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"Nobelpreis" für Mathematik
Der Bonner Mathematiker Peter Scholze bekommt die Fields-Medaille

Einen Nobelpreis für Mathematik gibt es nicht. Dafür aber die Fields-Medaille, deren Gewinner ebenfalls in den Olymp der Forscher aufsteigen. Nach über 30 Jahren zählt nun erstmals wieder ein Deutscher dazu: Peter Scholze, ein Superstar der Mathematik ohne Starallüren.

Von Christoph Drösser | 01.08.2018
    Der Mathematik-Professor und Träger der Fields-Medaille Peter Scholze an der Tafel
    Experte für Zahlentheorie: Der 30-jährige Mathematik-Professor Peter Scholze von der Universität Bonn bekommt die Fields-Medaille (Volker Lannert / University of Bonn )
    Wirklich überrascht war Peter Scholze nicht, als er vor ein paar Monaten eine E-Mail vom Vorsitzenden der Internationalen Mathematischen Union bekam, ob man denn nicht einmal skypen könne. Der junge Mathematiker ist zwar erst 30, aber er wurde schon seit einigen Jahren als heißer Favorit für die Fields-Medaille gehandelt. Alle vier Jahre wird die Auszeichnung an zwei bis vier Mathematiker verliehen, die jünger als 40 Jahre sind. Hat sich Scholze trotz der Favoritenrolle über den Preis gefreut?
    "Es war natürlich schon immer ein Traum von mir, dass ich mal die Fields-Medaille gewinnen könnte, und insbesondere in den letzten Jahren wurde mir von allen Seiten nahe gelegt, dass ich die ja sowieso kriegen würde, und dann war es dann vielleicht gerade deshalb dann doch eine große Freude und Überraschung, die dann tatsächlich zu erhalten."
    Der mathematische Überflieger war einst Deutschlands jüngster Professor
    Scholze ist ein Ausnahmewissenschaftler. Er absolvierte sein Studium samt Promotion in ein paar Semestern und wurde schon mit 24 der jüngste ordentliche Professor Deutschlands. Matthew Morrow, ein britischer Mathematiker, der bei Peter Scholze als Postdoc gearbeitet hat, beschreibt die Bedeutung Scholzes für die Mathematik so:
    "Ich war überhaupt nicht überrascht, dass Peter Scholze die Fields-Medaille bekommt, auch wenn ich mich natürlich gefreut habe. Er hat mehrere Aspekte der Arithmetischen Algebraischen Geometrie komplett revolutioniert und gleichzeitig enorm vereinfacht, sodass wir nun ein viel besseres Gefühl für diese Probleme haben."
    Scholzes Steckenpferd: Die Zahlentheorie
    Es ist nicht leicht zu erklären, was für eine Mathematik Peter Scholze betreibt. Wenn er es selbst versucht, fängt er ganz einfach an, aber dann wird es knifflig: "Die Fragestellungen, mit denen ich mich beschäftige, die kommen aus der Zahlentheorie. Dabei geht es um die ganzen Zahlen, also 1, 2, 3, 4, 5 und so weiter, und z.B. wann Gleichungen in den ganzen Zahlen lösbar sind. Und es gibt einen Ansatz, diese Fragen zu studieren, der aus der Algebraischen Geometrie kommt, wo diese ganzen Objekte dann viel geometrischer betrachtet werden, man sich insbesondere die ganzen Zahlen vorstellt als Funktionen auf einem Raum. Und ein großer Teil meiner Forschungen beschäftigt sich damit, wie man diese Art von Raum tatsächlich besser geometrisch verstehen kann."
    Es geht um die komplexesten Bereiche der theoretischen Mathematik, in denen die Gelehrten ganz ohne Computerhilfe, nur durch Nachdenken, in immer höhere Sphären vordringen. Scholze hat den Begriff der sogenannten "perfektoiden Räume" geprägt. Michael Harris von der Columbia-Universität, einer der Experten in der Arithmetischen Geometrie, sagt darüber: "In der zeitgenössischen Mathematik gibt es selten ein so klares Beispiel für eine neue Begriffsbildung."
    Über 30 Jahre lang hatte kein Deutscher mehr die Fields-Medaille bekommen
    Karl-Theodor Sturm, der das Hausdorff-Zentrum für Mathematik in Bonn leitet, einen im Rahmen der Exzellenz-Initiative gegründeten Forschungs-Cluster, ist stolz darauf, dass der Preis an seine Hochschule geht: "Die Verleihung der Fields-Medaille an Peter Scholze ist ein großer Erfolg für Deutschland. Endlich, nach über 30 Jahren geht dieser größte Preis der Mathematik wieder an einen Deutschen. In der Tat ist es das erste Mal überhaupt, dass der Preis an einen in Deutschland arbeitenden Wissenschaftler geht."
    Der junge Superstar der Mathematik hat Angebote der großen amerikanischen Hochschulen bekommen, von Harvard, Stanford und dem MIT. Nur mit den Mitteln aus der Exzellenzinitiative sei es möglich gewesen, Scholze in Bonn zu halten, sagt Sturm.
    Peter Scholze ist bodenständig, uneitel und mag keinen Rummel um seine Person
    Scholzes Kollegen haben keine Bedenken, dass dem Preisträger der plötzliche Ruhm zu Kopfe steigt. Sein Postdoc Matthew Morrow beschreibt ihn als ein Genie ohne jeden Dünkel: "Peter ist extrem freigebig, was die Mathematik angeht. Es geht ihm nicht darum, der führende Kopf auf seinem Gebiet zu sein, er will einfach die Mathematik um ihrer selbst willen verstehen. Gleichzeitig hat er eine mathematische und professionelle Reife weit über sein Alter hinaus, das macht ihn zu einem idealen Mentor für jüngere Mathematiker, auch wenn sie – wie ich – älter sind als er."