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Nicosia vor der Pleite

Am 21. Januar entscheiden die EU-Finanzminster über Finanzhilfen für Zypern. 17 Milliarden Euro hat die zyprische Regierung aus dem Rettungsschirmtopf beantragt. Ob der Beschluss positiv ausfällt, ist jedoch unsicher, denn die EU vermutet in Zypern jede Menge Schwarzgeld.

Von Oliver Neuroth | 18.01.2013
    Ein Bild wie aus Zeiten der Ölkrise vor 40 Jahren: Eine lange Schlange Autos steht vor einer Tankstelle in der zyprischen Hauptstadt Nicosia. Es gibt kein Benzin, denn die Tankstellenbesitzer streiken. Sie sind gegen einen neuen Plan der Regierung, die Wirtschaft im Land anzukurbeln, erklärt Tankstellenpächter Andreas:

    "Die Regierung will Tankstellenlizenzen an fast jeden geben, der eine haben will. Wir Pächter wehren uns natürlich dagegen, denn der Plan hieße: harte Konkurrenz. Im Moment gibt es auf Zypern etwa 400 Tankstellen. Bald könnten es 460 sein. Das ist das Problem."

    Eine Liberalisierung des Tankstellenmarktes ist nur ein kleiner, vorsichtiger Schritt der zyprischen Regierung, um gegen die Krise anzukämpfen. Die gewünschten Hilfskredite in Höhe von 17,5 Milliarden Euro will die Europäische Union aber nur gewähren, wenn Zypern etwas gegen die Geldwäsche unternimmt.

    "Wir erwarten eine vollständige Finanztransparenz Zyperns in Bezug auf Geldwäschefragen, die den EU-Standard und internationale Verpflichtungen erfüllt."

    Stellt Bundesfinanzminister Schäuble klar. EU-Experten und der Bundesnachrichtendienst vermuten in den Bilanzen der Banken große Mengen Schwarzgeld. Russische Milliardäre und Millionäre sollen ihr Geld auf Zypern über Scheinfirmen waschen lassen und es anschließend zurück in ihre Heimat schieben. Die zyprische Regierung wehrt sich gegen solche Verdächtigungen. Und auch viele Menschen auf der Straße wollen von Schwarzgeld-Vorwürfen nichts hören, zum Beispiel Nicolas.

    "Ich sehe das nicht so, weil die Russen in allen Ländern investieren. Warum sollte das Geld hier Schwarzgeld sein und in anderen Ländern nicht."

    Es gebe keine Beweise für die Geldwäsche-Verdächtigungen in Zypern, sagt Nicolas. Deshalb müsse die EU auch helfen und dürfe den Zyprern keine Angst machen.

    "Die Leute sind unsicher im Moment. Sie brauchen das Geld, damit das Leben einfach weiter geht. Ich glaube, dass das Geld kommt, weil sonst eine Katastrophe droht. Ich glaube, es wird Tumulte geben – wenn die Leute nichts zu essen haben, ist das schon ein Problem."

    Die meisten Zyprer sind optimistisch und gehen davon aus, dass die Rettungsmilliarden kommen. Es ist das Gesprächsthema Nummer 1 unter den Menschen: Den 21. Januar, den Termin an dem die Euro-Finanzminister die Weichen für das Zypern-Hilfspaket stellen wollten, hat fast jeder im Kopf. So auch Christos, ein Bio-Landwirt aus Paphos im Westen Zyperns.

    "Ich denke, das Geld kommt. Wir sind schließlich ein kleines Land und haben eine flexiblere Wirtschaft als die meisten anderen Länder in der Europäischen Union. Ich glaube, dass sich Zypern wirtschaftlich schnell wieder erholen wird. Wir werden die EU überzeugen, dass wir alle Kredite zurückzahlen können."

    Allerdings zeigt die Erfahrung anderer EU-Krisenländern, dass so viel Optimismus nur selten berechtigt ist. Trotzdem: Die Zyprer sind stolz und wollen in Sachen Finanzkrise nicht in einen Topf mit Griechenland geworfen werden. Nicolas drückt es so aus:

    "Zypern ist an einer besseren Stelle und vielleicht sind wir ein bisschen disziplinierter."

    Die Tankstellen sind längst wieder offen. Der geplante unbefristete Streik der Tankstellenbetreiber endete schon nach 48 Stunden. Tankstellen-Pächter Andreas diskutiert mit seinen Kunden: wann wird das Geld der EU denn nun kommen? Im Februar? Im März? Seiner Ansicht nach hängt alles von einer Frau ab.

    "Wir müssen warten, bis Merkel zu ihren Kollegen sagt: 'Ja, Zypern bekommt das Geld!' 17 Milliarden – das sind bei der Eurorettung doch Peanuts!"