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Niedersachsen
Zu viel Gülle auf dem Acker

Deutschlands Grundwasser ist mit Nitrat belastet, weil zu viel Gülle und Kunstdünger auf die Äcker gebracht wird. Das Land Niedersachsen ist besonders betroffen. Das geht aus dem jüngsten Nährstoffbericht vor, den Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) vorgestellt hat.

Alexander Budde im Gespräch mit Georg Ehring | 24.04.2019
Landwirt fährt mit einem Güllefass bei Sonnenaufgang über ein angefrorenes Feld
Traktor mit Güllefass bei Sonnenaufgang auf einem Feld bei Unna (imago / Marius Schwarz)
Georg Ehring: Die Düngeverordnung war 2017 bundeseinheitlich erheblich verschärft worden und eigentlich hatte sich die Politik eine Trendwende davon versprochen. Diese Hoffnung hat sich also nicht erfüllt?
Alexander Budde: Fest steht, dass noch immer zu viel Dung und zu viele Gärreste auf den Äckern landen. Nun muss man differenzieren: im Flächenland Niedersachsen sind die Nährstoffe nämlich ungleich verteilt: Sieben Landkreise überschreiten die Obergrenze für Stickstoff deutlich. Allen voran sticht da die Region Weser-Ems heraus, hier werden nämlich ein Großteil der rund zweieinhalb Millionen Rinder und 10 Millionen Schweine gehalten.
Dass dieses sogenannte Stickstoff-Düngesaldo unterm Strich mit 50.000 Tonnen etwas geringer ausgefallen ist als im letzten Berichtsjahr – das hat gleich mehrere Gründe: Zum einen ist der Tierbestand an Rindern und Schweinen rückläufig und die Biogasanlagen haben das Verfahren zur Gewinnung von Energie aus dem Substrat so umgestellt, dass jetzt weniger Gärreste anfallen. Zum anderen – und das ist erfreulich – setzten die Ackerbaubetriebe in den Aufnahmeregionen deutlich weniger künstlich erzeugten Mineraldünger ein. Fraglich ist allerdings, ob dazu wirklich die verschärften Vorgaben der Düngeverordnung beigetragen haben oder vielmehr die extreme Trockenheit des letzten Rekord-Sommers: Pflanzen, die verdursten braucht man auch nicht düngen.
Ehring: Wie werden diese Fakten denn aufgenommen in Niedersachsen – von der zuständigen Agrarministerin Otte-Kinast zum Beispiel?
Budde: Agrarministerin Otte-Kinast wertet die leicht rückläufigen Zahlen als ersten kleinen Erfolg der neuen, verschärften Düngeverordnung, die seit 2017 gilt. Konkret ist da beispielsweise geregelt, dass die Landwirte jetzt nach klaren Vorgaben genau den Düngebedarf ermitteln müssen. Allerdings braucht alles nun erstmal Zeit um zu wirken, sagt Otte-Kinast.
"Das sind Mini-Schritte, die wir erreicht haben, aber mit all dem, was gerade landesweit passiert, bewegen wir uns in die richtige Richtung! Die Landwirte haben begriffen, dass das Thema ernst ist, dass uns allen wirklich der Grundwasserschutz an erster Stelle steht!"
Zumal die Landwirte nun erstmals genau bilanzieren müssen, welche Mengen an andere Betriebe abgegeben wurden, betont die Ministerin. Darüber wacht eine eigene Behörde. Bei Verstößen drohen Bußgelder.
Ehring: Und was sagen die Landwirte?
Budde: Tatsächlich glaubt Bauernpräsident Albert Schulte to Brinke nun schwarze Schafe besser aufspüren zu können. Die Düngeverordnung wirkt, sagt er. Allerdings müssten jetzt im ersten Jahr alle noch üben, insbesondere die reinen Ackerbaubetriebe müssten lernen, wie sie mit der Verordnung umzugehen haben.
"Ich sehe aus diesen Zahlen, dass viele Landwirte sich auf den Weg gemacht haben, d.h. mineralischer Dünger wird eben durch organischen Dünger ersetzt. Bloß, es zeigt eben auch, es reicht bei weitem noch nicht, was da passiert ist. Es gibt offensichtlich noch viele Betriebe, die es nicht im Griff haben, sage ich mal."
Es gebe eben noch großes Potential, deutlich mehr organischen Dünger in solche Landesteile und auch in andere Bundesländer zu exportieren, wo dieser bisher kaum genutzt wird. Der Bau von Lagerstätten soll das nun ebenso beschleunigen wie laufende Versuche, den organischen Dünger so aufzubereiten, damit er sich mit präzise kalkulierbaren Inhaltsstoffen genauso streuen lässt, wie das beim Mineraldünger der Fall ist.
Ehring: Für Brüssel ist die neue Düngeverordnung nicht ausreichend. Die deutsche Politik berät weiter, wie sie die EU-Kommission überzeugen kann, von Strafzahlungen abzusehen. Ist der jüngste Nährstoffbericht aus Niedersachsen das erhoffte Signal, dass die Branche die Tragweite des Problems verstanden hat – und die Trendwende jetzt eingeleitet ist?
Budde: Mitnichten, sagt etwa die agrarpolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion, Miriam Staudte. Es gebe kein wirkliches Konzept, vom Überschuss wegzukommen. Die Agrarministerin stecke den Kopf in den Sand und nun drohe die pauschale Kappung der Nährstoffmenge, die in Problemgebieten ausgebracht werden darf, was alle trifft, egal wie fortschrittlich sie wirtschaften.
"Man kann nicht abwarten, ob in 20 Jahren unten im Grundwasser diese höheren Frachten angekommen sind, man muss jetzt handeln und Frau Otte-Kinast hat diese Pauschalforderung minus 20 Prozent mit zu verantworten, weil sie in den wirklichen Problemgebieten in Niedersachsen nicht von ihrem Recht Gebrauch gemacht hat, dort verschärfende Maßnahmen anzuordnen, denn das Hauptproblem sind die viel zu hohen Tierbestände in einigen Regionen Niedersachsens."
Staudte fordert Anreize für tierhaltende Betriebe, ihre Bestände zu reduzieren. Auch den Mineraldünger mit Abgaben zu belegen, wäre aus Sicht der Grünen eine gute steuernde Maßnahme, denn den Dünger einfach nur besser in Niedersachsen zu verteilen, das könne es auch nicht sein.