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Niederschmetternde Prognose zur Umwelt

Wie ein Weckruf erschallte 1980 die Umweltstudie "Global 2000" durch die Welt. Im Auftrag der amerikanischen Regierung wurde hier der globale Kollaps der Menschheit vorausgesagt. Zwar sind die Prognosen in der Härte nicht eingetreten, die Studie aber avancierte zur Bibel der Umweltbewegung.

Von Monika Köpcke | 23.07.2010
    "Die Menschenmenge stößt und strebt voran, es werden immer mehr. Sie stehen an nach Maismehl und die schmalen Vorräte werden wieder nicht reichen. Afrika könnte ..."

    "Bahnhof Alt-Delhi: Knotenpunkt einer Tragödie: Überbevölkerung, Tausende kommen hier täglich an: Landlose, Arbeitslose, Hoffnungslose auf der Suche ..."

    "Eine Herde dürrer Rinder wirbelt den Staub hoch, die Bäche sind ausgetrocknet, kein Baum spendet Schatten, die Sonne brennt. Vor zehn Jahren war hier ein grünes Paradies. Abholzung, Überweidung, Erosion ...."

    Die Szenarien, die Korrespondenten Ende der siebziger Jahre aus Ländern der Dritten Welt zeichneten, waren düster. Und in der Zukunft würden sich diese Zustände noch verschlimmern, so prophezeite es die Studie "Global 2000", die am 23. Juli 1980 veröffentlicht wurde. Im Mai 1977 hatte der amerikanische Präsident Jimmy Carter diese erste weltumspannende Forschungsarbeit über zukünftige Entwicklungen in Auftrag gegeben. Für die Bereiche Bevölkerung, Ressourcen und Umwelt sollte sie die Grundlagen für die langfristigen Planungen seiner Politik liefern. Die zentrale Frage lautete: Wie wird unsere Welt im Jahr 2000 aussehen, wenn die Menschheit so weitermacht wie bisher? Die Antwort war niederschmetternd:

    "Wenn sich die gegenwärtigen Trends fortsetzen, wird die Welt im Jahre 2000 noch stärker übervölkert, noch verschmutzter, ökologisch noch weniger stabil und anfällig für Störungen sein als die Welt, in der wir heute leben. Trotz einer größeren Produktion von Gütern werden die Menschen auf der Welt in vieler Hinsicht ärmer sein als sie es heute sind."

    Über 400 Experten aus Wissenschaft und Politik hatten drei Jahre lang Daten aus der ganzen Welt ausgewertet. Auf 1.500 Seiten fassten sie ihren Abschlussbericht zusammen, der weitestgehend die Prognosen bestätigte, die der Club of Rome in seiner aufsehenerregenden Studie "Die Grenzen des Wachstums" bereits 1972 aufgezeigt hatte.
    Die deutsche Übersetzung war das bislang erfolgreichste Buch des alternativen Verlags "ZweiTausendeins". Es wurde gleichsam die Bibel der Umweltbewegung.

    "Es hatte natürlich ein viel größeres Gewicht gehabt, als alle diese Bücher, die von Einzelnen mehr oder minder wissenschaftlich erarbeitet worden sind."

    Der SPD-Politiker Erhard Eppler, damals aktiv in der Dritte-Welt- und Umweltbewegung.

    "Ich verband die Hoffnung, dass in der Weltöffentlichkeit insgesamt die Diskussion über das beginnen und sich intensivieren würde, was wir uns noch leisten können. Ich glaube, dass 'Global 2000' viele Leute zuerst einmal davon überzeugt hat, dass es sich hier um Themen handelt, die man nicht mehr einfach übergehen kann."

    "Bis zum Jahre 2000 wird die Weltbevölkerung um 55 Prozent auf 6,35 Milliarden Menschen anwachsen, 90 Prozent dieses Bevölkerungswachstums entfallen auf die ärmsten Länder der Erde. 1,3 Milliarden Menschen werden im Jahre 2000 unterernährt sein. Die Abhängigkeit von Erdöl und Wasser wird bei zunehmender Ressourcenknappheit rapide steigen. Ein Viertel der Menschheit wird auf Holz als Brennstoff angewiesen sein; der weltweite Waldbestand wird bis zum Jahre 2000 um 40 Prozent zurückgehen. Überweidung, destruktive Anbaupraktiken und Abholzung führen zu einer Ausdehnung der unfruchtbaren Wüstengebiete um 20 Prozent. Steigende CO2-Emissionen werden zu einer Erwärmung des Erdklimas führen. 15 bis 20 Prozent der 1980 noch lebenden Arten von Pflanzen und Tieren werden im Jahre 2000 ausgestorben sein."

    Im November 1980 verlor Jimmy Carter die Präsidentschaftswahlen. Sein konservativer Nachfolger Ronald Reagan ließ "Global 2000" in der Schublade verschwinden. Tatsächlich hielten einige zentrale Prognosen der Überprüfung im Jahre 2000 nicht stand. Die Situation hatte sich im Vergleich zu 1980 in vielen Bereichen zwar verschlechtert, aber nicht so gravierend wie vorausgesagt; was sicherlich auch eine Konsequenz internationaler Abkommen und nationaler Umweltschutzmaßnahmen der vorangegangenen 20 Jahre war. Dennoch gibt es keinen Grund zur Entwarnung. Ernst Ulrich von Weizsäcker, damals Leiter des Wuppertaler Instituts für Klima, Umwelt und Energie, sagte im Dezember 2000:

    "Naja, im Detail irren sich die Propheten immer, aber die Grundsatzsituation, dass wir im erschreckenden Umfang Tier- oder Pflanzenarten verlieren, dass die Wälder zerstört werden, dann auch der Treibhauseffekt, der damals noch kaum Erwähnung fand, aber inzwischen zu einer massiven Realität geworden ist, das sind Dinge, die den Bericht auch heute noch lesenswert machen."