Donnerstag, 28. März 2024

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Nirgends eine heile Figur

Der Name Henning Mankell ist bei hunderttausenden süchtiger Leser gleichbedeutend mit der Marke Schwedenkrimi. Der Erfolg seiner Kommissar-Wallander-Bücher hat auf dem deutschen Markt eine alles andere vom Platz fegende Konjunktur von Kriminalromanen und Thrillern skandinavischer Autoren wie Ake Edwardson, Hakan Nesser und Liza Marklund ausgelöst, die zur Freude des Buchhandels und zum Leidwesen nicht weniger Kritiker bis heute anhält. Dabei behauptet Mankell von sich, er schreibe eigentlich gar keine Krimis: Im Zentrum seines Erzählens stünden nicht das Verbrechen und seine Aufklärung, sondern gesellschaftliche Zustände.

Von Julia Schröder | 17.04.2005
    Tatsächlich fragt Henning Mankell in jedem seiner Bücher, was mit einem Gemeinwesen geschieht, dem Mitgefühl und Solidarität abhanden kommen. Nicht ohne Grund wird Mankell immer wieder mit dem eine knappe Generation älteren Autorenpaar Sjöwall/Wahlö und dessen kriminalistischer Chronik des schwedischen "Volksheims" verglichen. Und zweifellos ist der Versuch, dem Krimileser, der vielleicht bloß spannende Ablenkung sucht, nebenher ein bisschen Belehrung unter die Weste zu jubeln, aller Ehren wert. Ob dieses Vorhaben zu guter Literatur führt, ist eine andere Frage. Jedenfalls hat es gelegentlich etwas Nervtötendes.

    Mancher hält die deutlich vorgetragene Sozialkritik der Wallander-Romane sogar für nichts anderes als verlogene Dekoration für Geschichten von Mord und Totschlag, wie sie grausamer, blutiger und verkaufsträchtiger schlechterdings kaum vorstellbar sind. Immerfort werden Schädel gespalten, Gliedmaßen abgetrennt, Augen ausgestochen, Figuren, die ihrerseits Mord, Brandschatzung und Vergewaltigung auf dem Kerbholz haben, werden gepfählt, in Eislöchern versenkt, zum Verhungern an Bäume gebunden oder eingekerkert. Dazu kommt, dass hinter dem aufzuklärenden Individualcrimen das ganz große Verbrechen sichtbar wird, sei es das historische des Holocaust, sei es das aktuelle des Globalterrorismus. Und durch alles schleicht der Wahnsinn auf mehr oder weniger leisen Sohlen.

    Dass er all dieses willkürlich auspinsele, um seine Leser mit dem Kitzel zu versorgen, den sie von ihm erwarten, und nichts weiter, diesen Vorwurf würde Henning Mankell, der in Maputo das Theatro Avenida leitet und mit Straßenkindern arbeitet, der diese Erfahrungen in Büchern wie "Der Chronist der Winde" auch verarbeitet hat, wohl in Abrede stellen. Vor ein paar Jahren sagte er im Interview mit dem Zürcher "Tagesanzeiger":

    " Es ist ja nicht meine morbide Phantasie, die sich die grässlichen Verbrechen ausdenkt, die in meinen Büchern vorkommen. Es macht mir keinen Spaß, so etwas zu schreiben, wirklich nicht. Was immer ich beschreibe, könnte tatsächlich irgendwo passieren. In diesem Sinn bin ich Realist. Ich könnte mir nie so brutale Dinge ausdenken, wie die Wirklichkeit sie tagtäglich hervorbringt. "

    In Mankells Krimis allerdings - und das unterscheidet sie von der Wirklichkeit außerhalb dieser Bücher - gibt es eine Instanz, deren bloßes Vorhandensein, wie gefährdet, verletzbar und brüchig auch immer, den Leser vor dem unmittelbaren Andrang der Schrecknisse bewahrt. Es ist Kurt Wallander, der melancholische Ermittler, der stellvertretend entsetzt und ratlos ist, der an der Menschheit ganzem Jammer leidet, ohne dabei zynisch zu werden, Wallander, der die Frage stellt, was eigentlich schief läuft, und der mit seinem persönlichen Einsatz, seinem Scheitern und seinem Erfolg, die Wirklichkeit am Ende - zur Erleichterung des Lesers - wieder ins Lot bringt. Neuerdings sind in diese Stellvertreter-Fußstapfen Wallanders jüngeres Ebenbild Stefan Lindman und sogar seine eigene Tochter Lisa getreten.

