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Nobelpreisverleihung in Oslo
Kolumbiens holpriger Weg zum Frieden

Der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos erhält heute in Oslo für seine Friedensbemühung mit der FARC-Guerilla den Friedensnobelpreis. Auch wenn der Waffenstillstand mit der FARC hält, ist der Frieden im Land noch längst nicht gewonnen. Nach wie vor gibt es Kriminalität, Drogenhandel und auch politische Gewalt.

Von Ivo Stephan Marusczyk | 10.12.2016
    Kolumbiens Präsiden Juan Manuel Santos spricht während der Pressekonferenz im norwegischen Nobel Institiut in Oslo.
    Der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos erhält in Oslo den Friedensnobelpreis. (picture-alliance/ dpa/ epa/Terje Pedersen)
    Frieden! Kein Frieden! Jetzt doch wieder Frieden! Kolumbien erlebt eine seltsame Achterbahnfahrt. Der Weg zum Frieden erweist sich als langwieriger und schwieriger als erhofft. Ende September hatten Präsident Santos und der "Timoshenko" genannte Kommandant der FARC-Guerilla ein Abkommen unterzeichnet, das den 52 Jahre alten blutigen Konflikt im Land beenden sollte.
    "Wir sind kriegsmüde. Wir akzeptieren die Gewalt nicht mehr als Mittel, um bestimmte Ideen zu verteidigen. Wir sagen laut und deutlich: Nie wieder Krieg!"
    Aber die pompöse Zeremonie mit vielen Staatsgästen war verfrüht. Eine Woche später sagte eine knappe Mehrheit der Wähler beim Referendum "Nein" zu diesem Friedensabkommen. Die Rechtskonservativen um Ex-Präsident Uribe triumphierten. Sie beschimpften Santos als vaterlandslos und feierten, dass das Land jetzt doch nicht Kriminellen überlassen werde. Denn der Friedensvertrag sah vor, dass die meisten FARC-Kämpfer straffrei ausgehen und als politische Partei weiter für ihre Ideen kämpfen sollen. Das ging vielen Kolumbianern zu weit. Der Frieden stand auf Messers Schneide – die ersten FARC-Rebellen kehrten schon ihn ihre versteckten Dschungel-Camps zurück, um den Kampf wieder aufzunehmen.
    Doch Santos ließ sich von diesem Dämpfer nicht bremsen – er traf sich mit den konservativen Gegnern, bereitete Nachverhandlungen vor. Und am 6. Oktober wurde er mit einer Nachricht aus Oslo geweckt.
    "Das norwegische Nobelkomitee hat beschlossen, Juan Manuel Santos mit dem Friedensnobelpreis 2016 zu ehren, für seine entschiedenen Bemühungen, den Krieg, der mehr als 50 Jahre gedauert hat, zu beenden."
    Dem Geehrten war allerdings klar: Um seinen Frieden zu retten und diesen Preis wirklich zu verdienen, musste er schnell handeln. Noch einmal jahrelange Verhandlungen und dann noch ein Wahlkampf – das würde das Land wieder zerreißen. Die Unsicherheit würde zu neuer Gewalt führen.
    "Wir haben Leben verloren und weitere sind in Gefahr. Wir könnten es uns nie verzeihen, wenn wir jetzt nicht schnell und entschlossen handeln, um diese Situation zu korrigieren. Wir müssen handeln, wir dürfen keine Zeit verlieren."
    Ihm kam entgegen, dass nicht nur die vom Krieg geschundene Bevölkerung, sondern auch die Untergrundkämpfer kriegsmüde sind.
    "Für mich war der Krieg das allerschlimmste. Für mich hat der Krieg vor allem Angst bedeutet. Angst und Furcht."
    Santos fährt nicht mit leeren Händen nach Oslo
    Die FARC ließ sich auf Nachverhandlungen ein und gab an einigen Punkten nach. Zum Beispiel: Etwas härtere Strafen für Kriegsverbrechen und die FARC sollen die Opfer auch finanziell entschädigen. Schon nach wenigen Wochen, am 24. November konnten Santos und FARC-Kommandant Timoshenko noch einmal den aus einer Patronenhülse gefertigten Kugelschreiber zur Hand nehmen und das neue Friedensabkommen unterzeichnen.
    "Die einzige Waffe der Kolumbianer soll von nun an das Wort sein, sagte Rebellenführer Timoshenko."
    Und Santos sagte: "Ich erkenne an, dass dieses neue Abkommen besser ist als das erste. Denn es greift Verbesserungsvorschläge und Hoffnungen einer übergroßen Mehrheit der Kolumbianer auf."
    Inzwischen hat auch der Kongress zugestimmt, auf eine Volksabstimmung hat Santos diesmal verzichtet. Der Fahrplan ist in Kraft, die Ansiedlung der FARC-Rebellen und ihre Entwaffnung beginnen in diesen Tagen. Santos fährt also nicht mit leeren Händen nach Oslo. Trotzdem ist der Frieden in Kolumbien noch längst nicht gewonnen.
    "Mit dem Ende des Konflikts, der Übergabe der Waffen, fängt der Aufbau des Friedens erst an. Die letzten sechs Jahren waren schwer, voller Hindernisse. Aber das, was kommt wird auch noch sehr schwierig, es bedarf großer Anstrengungen. Den Frieden erreicht man nicht vom einen Tag auf den anderen. Frieden erreicht man nur durch Beharrlichkeit, Mut und Arbeit.
    Noch immer kein friedliches Land
    Noch gibt es viele Probleme. Die Umsiedlung der Untergrund-Kämpfer ist schon ins Stocken geraten. Denn in den Sonderzonen, wo sie sich niederlassen sollen, fehlt es an allem. Und es gibt Zweifel, ob wirklich alle Guerrilleros dem Drogenhandel abschwören. In Tumaco, einem Zentrum des Coca-Anbaus, sagen sich viele FARC-Kämpfer von ihrer Truppe los und gründen kleine kriminelle Banden, die das schmutzige Geschäft weiter betreiben. Die Gespräche mit der anderen Guerilla-Gruppe, der ELN, werden immer wieder angekündigt, scheitern aber immer wieder. Die ELN hält noch immer Geiseln fest und sie scheint sich sogar in Gebieten auszubreiten, in denen die FARC abzieht.
    Und auch der Waffenstillstand mit der FARC hält, ist Kolumbien immer noch kein friedliches Land. Nach wie vor gibt es Kriminalität, Drogenhandel und auch politische Gewalt: Noch immer gibt es auch rechte, paramilitärische Milizen, die alle verfolgen, die sie für links halten – und vor Morden nicht zurückschrecken.