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Nitratwerte im Grundwasser
"Es ist ja nicht nur die Landwirtschaft"

Statt mit einem Schnellschuss alles zu zerstören, sollte man abwarten, wie sich die 2017 beschlossene Düngeverordnung im Grundwasser auswirke, sagte der CSU-Politiker und Landwirt Artur Auernhammer im Dlf. Doch nicht nur die Landwirtschaft sei verantwortlich, sondern auch Kläranlagen und Abwasserleitungen.

Artur Auernhammer im Gespräch mit Peter Sawicki | 26.07.2019
Auf Grasland, in Goslar am Harz in Niedersachsen, bringt ein 13 Tonnen Güllefass der Firma Veenhuis über ein 13 Meter Schleppschlauchgestänge Gülle aus einem Kuhstall direkt ohne nennenswert Verlust in den Ackerboden auf. Damit können auch künftige Gesetzesauflagen und Umweltschutzauflagen erfüllt werden. U.b.z. Traktor mit Güllefass bringt Gülle aus. Gülle auf Grasland ausbringen.
"Wir haben in Deutschland kein Problem mit zu viel Gülle", sagte der CSU-Politiker Auernhammer im Dlf (imago images / Martin Wagner)
Peter Sawicki: Am Telefon ist Artur Auernhammer, Bundestagsabgeordneter der CSU und selbst ausgebildeter Landwirt. Schönen guten Morgen, Herr Auernhammer!
Artur Auernhammer: Guten Morgen, Herr Sawicki, guten Morgen, lieber Hörerinnen und Hörer!
Sawicki: Hat die Bundesregierung jetzt endgültig verstanden, was die Stunde geschlagen hat?
Auernhammer: Die Bundesregierung hat schon längst verstanden, was die Stunde geschlagen hat. Es gilt, unser Grundwasser sauber zu halten, der Schutz unseres Grundwassers ist sehr wichtig, und deshalb haben wir bereits 2017 eine Düngeverordnung erlassen, die jetzt auch wirkt bei den Betrieben draußen und vor allem die dann auch zu überprüfen ist, ob sie die notwendigen Erfolge auch bringt.
Sawicki: Ja, aber offenbar reichen die Maßnahmen ja nicht aus – wir haben das ja gerade auch im Vorsetzer gehört. Musste es also erst diese Strafandrohung geben, 800.000 Euro pro Tag Strafe möglicherweise?
Auernhammer: Na gut, wir müssen mal grundsätzlich feststellen, wir haben es hier mit der Natur zu tun. Wenn wir 2017 eine Düngeverordnung erlassen, die jetzt wirkt, die quasi eine Anbauperiode jetzt erst in Kraft ist, müssen wir erst mal abwarten, wie sie sich bei den Nitratwerten im Grundwasser auswirkt. Das ist eine typische bürokratische Vorgabe wieder aus Brüssel, die jetzt einen Schnellschuss machen will. Wir sollen wieder was verschärfen, obwohl wir noch nicht wissen, wie die bestehende Düngeverordnung wirkt. Sie zeigt bereits Wirkung, wir haben reduzierte Tierbestände, wir reduzieren den Mineraldüngereinsatz, also es wird bereits darauf reagiert. Aber wir haben es mit der Natur zu tun.
Auernhammer: Wissen, dass wir in einzelnen Punkten noch nachsteuern müssen
Sawicki: Von einem Schnellschuss kann aber nicht die Rede sein, Herr Auernhammer, denn es gibt eine EU-Richtlinie zu den Richtwerten, zu den Grenzwerten von Nitrat im Grundwasser, die ist 28 Jahre alt, und immer noch hat sich da in Deutschland dahingehend nichts getan.
Auernhammer: Es hat sich viel getan, aber …
Sawicki: Nicht ausreichend offenbar.
Auernhammer: Ja, genau, wir wissen auch, dass wir in einzelnen Punkten vielleicht noch nachsteuern müssen. Wir wissen, dass in einzelnen Regionen vielleicht die Tierbestände zu hoch sind, aber hier müssen wir praxisorientiert rangehen und Lösungen suchen und nicht jetzt wie gesagt mit einem Schnellschuss hier was zerstören, was eigentlich aufgebaut worden ist.
Sawicki: Das heißt, Schnellschuss, soll man sich dafür einsetzen, dass diese zwei Monate Frist verlängert wird?