    Insofern ist Henning Mankells jüngster Roman, der jetzt unter dem ebenso lapidaren wie vielsagenden Titel "Tiefe" auf Deutsch erschienen ist und sich bereits wieder phänomenal verkauft, ein Buch, das eingefleischte Wallander- und Mankell-Fans zutiefst verstören muss. Das ist seine größte Qualität. Hier macht Mankell etwas vollkommen Neues, etwas, das von ihm beim besten Willen nicht zu erwarten war. Zwar geht es auch hier wieder um Wahnsinn, Trauma und Mord, aber nicht die Verbrechensaufklärung ist das Movens der Handlung. Wir erleben vielmehr lesend mit, wie das Böse entsteht, wie es sich ausbreitet, wie es am Ende siegt. Die Zeit ist die des ersten Weltkriegs, vom Verfall des schwedischen Sozialstaats kann also noch nicht die Rede sein. Und kein Kurt Wallander weit und breit, der uns die Hoffnung auf die Menschheit bewahrte. Nirgends eine heile Figur.

    Es ist die Geschichte des Lars Tobiasson-Svartman, eines Seevermessungsingenieurs und Offiziers im Kapitänsrang, der für das neutrale, sich gleichwohl bedroht fühlende Schweden neue, militärisch nutzbare Schiffahrtswege durch die Schären der Ostsee vor der Küste von Gotland herausfinden soll. Sein Lot, das Instrument, mit dem die Tiefe des Meeresbodens gemessen wird, ist sein kostbarster Besitz, den er des Nachts auf See sogar neben sein Kopfkissen legt. Lars Tobiasson-Svartman ist ein Mensch der Zahlen und der Maße, manischer Bestimmer von Abständen; mit Nähe kann er nichts anfangen. Seine Frau Kristina, verwöhnte Tochter einer besseren Familie, liebt er aus der Entfernung, ohne sie zu kennen, und als er im Herbst 1914 seinen geheimen Auftrag erhält, verschweigt er in seinen Briefen an sie stets das, was ihn am meisten beschäftigt. In diesen Tagen, in der einsamen Landschaft der herbstlichen Schären, beginnt die Lüge.

    " Die Jolle glitt durch den Nebel. Er bestimmte die Richtung und begann, mit kräftigen Schlägen zu rudern. (...) In der Stille nahm er einen einsamen Laut war, ein Rauschen, vielleicht von Vögeln, die sich im Nebel verirrt hatten. - Als er die Schäre erreicht hatte, konnte er zuerst nicht ausmachen, wo er sich befand. Nichts verändert seine Küstenlinie so sehr wie der Nebel. Vorsichtig ruderte er am Ufer entlang, hatte mehrfach Grundberührung und fand schließlich seinen gewohnten Ankerplatz. - Es war feucht und kalt, und er fror. Die Jolle lag in der Bucht. Das Rahsegel war am Mast festgezurrt, und die Ruderpinne lag am Strand. An den Astgabeln und den grauen Stangen hingen tropfende Netze, und er schloss daraus, dass sie die Netze schon an diesem Morgen eingeholt hatte. Er ging weiter, blieb aber plötzlich bei einem Geräusch stehen, dass er nicht deuten konnte. - Er wartete, bis es aufgehört hatte, und ging dann vorsichtig auf sein Versteck zu. Er hob den Kopf und sah zum Haus hinunter. Zwischen den Felswänden waberte der Nebel. (...)Sie öffnete die Tür. - Als sie sein Gesicht erkannte, trat sie zur Seite. Sobald er im Haus war, hätte er sich umdrehen und davonrennen mögen. Es war, als wäre er in eine Falle geraten, die er sich selbst gestellt hatte. Was hatte er dort zu suchen? Es ist eine Torheit, dachte er, aber nach dieser Torheit habe ich mich gesehnt. "

