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Niedrigzinspolitik
Den Banken geht die Geduld aus

Die Gewinne der Banken haben sich halbiert - als Folge der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Banker fordern, den Ausstieg trotz des starken Euros nicht noch weiter hinauszuschieben. Doch unter den Nebenwirkungen des billigen Geldes leiden auch andere Branchen.

Von Brigitte Scholtes | 07.09.2017
    Euro-Skulptur am Willy-Brandt-Platz vor der alten EZB in Frankfurt am Main.
    Die Europäische Zentralbank (EZB) möchte eine Inflationsrate von knapp zwei Prozent sehen, doch aktuell steigen die Preise im Euroraum nur um 1,5 Prozent (dpa / Daniel Kalker)
    Wieder einmal werden die Finanzmärkte heute gebannt den Worten Mario Draghis lauschen. Wann endlich beginnt die EZB mit ihrem Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik? Bei der letzten Ratssitzung Mitte Juli hatte der EZB-Präsident die Beobachter auf den Herbst vertröstet, denn die EZB möchte ja eine Inflationsrate von knapp zwei Prozent sehen, dazu müssten aber auch die Löhne wegen der guten Beschäftigung stärker anziehen. Aktuell steigen die Preise im Euroraum um 1,5 Prozent. Man sei insgesamt zuversichtlich, dass man vorankomme, sagte Draghi im Juli, aber es sei eine Kombination von Zuversicht, Vorsicht und Geduld nötig.
    In Deutschland mangelt es zwar nicht an Zuversicht, aber die Geduld geht vor allem den Banken allmählich aus. So mahnte Deutsche Bank-Chef John Cryan erst gestern auf einer Bankentagung:
    "Die Zeit des billigen Geldes in Europa sollte enden – trotz des starken Euros."
    Nebenwirkungen des billigen Geldes inzwischen enorm
    Denn der starke Euro könnte der Notenbank als Vorwand dafür dienen, den Ausstieg noch hinauszuschieben, weil er auf längere Sicht wie eine kleine Zinserhöhung wirkt. Doch die Nebenwirkungen des billigen Geldes seien inzwischen enorm, mahnt Georg Fahrenschon, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes:
    "Darunter leiden wir alle. Wir wissen, dass mittlerweile die Kapitalmärkte in Unordnung sind. Wir wissen, dass die Lebensversicherungen, wir wissen, dass die Stiftungen, wir wissen, dass selbst die Gesundheitskasse des Bundes darunter leidet und natürlich auch die komplette traditionelle Kreditwirtschaft, Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken und Privatbanken."
    Wie denn eigentlich in dem inzwischen guten wirtschaftlichen Umfeld Normalität aussehe für die EZB, fragt sich Fahrenschon. Darüber denkt auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nach:
    "Im Begriff der 'unusual monetary policy' steckt ja, dass es eine außergewöhnliche Politik ist. Deswegen wünscht sich jeder weltweit, dass wir möglichst bald zur Normalisierung kommen. Wir sind in der guten, stabilen Entwicklung der Eurozone wirtschaftlich dieser Normalisierung sehr viel näher gekommen als die meisten Pessimisten noch vor einem Jahr für möglich gehalten hätten."
    John Cryan, Deutsche Bank: "Das Minus beträgt ganze 23 Prozent"
    Uwe Fröhlich, Präsident des Bundesverbands der Volks- und Raiffeisenbanken jedenfalls ist auch der Ansicht, dass die EZB langsam überziehe. Sie kauft ja Monat für Monat Anleihen am Finanzmarkt im Volumen von 60 Milliarden Euro:
    "Die Zeit ist längst gekommen, die Geldpolitik zu verändern, zunächst die Anleihekaufprogramme zurückzufahren und dann auch langsam mit einem Beginn der Zinserhöhungen zu starten."
    Denn viele deutsche Geldhäuser tun sich schwer, weil sie bisher vor allem im Zinsgeschäft Geld verdient haben. Das geht schon lange nicht mehr, aber das gelte auch für die Banken im Euroraum insgesamt, rechnet Deutsche-Bank-Chef Cryan vor:
    "Verglichen mit der Zeit vor der Finanzkrise beträgt das Minus ganze 23 Prozent. Und dieser Prozess ist immer noch nicht zu Ende. Das konnte unsere Branche allein mit Kostendisziplin nicht ausgleichen: Die Gewinne haben sich unterm Strich deshalb halbiert."
    Einig aber sind sich alle zumindest insoweit, dass der Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik mit Maß erfolgen muss. Denn auch eine zu schnelle Zinserhöhung könnte die Banken ins Wanken bringen – oder ihnen zumindest Probleme bereiten.