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Niedersachsen will bei Futtermitteln "mehr Abschreckung"

Bundeslandwirtschaftsminister Ilse Aigner (CSU) trifft sich heute mit ihren Länderkollegen: Ein Dioxin-Skandal soll nicht wieder vorkommen. Niedersachsen begrüßt den Vorstoß, sagt Friedrich Otto-Ripke und hat einen Fünf-Punkte-Plan im Gepäck.

18.01.2011
    Gerwald Herter: Auch Fachleute der Europäischen Union werden nun nach Deutschland kommen, um die Behörden hier im Skandal um mit Dioxin belastete Lebensmittel zu unterstützen. In knapp einer Woche werden sich die EU-Agrarminister mit dieser Angelegenheit befassen. Die Europäische Union, das ist sozusagen die dritte der zuständigen Ebenen. In Deutschland sind die Länder für die Kontrollen verantwortlich und dann ist da noch die Bundesregierung. Bundeslandwirtschaftsministerin Aigner wird sich heute Mittag mit ihren Kollegen und Kolleginnen aus den Ländern treffen.
    Jetzt bin ich mit dem niedersächsischen CDU-Politiker Friedrich-Otto Ripke verbunden. Er ist Staatssekretär für Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Hannover und er wird Niedersachsen heute in Berlin vertreten. Guten Morgen, Herr Ripke.

    Friedrich-Otto Ripke: Guten Morgen, Herr Herter!

    Herter: Herr Ripke, was halten Sie von den Forderungen der Bundeslandwirtschaftsministerin nach mehr Kompetenzen für den Bund bei der Lebensmittelkontrolle?

    Ripke: Wir unterstützen die Katalogvorschläge inhaltlich voll. Es geht auch nicht nur darum, um Kompetenzen zu streiten, sondern dafür zu sorgen, dass wir zukünftig noch besser – und wir haben Lücken gehabt gegen diese kriminellen Machenschaften – den Eintrag von Schadstoffen in die Futtermittelkette verhindern, und da braucht es Veränderungen. Ich glaube, die Vorschläge sind inhaltlich auch nicht schlecht, dass man die Komponenten erfassen muss, untersuchen muss, dass man die Eigenkontrollfristen verbindlich macht und positive Funde sofort vorlegen muss. Eine Dioxin-Monitoring-Zentrale in Berlin macht Sinn. Also insgesamt sind wir nicht unzufrieden.

    Herter: Kommen wir noch mal zurück zu den Kompetenzen. Welche wollen Sie denn auf jeden Fall behalten und welche wollen Sie abgeben?

    Ripke: Abgeben müssen wir keine. Dass wir Daten melden nach Berlin, damit es zu einer Datensammlung kommt, ist sinnvoll. Die Durchführung vor Ort, zum Beispiel was wir jetzt gerade machen, Eier und Schweinefleisch aus den Regalen zu holen von den gesperrten Betrieben, das kann man von Berlin aus nicht so gut machen wie wir mit unseren Kreisveterinärämtern. Aber hier geht es um Qualitätsmanagement in diesem Bereich. Auch da sind wir gesprächsbereit. Wir haben ein solches schon, und dass wir das bundesweit standardisieren, halte ich auch für sinnvoll.

    Herter: Die Durchführung vor Ort, da sind 100 Höfe in Niedersachsen versehentlich freigegeben worden. Jetzt wollen sie mal nachschauen, wie viel mit Dioxin belastete Lebensmittel deshalb verkauft worden sind. Stärkt das das Vertrauen der Verbraucher?

    Ripke: Mit Sicherheit nicht, aber wir mussten sehr breit sperren. 214.000 Tonnen Futtermittel mussten verfolgt werden, 4.400 Betriebe gesperrt, und da geht Sorgfalt vor. Wir haben Nachkontrollen bei diesen Futtermittellisten gemacht und treffen ab und zu noch mal auf auch Fehler und sperren dann nach. Das liegt im System. Wir haben aber seit Anfang des Jahres den Warenstrom unterbrochen, die Kette unterbrochen. Das, glaube ich, ist das Wichtigste.

    Herter: Höfe sind versehentlich freigegeben worden, nicht versehentlich gesperrt worden. Worauf beruht dieser Fehler?

    Ripke: Wir mussten sehr viele Dioxinproben untersuchen lassen. Dazu nutzten wir alle Laborkapazitäten in Deutschland. Und in einem Labor hat es eine Vertauschung in einer Futtermittelprobe gegeben. Das kommt vor, wir haben dann sehr schnell gehandelt.

    Herter: Brauchen wir auch bessere Labors und eine Zertifizierung für Labors?

    Ripke: Das ist vorgesehen. Deshalb begrüßen wir auch diesen Punkt. Alle akkreditierten Labors melden sich. Es gibt Qualitätsansprüche, um auch solchen Fehlern vorzubeugen.

    Herter: Haben Sie sich angesprochen gefühlt, als die Bundeslandwirtschaftsministerin Aigner personelle Konsequenzen in Niedersachsen gefordert hat?

    Ripke: Es hat mich nicht erfreut, aber ich bin Amtschef und Beamter. Es hat ein Kommunikationsproblem gegeben, das ist ausgeräumt. Wir schauen jetzt nach vorne, um die Dioxinkrise möglichst schnell zu Ende zu bringen.