    Diese Torheit wird fatale Folgen haben. Um die einsame, etwas verkommene Frau - Sara Fredrika ist ihr Name -, die er auf der Schäre vorfindet, für sich zu gewinnen, erzählt er, seine Frau und seine Tochter wären, wie ihr Mann, bei einem schrecklichen Unfall zu Tode gekommen. Dies ist nicht seine erste Unehrlichkeit. Lars Tobiasson-Svartman, der nach dem Tod des verhassten Vaters zusätzlich den Familiennamen seiner Mutter angenommen hatte, erlebt sich seit je in einer Welt unter Beobachtung. Seine Eltern haben ihn im Kinderzimmer beobachtet, er wiederum hat versucht, sie heimlich zu beobachten, den strengen Vater, die ohne ein Geräusch weinende Mutter. Auch in der Familie seiner Frau, die von der eitlen Patriarchengestalt seines Schwiegervaters beherrscht wird, beäugt man einander mit Misstrauen. Als er an Bord des Schiffes gegangen ist, das ihn zu seinem Auftrag befördern soll, hat er als erstes nach einem Versteck unter einer Treppe gesucht. Dafür hatte er sich eigens die Konstruktionszeichnungen des Schiffes beschafft. Sich verstecken, sich bergen, von der Oberfläche verschwinden - die Sehnsucht danach ist bei ihm ebenso groß wie die nach einer Tiefe, die sein Lot nicht mehr ermessen kann. In der Begegnung mit Sara Fredrika wird er diese Tiefe erreichen, in einem wahrhaft abgründigen Sinn. Zunächst aber ist er zwischen ihr und seiner Frau Kristina in Stockholm hin und her gerissen.

    " In der Kajüte blieb er an der Tür stehen und versucht sich vorzustellen, was seine Frau in genau diesem Augenblick machte. Aber er konnte sie nicht sehen. Er wusste nicht, womit sie sich beschäftigte, wenn sie in der Wohnung allein war. Der Gedanke gefiel ihm nicht. Es war, als hielte an eine Seekarte in der Hand und entdeckte plötzlich, dass die Schrift, die Umrisse der Inseln, die Sektionen der Leuchttürme, die Markierungen, die angegebenen Seetiefen rasch ausgelöscht werden. - Er wollte wissen, in welchen Fahrwassern sich seine Frau bewegte, wenn er fort war. - Ich liebe sie, dachte er. Aber ich weiß nicht, was Liebe eigentlich ist. - Er setzte sich an den kleinen Tisch mit der Sturmkante und packte sein Lot aus. Das Messing glänzte. - Für einen kurzen Augenblick hatte er das Gefühl, Kristina Tacker stehe hinter seinem Rücken und beuge sich über seine Schulter vor. - ,Etwas wird geschehen', flüsterte sie. ,Es gibt einen Punkt, an dem dein Lot den Meeresboden nicht erreicht. Es gibt einen Punkt, an dem alles zerbricht, geliebter Mann.' "

    Die geheime Mission geht zu Ende, er kehrt zurück in seine Wohnung, in der Kristina ihre Porzellanpüppchen poliert und auf ihn wartet. Es zieht ihn wieder zu Sara Fredrika. Weil er einen erhofften Mess-Auftrag nicht bekommt, ersinnt er eine Lügengeschichte von Falschmessungen, um zu ihr zurückkehren zu können. Nach mehrtätiger Wanderung im Winter über die zugefrorene Ostsee auf dem einsamen Eiland angekommen, muss er feststellen, dass sie nicht allein ist. Ein deutscher Deserteur hat seinen Platz eingenommen. Er lässt sich seine Eifersucht nicht anmerken, so dass die Frau keinen Verdacht schöpft, als der Deutsche von einem gemeinsamen Ausflug aufs Eis nicht zurückkehrt und Lars Tobiasson-Svartman behauptet, der habe sich mit einem Senkblei an den Füßen in ein Eisloch gestürzt. In Wahrheit hat er den Deutschen umgebracht, verstümmelt und versenkt. Wieder kehrt er zurück nach Stockholm, inzwischen sind beide Frauen schwanger von ihm, und die Marine-Kommandantur ist ihm auf die Schliche gekommen. Er verübt einen brutalen Mordanschlag auf den verhassten Stiefvater, der ihm nicht nachzuweisen ist. Seine Frau Kristina bringt seine erste Tochter zur Welt, er nennt sie Laura, auf der Schäre gebiert Sara Fredrika wenig später ebenfalls ein Mädchen, dem er denselben Namen gibt. Er hat der Frau versprochen, sie und das Kind von der öden Insel wegzuholen, mit ihr nach Amerika zu gehen. Während er sich noch das Hirn zermartert, wie er dieser Bindung entgehen kann, der er sich nicht gewachsen fühlt, muss er feststellen, dass er unwiderruflich in der Falle sitzt. Alle seine Lügen haben ihn eingeholt, die Tiefe ist am Ende sein Schicksal.

