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No-Spy-Abkommen
CSU-Politiker Uhl: Darauf zu bauen, ist naiv

Medienberichten zufolge könnte das sogenannte No-Spy-Abkommen vor dem Aus stehen. Dazu äußern will sich die Bundesregierung bislang nicht. Nach Einschätzung des CSU-Politikers Hans-Peter Uhl wäre ein Anti-Spionage-Abkommen ohne Sanktionsmöglichkeiten ohnehin wenig verlässlich.

Hans-Peter Uhl im Gespräch mit Martin Zagatta | 14.01.2014
    Martin Zagatta: Dass der damalige Kanzleramtsminister Pofalla die NSA-Affäre für ausgeräumt und beendet erklärt hat, das massenhafte Ausspähen deutscher Bürger durch den US-Geheimdienst NSA, hat nicht lang gehalten. Seit bekannt wurde, dass die Amerikaner selbst das Handy von Kanzlerin Merkel abhören, dringt die Bundesregierung allerdings auf Abhilfe, auf ein sogenanntes No-Spy-Abkommen, das die USA verpflichten würde, auf das Ausspähen zum Beispiel deutscher Regierungsmitglieder zu verzichten. Doch daraus scheint nun doch nichts zu werden.
    Mitgehört hat der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl, der jetzt auch noch dem Auswärtigen Ausschuss des Bundestages angehören wird. Guten Tag, Herr Uhl!
    Hans-Peter Uhl: Grüß Sie Gott!
    Zagatta: Herr Uhl, sehen Sie das auch so ähnlich wie Ihre Kollegen von der SPD, dass die USA den Knall nicht gehört haben?
    Uhl: Das ist durchaus denkbar. Das muss man jetzt noch abwarten. Wenn es dazu kommt, dass der Präsident Obama sich mit der Kanzlerin trifft, dann wird man dieses Gespräch abwarten müssen. Das zweite, was man abwarten muss, ist die Reaktion von Präsident Obama auf seinen eigenen Prüfungsbericht über das Gebaren des NSA, des amerikanischen Nachrichtendienstes und Mängeln in der Beaufsichtigung dieses Dienstes: Machen die tatsächlich alles, was sie können, oder nur das, was sie dürfen. Darüber wird zu reden sein. Angeblich soll Präsident Obama Ende dieses Monats Januar klären, inwieweit er seinen eigenen Nachrichtendienst an die Kandare nimmt und stärker kontrolliert. Das ist ja expressis verbis Aufgabe des amerikanischen Präsidenten.
    Zagatta: Und unabhängig davon, war das naiv zu glauben, die USA würden sich auf ein solches No-Spy-Abkommen, auf das man ja in Deutschland offenbar so großen Wert legt, einlassen?
    Uhl: Das war von Anfang an unklar, wer ein solches Abkommen überhaupt verhandeln soll. Variante eins: die beiden Dienste, Bundesnachrichtendienst mit dem amerikanischen Nachrichtendienst …
    Zagatta: Wie es dann praktiziert worden ist ...
    Uhl: Wie es dann eingangs praktiziert worden ist. Von da an ging es aber über in Verhandlungen zwischen den beiden Regierungszentralen, Weißes Haus und Kanzleramt, und auf der Ebene ist es zurzeit angesiedelt, was auch Sinn macht, denn es ist ja ein politisches Abkommen und kein technisches. Wer sich mit den Sanktionsmöglichkeiten eines solchen möglichen No-Spy-Abkommens befasst, wird rasch feststellen, dass es die wohl kaum geben kann, wenn man dagegen verstößt, weswegen das Wort naiv in gewisser Weise angebracht ist. Ein Abkommen, das keine Sanktion zulässt, darauf zu bauen, ist schon etwas naiv.
    Zagatta: Sie haben sich von diesem Abkommen gar nicht viel versprochen?
    Uhl: Nein.
    Zagatta: Die Bundesregierung hat ja auch einen Fragebogen an die USA geschickt und offenbar keine Antwort bekommen. Kann man das hinnehmen, dass ein souveräner Staat wie die Bundesrepublik oder wie Deutschland jetzt so behandelt wird? Auch Sie sagen ja, warten wir mal ab, was Obama jetzt vielleicht noch macht. Ist das nicht eine sehr defensive Reaktion?
    Uhl: Nein. Ich glaube, dass wir wirklich das Gespräch verlagern müssen auf eine andere Ebene, die sehr viel wirksamer ist. Wir haben ja zwischen der Europäischen Union und Amerika das sogenannte Safe-Harbor-Abkommen, ein Abkommen, das regelt den Datenschutz zwischen USA und der Europäischen Union. Danach können amerikanische Firmen die europäischen oder deutschen Daten von deutschen Bürgern verarbeiten in den USA, und das Abkommen regelt, dass diese Verarbeitung unter Einhaltung unserer Datenschutzstandards erfolgt. Dieses Abkommen, das muss die Europäische Union sich noch mal genauer anschauen. Das ist ja die Grundlage für die Beantwortung der Frage: Betreiben amerikanische Stellen Wirtschaftsspionage in Europa. Und diese Frage ist in meinen Augen die allein ausschlaggebende.
    Zagatta: Das würde sich dann gegen Firmen richten. Von der SPD und von anderen kommt ja jetzt auch der Vorschlag, man sollte sich noch viel mehr Sanktionsmöglichkeiten überlegen, beispielsweise das Freihandelsabkommen. Was sagen Sie dazu?