Auernhammer: Nein, nein, nein, wir müssen jetzt verhandeln. Wir haben wie gesagt bereits die Düngeverordnung von 2017, die hohe Auflagen für unsere Betriebe und gerade für unsere klein- und mittelbäuerlichen Betriebe mit sich bringt. Wir sehen, dass die Einteilung in grüne und rote Gebiete auch Schwierigkeiten bringt, die fachlich oft nicht nachvollziehbar sind. Wir haben hier noch den Bedarf, dass wir hier noch genauer hinschauen, und wir müssen, was die Ausbringtechnik, was die Ausbringverfahren anbelangt, die Lagerkapazitäten, vielleicht das ein oder andere noch nachstellen.
Sawicki: Ja, was das Ausbringen von Dünger beziehungsweise Gülle als Dünger angeht, da hatten wir in den vergangenen Monaten auch schon gesprochen hier im Deutschlandfunk. Olaf Lies, der Umweltminister in Niedersachsen, der hat dazu Folgendes gesagt:
Olaf Lies: Wir haben aus meiner Sicht sehr früh angefangen, künstlich Dinge hochzurechnen, und tun uns jetzt schwer, mal so ganz sachlich und vernünftig zu sagen, eine Pflanze, die hundert Prozent Nährstoffbedarf hat, die darf auch hundert Prozent Nährstoffbedarf haben, weil sie den auch komplett abbauen kann. Das wäre eine ganz fachliche Diskussion.
Sawicki: Warum wurden offenbar Werte künstlich hochgerechnet oder der Bedarf?
Auernhammer: Nein, noch mal, wir haben es hier mit Natur zu tun. Es ist die Frage, wie viel Niederschläge haben wir in der Anbausaison, wie viel Stickstoff kann die Pflanze überhaupt verwerten – dieses Jahr vielleicht weniger als in einem niederschlagsreichen Jahr –, und das sind eben die natürlichen Gegebenheiten. Wir haben ja bei der Ausbringtechnik auch sehr viel investiert. Die bodennahe Ausbringung ist sehr verbreitet jetzt, wobei wir hier auch Probleme haben, was die Futterreinheit bei Grünland zum Beispiel anbelangt. Hier sind noch weitere Entwicklungen notwendig.
"Haben auch ein riesiges Netz von Abwasserleitungen in Deutschland"
Sawicki: Sie haben ja schon gesagt, nachsteuern muss man in einzelnen Bereichen. Was wären denn die gängigsten oder die naheliegendsten Maßnahmen, die man jetzt noch umsetzen könnte, weil Brüssel wie gesagt reicht das ja offenbar nicht, was bisher vorgeschlagen wurde.
Auernhammer: Ich verstehe hier Brüssel nicht ganz. Wir haben seit 2017 eine bestehende Düngeverordnung, die wie gesagt eine Anbauperiode jetzt wirkt, und wir müssen erst mal sehen, wie sie dann im Grundwasser wirkt. Die Versickerung des Wassers dauert ja länger als so mancher Schnellschuss aus Brüssel und deshalb müssen wir da mal genau hinschauen. Wir können natürlich auch noch drüber diskutieren, welche zusätzlichen Maßnahmen wir treffen sollen in der Landwirtschaft, und werden versuchen, das eine oder andere noch abzugleichen. Was ich aber auch in diesem Zusammenhang sagen muss, es ist ja nicht nur die Landwirtschaft, nicht nur der Ackerbau oder das Grünland, wir haben auch ein riesiges Netz von Abwasserleitungen in Deutschland, wir haben sehr viele Kläranlagen. Auch hier müssen wir drauf achten, ob die ganzen Anlagen dicht sind, ob auch hier nicht zu viel versickert dann.
Sawicki: Gut, eine Maßnahme, wenn wir mal konkreter werden, die in Berlin ja beschlossen wurde, war, den Einsatz von Dünger in bestimmten, in besonders belasteten Regionen, um 20 Prozent zu reduzieren. Müssten das dann mehr als 20 Prozent sein zum Beispiel?
Auernhammer: Nein, hier geht es um die sogenannten roten Gebiete, und den Düngeaufwand um 20 Prozent zu reduzieren, würde ja bedeuten, wir lassen die Pflanzen regelrecht hungern. Das ist nicht zielführend auf die Dauer. Wir können sicherlich über die ein oder andere Bedarfsschere von einzelnen Pflanzen diskutieren, aber grundsätzlich zu sagen, 20 Prozent Unterdüngung, das würde ein Aushungern der Pflanzen bedeuten und auch eine Verschlechterung der Qualität, wir würden keinen vernünftigen Backweizen mehr produzieren können in Deutschland.
Sawicki: Also die Tierhaltung reduzieren, das haben Sie ja auch schon angedeutet.
