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Niedrige Milchpreise
"Macht der Verbraucherseite begrenzt"

Landwirte fürchten um ihre Existenz, weil die Preise für Milch und Milchprodukte so niedrig sind. Maria Heubuch, für die Grünen im Europaparlament, forderte im Deutschlandfunk eine Angebotsreduzierung - und eine finanzielle Bestrafung der Bauern, die dennoch ihre Produktion steigerten.

Maria Heubuch im Gespräch mit Susanne Kuhlmann | 07.09.2015
    Maria Heubuch, baden-württembergische Kandidatin für das EU-Parlament, spricht am 13.05.2014 im Kulturzentrum Tollhaus in Karlsruhe (Baden-Württemberg) beim Wahlkampfhöhepunkt zur Europawahl der Grünen Baden-Württembergs.
    Maria Heubuch (Die Grünen) fordert einen Fokus auf die Angebotsseite bei den Milchpreisen. (picture alliance / dpa / Uli Deck)
    Susanne Kuhlmann: Am Telefon ist Maria Heubuch. Sie gehört der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament an und ist stellvertretendes Mitglied im Agrarausschuss. Guten Tag, Frau Heubuch.
    Maria Heubuch: Guten Tag!
    Kuhlmann: Sie waren ja heute Nacht mit Bauern unterwegs gen Brüssel. Wie stellen die sich die Lösung der Milchpreiskrise denn vor?
    Heubuch: Die Bauern, die wissen, dass man das nicht mit Steuergeldern beheben kann. Das ist ihnen völlig klar, sondern sie wollen immer dann, wenn der Markt zu viel Milch hat, also das überhaupt nicht mehr aufgenommen wird, was an Milch produziert wird, dort ansetzen, wo die Industrie immer ansetzt, wenn zu viel da ist, nämlich weniger produzieren. Dazu sind die Bauern bereit, aber da braucht es eine allgemeinrechtliche Regelung und dafür stehen sie heute hier in Brüssel.
    Kuhlmann: Grob gesagt gibt es ja zwei Positionen. Große europäische Bauernverbände wollen mehr ins Ausland exportieren, Milchpulver, Butter, Käse. Jetzt gibt es aber die Wirtschaftssanktionen gegen Russland, also ein Problem. Kleine landwirtschaftliche Verbände stellen sich vor, Milch so zu produzieren, wie Verbraucher sich das wünschen, wenn sie befragt werden. Und dafür auch einen vernünftigen Preis zu bekommen. Wieso ist dieser vernünftige Preis nicht durchzusetzen, obwohl viele Bauern doch in Genossenschaften organisiert sind?
    Heubuch: Unsere Genossenschaften, die müssen natürlich auf demselben Markt verkaufen wie der Privatunternehmer. Und selbst Minister Schmid hat gesagt, der Markt lässt sich nicht aushebeln und Markt besteht aus Angebot und Nachfrage. Unser Deutscher Bauernverband, aber auch die Politik, die wollen an der Nachfrage schrauben. Das ist aber sehr schwierig. Wir würden es lieber beim Angebot machen. Das Angebot haben wir selber in der Hand. Und wenn wir das Angebot zurückfahren, wenn es der Markt nicht aufnimmt, dann wirkt sich das automatisch auf Preise aus.
    Kuhlmann: Könnte das nicht zum Problem werden für Milchbauern, die gerade investiert haben nach dem Abschaffen der Milchquote in große teure Ställe?
    Heubuch: Wissen Sie, wenn ich tausend Liter Milch für 30 Cent verkaufe, dann ist das weniger, als wenn ich 950 Liter Milch für 40 Cent verkaufe. Das ist eine ganz einfache Rechnung. Wenn ich für eine geringere Menge - und wir reden hier nicht von 20, 30 Prozent, sondern wir reden vielleicht von fünf Prozent -, wenn ich eine geringere Menge zu einem besseren Preis verkaufe, dann stehe ich doch am Ende des Monats besser da.
    Kuhlmann: Auf welchem Weg könnte man denn zu einer geringeren Menge kommen?
    Heubuch: Wir haben in einem Topf jetzt die Gelder, die für Überlieferungen im vergangenen Jahr von den Bauern bezahlt wurden.
    Kuhlmann: Für zu viel gelieferte Milch, für überschüssige Milch.
    Heubuch: Genau, für diese Überlieferung, solange wir noch die Quote hatten, diese Superabgabe. Wir könnten das Geld nehmen und den Bauern anbieten, wenn sie zwischen ein und 20 Prozent ihre Menge reduzieren - ich will nicht, dass sie mehr reduzieren, nämlich dass die einen aussteigen und die anderen dann mehr produzieren, sondern hier weniger produzieren und das wird ausgeglichen. Wer trotzdem glaubt, er müsste seine Produktion noch steigern, der zahlt eine Strafabgabe in diesen Topf. Dann können wir die, die sich marktkonform verhalten, belohnen und wir brauchen keinen Cent Steuergelder dazu. So könnten wir gemeinverbindlich den Markt regeln.
    Kuhlmann: Welche Rolle spielen die Verbraucher denn in dieser Geschichte? Biomilch, fair gehandelte Milch, es gibt ja Angebote, von denen die Produzenten gut leben können. Aber gekauft wird die billige Milch. An wem liegt das?
    Heubuch: Wird wirklich immer nur die billige Milch gekauft? Ich glaube, wir sind hier in einem System, wo wir alle etwas gefangen sind. Und wenn wir das System in sich nicht ändern - als Verbraucherin habe ich viel Macht, aber ich habe nicht alle Macht. Wir müssen auch am System etwas tun und in diesem Fall glaube ich, dass die Macht der Verbraucherseite hier etwas begrenzt ist.
    Kuhlmann: Minister, Milchbauern, Preiskrise - soweit Maria Heubuch von den Grünen im Europaparlament. Ihnen vielen Dank nach Brüssel.
    Heubuch: Ja, herzlichen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.