    Herter: Trotzdem müssen wir noch mal zurückschauen. Anders als in der Öffentlichkeit zunächst bekannt gegeben, waren Sie schon früher über die zusätzliche Sperrung von Betrieben informiert. Ist das richtig?

    Ripke: Nein, das ist nicht richtig. Wir hatten eine Zeitparallelität, das kommt vor. Als ich die Ministerin begrüßt habe, habe ich einen allgemeinen Anruf bekommen über diesen Fall in Damme. Der Sachstand ist mir erst nach Abreise erläutert worden. Dann konnte ich erst entscheiden, dass der gesamte Kundenstamm zu sperren ist, und dann haben wir auch Berlin informiert.

    Herter: Verstehen Sie, dass Aigner verärgert war?

    Ripke: Sie hätte sich mit mir darüber unterhalten können, dann hätten wir es erläutern können. Ich glaube, dass wir öffentlich daran nicht gewonnen haben. Verbraucher wollen, dass wir sicher und kompetent funktionieren auch in schwierigen Zeiten.

    Herter: Heute haben Sie Gelegenheit, mit Aigner zu reden. Werden Sie sich entschuldigen?

    Ripke: Ich glaube, dafür gibt es keinen Grund. Wir haben uns ausgesprochen, die Sache ist ausgeräumt, das Kommunikationsproblem ist geklärt.

    Herter: Sie hören den Deutschlandfunk, Friedrich-Otto Ripke, Agrarstaatssekretär in Niedersachsen, über die Dioxin-Krise. – Sind auch Sie, Herr Ripke, für die Trennung der Produktion von Futterfett und industriellem Fett?

    Ripke: Ja, ganz stark. Das ist unser Vorschlag. Wir haben ein eigenes Fünf-Punkte-Programm. Dieser geht ein in den Aktionsplan. Wir wollen noch weitergehen. Wir wollen auch die technischen Fette einfärben, damit kriminellen Machenschaften hier die Quelle entzogen wird.

    Herter: Aigner fordert, dass auch Futtermittelbetriebe zertifiziert werden sollen. Was bedeutet das?

    Ripke: Ja, dass sie bestimmten Anforderungen entsprechen müssen, dass sie ein eigenes Qualitätsmanagement machen müssen und dass sie auch verpflichtet sind, nach einheitlichen Standards dann die Eigenkontrollen durchzuführen. Auch darüber werden wir heute reden.

    Herter: Konnte bisher jeder Futtermittel herstellen, der Käufer fand?

    Ripke: Nein, das ist nicht so. Auch er musste nach EU-Recht sich schon bei uns registrieren lassen, er ist kontrolliert worden. Aber wenn jemand das nicht tat wie bei uns die Spedition Luebbe in Bösel, dann war er nicht im System, dann haben wir ihn mit den behördlichen Kontrollen nicht erfasst.

    Herter: Strafrecht soll angewandt werden, die Strafen für Panscher von Futtermitteln sollen drastisch erhöht werden. Das fordert Aigner. Fordern Sie das auch?

    Ripke: Ja. Wir brauchen auch mehr Abschreckung. In diesem Fall haben einige wenige eine ganze Wirtschaftsbranche in Misskredit gebracht, schweren Image-Schaden verursacht. Wir wollen auch Teile dieses Vorgehens möglicherweise in Niedersachsen mit schwerem Betrug verfolgen. Dann ist die Haftstrafe automatisch höher, bis zu zehnJahren.

    Herter: Jetzt hören wir viele Forderungen. Sie sind ein Mann der Praxis. Wann gehen Sie davon aus, dass diese Forderungen auch in die Tat umgesetzt werden, dass es neue Gesetze gibt?

    Ripke: Ich glaube, dass wir die nationalen Dinge jetzt vor dem Hintergrund der wirklich schlimmen Dioxin-Krise sehr schnell umsetzen werden. Ich rechne heute mit einem Beschluss. Wir müssen allerdings die Europaschiene noch bedenken und dass die Kommission sich dafür interessiert, ist ein gutes Signal. Wir brauchen europaweite Lösungen. Es gibt einen europaweiten und globalisierten Markt inzwischen.

    Herter: Fachleute der Europäischen Union – ich habe es anfangs gesagt – werden in Deutschland eintreffen und Sie unterstützen. Werden Sie die willkommen heißen?

    Ripke: Ja, natürlich! Wir waren auch jetzt in Brüssel vor Ort, wir haben unser System vorgestellt, wir haben Unterstützung bekommen, und ich glaube, es ist nur gut, dass wir alle daran lernen. Eine solche breite Betroffenheit hat es bisher noch nicht gegeben, wir müssen auch nach vorne schauen.

    Herter: Letzte Frage mit der Bitte um eine wirklich kurze Antwort. Wie viele Eier essen Sie so derzeit am Tag oder in der Woche?

    Ripke: Ich esse in der Woche 5 bis 6 Eier.

    Herter: Ungerührt. – Das war Friedrich-Otto Ripke, Agrar-Staatssekretär in Niedersachsen, über das Bund-Länder-Treffen zu Dioxin. Vielen Dank für dieses Gespräch.

    Ripke: Sehr gerne, Herr Herter.

    Ratlose Ministerin - Ilse Aigner und der Dioxin-Skandal