Auernhammer: Tierhaltung reduzieren, ist das eine, aber auch die Verteilung. Wir haben in Deutschland kein Problem mit zu viel Gülle, wir haben ein Problem mit der Verteilung der Gülle. Da haben wir in Deutschland Regionen, wo sehr viel, sehr intensive Tierhaltung stattfindet – auch in Bundesländern, die Jahrzehnte lang grüne Umweltminister hatten, nur nebenbei bemerkt –, und wir haben in Deutschland Regionen, wo sehr geringe Tierbestände sind. Hier wäre der Einsatz von Gülle, von Wirtschaftsdünger sehr hilfreich, um vernünftige Pflanzen zu züchten.
Sawicki: Warum schafft man es nicht, sich da bundesweit besser zu koordinieren?
Auernhammer: Ja, das ist eine Aufgabe der Bundesländer, es ist eine Aufgabe auch der Landwirtschaft vor Ort, welche Voraussetzungen habe ich vor Ort. Man kann jetzt nicht sagen, der Landwirt muss in die Tierhaltung investieren oder muss seinen Standort verlagern. Wir sind an Grund und Boden gebunden, das ist einfach Praxis, das geht nicht immer so einfach.
"Ich hab jetzt keine Rinder mehr, weil ich im Bundestag sitze"
Sawicki: Nun sind Sie ja selber ausgebildeter Landwirt, wir haben es eingangs erwähnt. Was tun Sie praktisch, um die Nitratbelastung im Grundwasser zu regulieren?
Auernhammer: Ich bin nicht nur ausgebildeter Landwirt, ich bin auch ehrenamtlicher Vorsitzender unseres Maschinenringes, und wir haben eine sogenannte Güllegemeinschaft gegründet. Das heißt, über 150 Landwirte im Landkreis haben sich zusammengeschlossen, haben investiert in moderne Technik. Wir bringen die Gülle bodennah aus, arbeiten sie ein, haben gemeinsam insgesamt 30 Güllefasstechniken im Einsatz, haben eine Selbstfahrtechnik im Einsatz und werden jetzt auch mithilfe von Stickstoffsensoren zum Beispiel mithilfe der Digitalisierung in der Landtechnik die Technik so einsetzen, dass man pflanzengerecht, bedarfsgerecht düngen kann. Das ist die Praxis, damit können wir mit der bestehenden Düngeverordnung von 2017 leben. Und deshalb sag ich noch mal: Jetzt warten wir doch auch mal ab, ob diese Düngeverordnung von 2017 und wie sie auch wirkt.
Sawicki: Sie haben ja Rinder unter anderem in Ihrem landwirtschaftlichen Betrieb, wenn wir das richtig gesehen haben. Wie viele Rinder pro Hektar haben Sie?
Auernhammer: Ich hab jetzt keine Rinder mehr, weil ich im Bundestag sitze, aber bevor ich im Bundestag war, hab ich über zwei Großvieheinheiten pro Hektar gehalten. Das war für unsere Region auch nachvollziehbar und ist auch für das Pflanzenwachstum verträglich. Unsere Region ist eine nicht belastete Region, wir sind grünes Gebiet, und ich bin jetzt in der Lage, Gülle von anderen Betrieben aufzunehmen, die Gülle abnehmen ((abgeben)) wollen oder Substrat abgeben wollen von Biogasanlagen. Darum bin ich jetzt als Viehloser in der Lage, das aufzunehmen, also wieder um eine vernünftige Verteilung zu sorgen.
Sawicki: Und glauben Sie, dass das alles, was Sie jetzt erwähnt haben, Brüssel überzeugen wird in der kurzen Zeit?
Auernhammer: Ich habe manchmal das Problem, in Brüssel sitzen leider Gottes sehr viele Bürokraten und auch teilweise etwas ideologisch Geprägte, und da müssen wir mit fachlichen Argumenten überzeugen, weil die Praxis zeigt uns draußen, dass wir mit der bestehenden Düngeverordnung noch viele Baustellen haben, noch sehr viele Probleme. Ich kenne Regionen, die sind nicht belastet, die haben hohe Tierbestände, und das Grundwasser ist absolut sauber, es ist kein Nitrat nachzuweisen. Nur in diesen Regionen gibt es halt sehr viel Niederschlag. Wir haben halt deutschlandweit sehr unterschiedliche Regionen, sehr unterschiedliche Voraussetzungen, und da sollten wir vielleicht noch etwas genauer hinschauen, damit wir hier eine vernünftige Regelung für alle Bäuerinnen und Bauern auffinden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.