    Uhl: Das würde ich nicht in Zusammenhang bringen. Das ist eine eigene Problematik, über die kann man durchaus und muss man auch diskutieren, wenn es darum geht, Standards zu setzen, die dann allgemeingültig sind zwischen USA und Europa. Aber das zu verknüpfen, hat wenig inhaltlichen Sinn. Aber das Safe-Harbor-Abkommen isoliert zu behandeln, das hat sogar sehr viel Sinn und da geht es dann um die wirtschaftlichen Interessen von Weltfirmen, die wir alle kennen, von Google über Facebook und wie sie alle heißen: Dürfen die unsere Daten benutzen in USA oder nicht. Da geht es um größere Beträge.
    Zagatta: Herr Uhl, was ist denn auf politischer Ebene? Da haben wir alle noch im Ohr, dass der damalige Kanzleramtsminister die Affäre eigentlich für beendet erklärt hat. Müssen wir, muss die Bundesregierung mit den Amerikanern nicht endlich mal auch deutlichere Worte sprechen?
    Uhl: Auf dem Gebiet wird dem Herrn Pofalla auch unrecht getan. Ich teile seine Auffassung heute noch, als er damals sagte, das Problem dieses NSA-Skandals in der damaligen Fassung im Juli/August vergangenen Jahres ist für beendet erklärt. Warum? – Weil damals in einem Aufmacher eines großen Magazins in Deutschland der Eindruck erweckt wurde, dass 500 Millionen Daten unter Mitwirkung deutscher Beamter des deutschen Nachrichtendienstes nach Amerika geliefert werden, von deutschen Bürgern, und dieses hat er für beendet erklärt und nur dieses. Da war noch nichts bekannt von dem Abhören des Handys der Kanzlerin und so weiter.
    Zagatta: Na gut. – Herr Uhl, wenn wir noch mal bei diesem No-Spy-Abkommen bleiben. Haben Sie denn da auch Verständnis für die Amerikaner? Wenn die ein solches Abkommen mit Deutschland schließen würden, dann wollten doch andere Staaten sofort auch so was. Da würde doch dem NSA die Hände gebunden, das würde doch kein amerikanischer Präsident wahrscheinlich machen.
    Uhl: Da spricht einiges dafür, das so zu sehen. Deswegen glaube ich auch, dass das nicht das Entscheidende ist. Wenn die Kanzlerin oder Regierungsstellen kommunizieren, dann müssen sie auch eigene Sicherheitsvorkehrungen treffen und verschlüsselt kommunizieren. Das ist manchmal unbequem, kostet einige Investitionen. Es gibt deutsche Verschlüsselungstechnik, die macht das möglich, dann ist es sehr, sehr viel schwieriger, zu entschlüsseln, und zeitaufwendig. Da muss man sich dann schon auch bei der eigenen Nase nehmen und soll nicht glauben, dass man mit einem Abkommen sorglos, naiv weiter kommunizieren kann, weil ja das Abkommen ein Mithören angeblich verhindert.
    Zagatta: Sie haben uns gesagt, die EU solle sich jetzt insgesamt da zur Wehr setzen mit diesem Safe-Harbor-Abkommen. Aber wie ist das denn in der EU? Die Briten machen doch gar keinen Hehl daraus, dass sie sich an der Ausspähung von Deutschen auch ohne Skrupel beteiligen.
    Uhl: Ja, die Briten sind bei dem Thema mehr auf dem Schoße der USA als in der Mitgliedschaft der Europäischen Union.
    Zagatta: Was muss man da unternehmen? Das wäre doch das Naheliegendste, da mal ganz schnell ein paar klare Worte zu sprechen oder ein paar Regelungen zu schaffen.
    Uhl: Ja. Die Europäische Kommission muss dieses Thema intensiv mit dem Europäischen Parlament bearbeiten und zu einer gemeinsamen Lösung kommen, entweder mit Einschluss der Briten oder ohne die Briten. Wenn das alles nicht geschieht und wir in keiner Weise vorankommen, dann sehe ich eines schon kommen, dass wir einen Untersuchungsausschuss NSA bekommen, bei dem das deutsche Parlament die Administration der beiden Staaten untersuchen soll, was schon von sich aus gar nicht gehen kann. Dass dann irgendwelche Stimmen laut werden, Herrn Snowden vorzuladen, der selber gar keine Erkenntnisse haben kann, weil er nie bei der NSA war – er hat nur als Administrator und Außenstehender …
    Zagatta: Ist das mittlerweile ausgeschlossen? Das war ja im Gespräch, dass Herr Snowden, ob er hier herkommt oder nicht, zumindest in Moskau von deutschen Politikern befragt wird, oder sogar, dass sich die deutsche Staatsanwaltschaft einschalten müsste. Das ist für Sie jetzt vom Tisch?
    Uhl: Es ist zurzeit nicht geplant. Ich halte es auch für falsch, Herrn Snowden einzuladen, vorzuladen, weil er wie gesagt gar keine eigenen Erkenntnisse haben kann. Im Gegenteil: Er hat das, was er an Daten entwendet hat, zum Teil völlig falsch analysiert. Er weiß es nicht, weil er kein NSA-Mann ist.
    Zagatta: Der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl, der jetzt auch Außenpolitiker ist. Herr Uhl, ich bedanke mich für das Gespräch.
    Uhl: Bitte schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Sie können das Interview in Kürze nachlesen