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Nicolas Hénin
Ex-Geisel warnt vor Luftangriffen auf Terrormiliz

Der französische Journalist Nicolas Hénin war zehn Monate Geisel der Terrormiliz IS. Alle seine Mitgefangenen wurden geköpft. Dennoch appelliert Hénin an die Anti-Terror-Koalition, die Islamisten nicht zu bombardieren.

Von Tobias Zihn | 04.12.2015
    Der französische Journalist Nicolas Hénin wurde in Syrien von Islamisten als Geisel genommen und gefoltert.
    Der französische Journalist Nicolas Hénin wurde in Syrien von Islamisten als Geisel genommen und gefoltert. (AFP / Alain Jocard)
    In einem Video sagte Nicolas Hénin, den IS zu bombardieren, würde die Terroristen nur stärken. "Sie fürchten unsere Einheit mehr als unsere Luftangriffe", sagte der Journalist in einem Interview, das bei Youtube von der Organisation "The SyriaCampaign" gepostet wurde.
    "Die Sieger dieses Kriegs werden nicht die Parteien sein, die die neuesten, teuersten, hochentwickeltsten Waffensysteme haben, sondern die Partei, der es gelingt, die Menschen auf ihre Seite zu bringen", sagte Hénin. Dass viele Syrer und Iraker nach Europa - in der Vorstellungen der islamistischen Terroristen "Länder der Ungläubigen" - fliehen, sei ein "Schlag für den IS".
    Bomben jedoch werden laut Hénin viele Menschen in die Hände der Dschihadisten treiben. Viel wichtiger sei es, dass die Menschen in den Krisenregionen an eine politische Lösung des Konflikts glaubten. Wenn dies gewährleistet sei, würde die Terrormiliz kollabieren.
    Für die Terroristen, so ist sich Hénin sicher, wäre es verheerend, wenn den Menschen in Syrien und Irak das Gefühl von Sicherheit vermittelt werden würde.
    Zehn Monate Geiselhaft
    Von Mitte Juni 2013 bis April 2014 war Hénin Geisel der Terrormiliz in Syrien. Der Reporter des Magazins "Le Point" war gemeinsam mit dem freien Fotografen Pierre Torrès nahe der syrischen Stadt Raqqa entführt worden. Sieben Monate seiner Geiselhaft verbrachte der Journalist zusammen mit dem US-amerikanischen Reporter James Foley, den IS-Henker "Dschihadi John" schließlich enthauptete - ebenso wie seine Mitgefangenen Steven Sotloff, David Haines und Alan Henning.
    Hénin selbst entging diesem Schicksal nur, weil die französische Regierung den Geiselnehmern offenbar ein Lösegeld in Millionenhöhe zahlte. Großbritannien und die USA lehnen dies grundsätzlich ab.
    "Warum machen wir dort alles falsch?"
    Mit der bisherigen Syrien- und Nahost-Politik des Westens geht die Ex-Geisel hart ins Gericht. "Warum machen wir dort alles falsch? Warum verstehen die Leute die Region so falsch. Wir machen unsere Feinde groß, wir machen das Leid groß und die Katastrophe für die Menschen dort", sagt er im Video. Die internationale Gemeinschaft habe die demokratischen Kräfte in Syrien allein gelassen, als diese nach Freiheit riefen.
    Hénin: "Auf jeden Syrer, der seit dem Beginn des Konflikts vom IS getötet wurde, kommen zwischen sieben und zehn, die vom syrischen Regime selbst getötet wurden. Man kann nicht das eine ohne das andere bekämpfen." Hénin schließt damit jedwede Zusammenarbeit mit dem syrischen Machthaber Assad aus.
    Einblicke in Weltsicht der Terrorgruppe
    Seit seiner Freilassung im Frühjahr 2014 hat Hénin immer wieder von seiner Geiselhaft berichtet - und damit Einblicke in die Welt der Terrorgruppe geliefert. "Als Geisel bist du nur eine Marionette", berichtete Hénin etwa. "Um Gnade zu betteln ist das Schlimmste, was du machen kannst. Es ist dumm. Versuch es niemals." Die Terroristen seien laut Hénin immun gegen das Flehen ihrer Geiseln.
    Mit der muslimischen Kultur hätten viele der aus Europa eingereisten Kämpfer wenig zu tun. "Sie sprechen unsere Sprache. Sie sind Produkte unserer Kultur, unserer Welt."