    Henning Mankells Roman "Tiefe" zeichnet das Psychogramm eines Mörders - eines Mörders nicht aus verlorener Ehre, nicht aus zerstörter Kindheit, nicht aus Neid, Verblendung oder Leidenschaft, es sei denn, der Leidenschaft für den eigenen Abgrund. Zu Beginn des Buchs erleben wir in einer typisch Mankell'schen Skizze, wie die verrückt gewordene Kristina zwanzig Jahre nach den Ereignissen aus der Heilanstalt ausbricht und wieder eingefangen wird. Danach aber bleibt die Erzählperspektive konsequent bei Lars Tobiasson-Swartman. Andere Perspektiven braucht diese Geschichte nicht. Denn es gibt hier nichts aufzuspüren, aufzudecken und zu untersuchen. Hier enthüllt sich ein Geschick, das seinem Träger entspricht. Lars Tobiasson-Swartmans Verhängnis liegt am Grund seiner Seele.

    Wir sehen ihn, wie er beide Frauen belügt, wie er im Tagebuch eines soeben Verstorbenen liest, dass dieser ihn, den unzuverlässigen "Blender", herzlich verachtet hatte, und wie er dessen Leichnam Cognac in die Nase und aufs Geschlechtsteil träufelt. Wir sind bei ihm, als er einen anderen Mann erschlägt und ihm die Augen aussticht. Wir erinnern uns mit ihm an die Demütigungen und Grausamkeiten der Kindheit, wir erschrecken mit ihm über den Leichnam eines Ertrunkenen, wir planen mit ihm die nächste List, die nächste Untat und erkennen schließlich, dass es keinen Ausweg gibt. Wir sehen nichts anderes als einen Mann, "der nie ganz und gar sichtbar wer, nicht einmal für sich selbst". Das macht den Schrecken dieser Geschichte aus.

    In diesem Roman verzichtet Mankell auf die seine anderen Bücher veredelnden Zutaten des Willens zur Moral, zum Mitgefühl und zur Menschlichkeit. Er tritt hier vielmehr das Erbe der großen Seelenzergliederer wie Ibsen oder Strindberg, der großen Grausamen wie Knut Hamsun an. Zwar setzt er auch in diesem Buch wieder sehr auf die bewährte Masche der teils sehr kurzen Kapitelaufteilung in oft nur zwei, drei Sätze, auf eine allzu gewollte Lakonie der bedeutungsschwangeren Absatzschlüsse, ein Pathos der Sachlichkeit, das zuweilen in Manier ausartet. Mankells routinierte Kunstfertigkeit im Handlungsaufbau aus Andeutungen und Vorausdeutungen aber ist in "Tiefe" fast zur Meisterschaft getrieben. Leitmotivisch tauchen nautische Bilder auf, wie das vom Lot oder der Seekarte. Wie in Zerrspiegeln stehen die Frauen einander gegenüber, ebenso die beiden kleinen Töchter namens Laura. Auch der tote deutsche Soldat ohne Augen hat einen Doppelgänger, und Lars Tobiasson-Swartman erkennt beim Blick in den Spiegel immer mehr Züge des Vaters im eigenen Gesicht. So entsteht das bezwingende Gemälde einer in die eigene Schwäche verstrickten Existenz. Mag sein, es liegt am Fehlen der genretypischen Szenen, welche die Lektüre der Wallander-Krimis zuweilen ein wenig öde machen, der Tatortbegehung bei strömendem Regen, des einsamen oder gemeinsamen Butterbrotverzehrs, der Handlungsrekapitulation in frustrierenden nächtlichen Dienstbesprechungen, mag sein, es liegt am historischen Abstand zum Geschehen: dieser Roman hat nichts Anheimelndes, auch nichts anheimelnd Sozialkritisches. Es gibt, nicht nur für Lars Tobiasson-Swartman, keine Kameradschaft, keine Eltern- oder Kindesliebe, überhaupt nichts, was den Namen Liebe verdiente. Es gibt - und da ist der Seevermesser durchaus beispielhaft für seine Umgebung - nur einen diffusen Besitzwillen, das Streben nach Macht, oder wenigstens nach Kontrolle und den Kampf ums Überleben. In Wahrheit hat hier eine ganze Welt den Kompass und das Lot eingebüßt.

