns um diese Konflikte mehr kümmern und dürfen sie nicht dahindreuen lassen. Da hat es viel Diplomatie gegeben, aber der richtig starke Einsatz Europas, mit einer Stimme dafür zu sorgen, dass dieser Konflikt entschärft ist, dass es natürlich Druck auf den Iran gibt, aber dass es auch irgendeine Chance für den Iran gibt, mit der Sache umzugehen und ein neues Szenario für die Zukunft zu entwickeln, das fehlt. Es fehlt auch noch ein stärkerer Druck auf Saudi-Arabien, auch den Jemen-Konflikt zu beenden. Wir müssen uns dieser Thematik als Europäer annehmen, weil wir feststellen müssen, dass die Amerikaner nicht mehr die verantwortungsvolle, abwägende, Weltverantwortung wahrnehmende Supermacht sind, als die wir sie kennen gelernt und schätzen gelernt hatten.
Am Rande einer kriegerischen Auseinandersetzung
Barenberg: Heiko Maas hat ja versucht, in Teheran zu vermitteln, gerade erst vor einigen Tagen. Sie haben das angesprochen. Er hat versucht, das Atomabkommen irgendwie am Leben zu erhalten. Wenn man das an dem Ergebnis jetzt misst – Sie haben gesagt, das war eine verdienstvolle Reise -, kann man nicht auch sagen, sie war zu spät und sie war zu wenig? Denn das Ergebnis war ja, dass es eigentlich keine Bewegung gibt in dieser Auseinandersetzung.
Wadephul: Na ja. Immerhin hat er die Initiative ergriffen und ist gereist und hat gesprochen. Als diese Anschläge geschahen, war der japanische Premier Abe auch gerade bei dem iranischen Präsidenten. Das heißt, es gibt westliche Staaten, die sich engagieren. Aber Sie haben recht: Es ist zu schwach. Wir sind auch alle miteinander spät dran und ich kann uns alle nur aufrufen. Wir haben wichtige innenpolitische Themen, gerade haben Sie die Grundsteuer angedeutet. Natürlich müssen wir uns um Klimaschutz kümmern, natürlich müssen wir uns um Rentenprobleme kümmern.
Aber Europa, Deutschland muss zur Kenntnis nehmen, dass wir am Rande einer kriegerischen Auseinandersetzung stehen, die, wenn sie geschehen sollte, ihres gleichen suchen würde, die nicht nur dort vor Ort zu einer weiteren schrecklichen zivilisatorischen Katastrophe führen kann, sondern die natürlich unsere Ökonomie auf das Schärfste bedroht. Deswegen Aufruf auch an unsere europäischen Nachbarstaaten, an die Briten, endlich die ganzen Fragen um den Brexit zu klären, an die Franzosen, sich unterzuhaken und auch die Gelbwesten-Thematik vielleicht zu erledigen. Wenn wir uns hier zu sehr mit uns selber in Europa beschäftigen, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn Probleme, außenpolitische Probleme, sicherheitspolitische Probleme weiter eskalieren. Wie gesagt: Die Amerikaner regeln nicht mehr alles in unserem Sinne für uns, sondern Europa muss selber handlungsfähig werden. Es ist in diesem Bereich fünf vor zwölf.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.