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Nichts als Luft

Energie.- Fast 1800 Windräder werden in den kommenden Jahren vor der deutschen Küste in den Meeresboden gerammt – zu Lasten zahlreicher Wassertiere. Um die Arbeiten für Schweinswal und Co. so lautlos wie möglich zu gestalten, haben sich Forscher etwas Besonderes einfallen lassen.

Von Monika Seynsche | 18.11.2009
    Ein Sommertag in der Nordsee. Der große Stahlhammer saust immer wieder auf einen Stahlpfahl und treibt ihn tief ins Sediment. Eine Windenergieanlage wird in den Meeresboden gerammt. Selbst in fast einem Kilometer Entfernung von der Baustelle erreicht der Lärmpegel unter Wasser noch 190 db. Dieser Krach könne gefährlich werden für Schweinswale und andere Meeressäuger, erzählt Raimund Rolfes vom Institut für Statik und Dynamik der Universität Hannover.
    "Es gibt eine sogenannte vorübergehende Taubheit dieser Tiere die durch eine hohe Schallbelastung erzeugt werden kann. Wenn man noch höher belastet, werden die Tiere permanent taub."

    Deshalb hat das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie einen Richtwert von 160 db festgelegt, der bei den Rammarbeiten nicht überschritten werden sollte. Ihren Untersuchungen zufolge ist das die Schallbelastung, die ein Schweinswal noch erträgt, ohne vorübergehend taub zu werden. Raimund Rolfes und seine Kollegen suchen also nach Möglichkeiten, den Lärm unter 160 db zu drücken. Etwa mit einem kreisrunden Rohr von 100 Metern Durchmesser, das sie rund um das Fundament auf den Meeresboden legen und mit Luft füllen. Durch kleine Löcher im Rohr steigen Luftblasen auf und bilden einen Blasenschleier, der den Schall dämpft. Beim Bau der Forschungsplattform Fino 3 kam dieser Ring das erste Mal zum Einsatz.

    "Wir haben eine Schallreduktion im Bereich von 12 db erzielt in einer Entfernung von etwa 750 Metern von der Rammstelle entfernt."

    Allerdings ist der Einsatz und Aufbau eines solchen großen Blasenschleiers aufwendig und teuer. In den schmalen Wetterfenstern der Nordsee geht kostbare Zeit verloren, während der Ring verlegt wird und die Kompressoren Luft hineinpumpen. Martin Ros tüftelt deshalb an günstigeren und einfacher einsetzbaren Blasenschleiern.

    "Ich schätze mal, dass ein wiederverwendbarer eine bis eineinhalb Millionen kostet. Aber er ist wiederverwendbar, das ist jetzt ganz wichtig, wenn man bedenkt, dass die Auslegung und die Anwendung eines großen Blasenschleiers für einen Rammpfahl eine Million gekostet hat, sind das die Kosten eineinhalb Millionen circa […] für einen Blasenschleier, den Sie für sehr viele Fundamente, für 80 bis 100 Fundamente, anwenden können und der im Zeiteinsatz vielleicht den Bauablauf höchstens um eine Stunde beeinträchtigt, während andere Maßnahmen viel, viel deutlicher eingreifen im zeitlichen Ablauf."

    Sein Arbeitgeber, die Firma Menck, ist auf Rammarbeiten im Wasser spezialisiert, um Ölplattformen, Brückenpfeiler oder Windenergieanlagen im Meeresboden zu verankern. Martin Ros' Konstruktion erinnert an einen Unterrock aus Draht, der direkt auf dem zu rammenden Pfahl sitzt: Viele luftgefüllte Ringe mit immer größer werdenden Durchmessern sind übereinander angeordnet. "Kleiner Stufenblasenschleier" heißt das Ganze und an einem Windrad im Testfeld Alpha Ventus ist es diesen Sommer ausprobiert worden. Bei starken Wasserströmungen allerdings, die in der Nordsee nicht selten sind, haben alle Blasenschleier einen entscheidenden Nachteil:

    "Da die Blasen am Meeresboden aus dem gelochten Rohr austreten, sie werden immer größer je höher sie kommen, weil der Wasserdruck abnimmt und somit bieten sie eine verstärkte Angriffsfläche für die Strömung und würden von dem Pfahl weggedriftet werden."

    Deshalb liebäugelt Martin Ros mit einem neuen System, bei dem die Blasen keine Chance mehr haben, zu entkommen. Er und seine Kollegen haben einen Vorhang aus luftgefüllten Schläuchen entwickelt, der die Rammarbeiten abschirmen soll. Die groben Skizzen sind fertig und der Antrag liegt beim Patentamt. Marktreif ist er noch nicht. Es wird einige Zeit vergehen, bis die Rammarbeiten in der Nordsee so leise sind, wie sie sein sollten. Ganz ruhig allerdings wird es auch dann nicht mehr werden, wenn die Windräder einmal stehen, sagt Raimund Rolfes.

    "Während des Betriebs der Anlage wird kontinuierlich Schall abgestrahlt, nach unserem jetzigen Stand der Untersuchung halten wir diesen Schall für die Meeressäuger eher für ungefährlich und unkritisch."

    Die genauen Auswirkungen dieses Betriebsschalls werden in den kommenden Monaten im ersten deutschen Offshore-Windpark Alpha Ventus erforscht.