    Das entspricht jenem Geschehen, von dem Henning Mankells "Tiefe" nicht zuletzt auch erzählt, jenem Kapitel der Weltgeschichte, das im Hintergrund der mörderischen kleinen Dreiecksgeschichte seinen großen mörderischen Verlauf nimmt: dem ersten Weltkrieg. Der Krieg zur See ist zumeist nur in dumpfem Kanonendonnner und Explosionen am Horizont gegenwärtig. Aber der Seevermesser weiß, was dort geschieht, auch wenn es ihm nicht zu nahe kommt. Der deutsche Deserteur jedoch berichtet:

    " Ich gehörte zur Besatzung an einer der Kanonen mittschiffs bei der schweren Artillerie. (...) Wir haben neunzehn Schuss aus meiner Kanone abgefeuert, es war ein entsetzliches Inferno, ich sah nicht, ob wir trafen, ich sah nicht, womit wir schossen, jeder Schuss warf uns gegen die Wände. Einige bluteten aus Augen und Nase, mir platzten schon beim ersten Schuss die Trommelfelle. - Ich hatte gar nicht bemerkt, dass die Kanonen verstummten, derjenige, der den zweiten Aufzug bediente, musste mich schütteln und darauf zeigen. Die Kanone schwieg, wir sollten zum Deck zurückkehren. (...) Die Weinshorn navigierte näher zu den Truppentransportschiffen hin, die im Sinken begriffen waren. Das Wasser war von brennendem Öl bedeckt. Hunderte von schreienden Menschen kämpften, um nicht zu ertrinken, gegen das Feuer, gegen das Öl. Aber die Weinshorn tat nichts. Kein einziges Rettungsboot wurde hinuntergelassen, kein einziger Rettungsring geworfen, kein Tauende, nichts. (...) Wir sahen zu, wie sie starben, und ich erinnere mich, wie unsere Knöchel weiß wurden, als wir die Reling umklammerten. Wir sahen die Offiziere oben auf der Kommandobrücke, wie sie lachten und ins Wasser deuteten.- Ich hörte die Schreie ebenso wenig wie das Lachen. Da waren nur der furchtbare Tod in dem kalten Wasser und das brennende Öl. Schließlich war keiner übrig, alle waren tot, die meisten waren untergegangen, vereinzelte Körper trieben rauchend dahin. (...) Dann verließ die Weinshorn den Ort. Das war vielleicht das Grauenhafteste. Wir blieben nicht einmal da. Wir nahmen Kurs gen Südwesten, und am Nachmittag wurden Weihnachtsbäume auf dem Achterdeck aufgestellt. "

    Unvorstellbar, dass Henning Mankell einmal einen Roman schreibt, in dem das Elend der Weltläufte keine Rolle spielt. In diesem Buch aber gibt es nichts anderes, keinen Frieden und auch keinen Trost. Mankell ist hier ganz bei dem Schrecken, der in seinen Krimis vom gemütlichen Unglück der Wallanderei so angenehm konsumierbar gemacht wird.

    Das Meer aber liegt schwarz unter dem Eis und schweigt. Die Stille der Inseln unterbricht nur dann und wann der Schrei eines Vogels oder eines anderen Tiers. Er sei, berichtet der Autor in seiner Nachbemerkung, vor vielen Jahren herumgerudert im feuchten Nebel des Schärengebiets. Hinter dem Nebel, unter dem Eis und jenseits der Stille liegen die Geheimnisse der menschlichen Seele und lauern auf den, der sich von Henning Mankell führen lässt.