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Noel Gallaghers zweite Solo-Platte
"Ich hatte keinen Namen für das Album"

Noel Gallagher hat den Konkurrenzkampf mit Bruderherz Liam für sich entschieden. Denn während Beady Eye - die Band von Liam - schon wieder Geschichte ist, dreht der ehemalige Oasis-Chef Noel richtig auf: Sein zweites Solo-Album "Chasing Yesterday" pendelt zwischen psychedelischem Rock und epischem Orchester-Pop und wird von der Kritik durchweg gelobt.

Von Marcel Anders | 02.03.2015
    Der britische Musiker und Ex-Oasis-Mitglied Noel Gallagher.
    Seine Solo-Karriere läuft bestens: Noel Gallagher (picture alliance / dpa - Steve C.Mitchell)
    "Bei mir gibt es nichts umsonst. Und ich finde es nicht okay, wenn ausgerechnet Kunst gratis sein soll. Denn wenn ich ein Jahr im Studio an einer Platte gearbeitet habe, dann will ich auch, dass die Leute und die Kritiker sich intensiv damit befassen."
    Selbstbewusst, schlagfertig und direkt auf den Punkt. Noel Gallagher, ein kleines, bleiches Männchen in Jeans und Lederjacke, sagt, was er denkt, entwickelt dabei mitunter fast Comedy-Qualitäten und gibt auch eigene Fehler und Schwächen zu. Auch was seinen zweiten Alleingang "Chasing Yesterday" betrifft, auf den er eigentlich ganz stolz ist - bis auf den Titel.
    "Die Wahrheit ist: Ich hatte keinen Namen für das Album. Dann meinte mein Büro: 'Wir brauchen ihn in zwei Stunden'. Also habe ich in den Texten nach etwas Passendem gesucht. Und da gab es die Zeile: "Wir lassen Liebe zu Wut werden, indem wir das Gestern nicht vergessen können." Was ich toll fand. Leider war mir nicht klar, dass es ohne den Kontext nicht ganz so toll klingt und etwas Nostalgisches bekommt. Insofern mag ich "Chasing Yesterday" nicht, aber ich hasse es auch nicht. Es gibt eh keinen schlechteren Titel als "(What´s The Story) Morning Glory"."
    "Ich bin echt gesegnet"
    Ein typisches Gallagher-Zitat – und ein Indiz dafür, wie locker und entspannt der 47-Jährige heute ist. Schließlich läuft seine Solo-Karriere bestens – und er kann tun und lassen, was er will. Wie auf seinem zweiten Alleingang, der mit einem Gastauftritt von Johnny Marr aufwartet und zwischen psychedelischem Rock, epischem Orchester-Pop, aber auch ungewohnten Tönen pendelt. Etwa wenn er in "Riverman" ein Saxofon und in "The Right Stuff" eine Klarinette auffährt.
    "Ich habe einen Typen engagiert, der Bass-Klarinette spielt, und er ist so richtig abgegangen! Es ist wirklich umwerfend - und so weit weg von "Supersonic" wie es nur sein könnte. Wenn ich über die Entwicklung von diesem Song zu "The Right Stuff" nachdenke, dann kann ich ohnehin nur sagen: Was hatte ich doch für eine tolle Zeit! Eben mit den frühen Punk-Rock-Stücken, dann den Pop-Hymnen und dem psychedelischen Kram am Ende von Oasis – und jetzt diesem neuen Ding. Ich bin echt gesegnet."
    Eine neue Klangfarbe, die ihm gut zu Gesicht steht. Und ein Indiz dafür, dass er nicht stehen bleibt, sondern wandlungsfähig und offen ist. Was auch für die Texte gilt. Da ist er längst nicht mehr so großkotzig und sarkastisch wie in der Vergangenheit, sondern fast schon amüsant und altersweise. Mit Film-Referenzen, Zitaten aus der Rockgeschichte, aber auch Spaziergängen durch ein sich ständig veränderndes Manchester sowie Ehefrauen mit Röntgenblick. Die etwas andere Liebeserklärung.
    "Es ist eine Hommage an all die Frauen, die den Mist, den Männer von sich geben, ganz locker durchschauen. Und genau so eine habe ich geheiratet. Und was die Stimmung betrifft, so erinnert das Ganze sehr an David Bowie. Nur: Ich stelle mich nicht hin und sage: 'Das kann ich nicht bringen', sondern eher: 'Lass mich das soweit auf die Spitze treiben, bis mich Bowie verklagt – dann kann ich immer noch zurückrudern.'
    Doch auch fürs Zurückrudern gibt es Grenzen. Gerade wenn es um Oasis geht – eine Band, die er 18 Jahre und sieben Alben geleitet hat. Nur um dann – nach einem Streit mit Bruder Liam - frustriert den Stecker zu ziehen und eine Versöhnung kategorisch auszuschließen. Da bleibt er hart und glänzt zudem mit einem gesunden Humor. Schließlich – so sagt er – werde er permanent mit Liam verwechselt.
    "Das passiert jeden Tag. Was mich aber nicht weiter stört. Ich war zum Beispiel vor zwei oder drei Monaten bei einer sehr eleganten Party, zu der mich ein Freund mitgeschleppt hat, und wurde überall als Liam Gallagher vorgestellt. Und wenn dann Fragen kamen, wie es meinem Bruder ginge, dann habe ich geantwortet: "Noel – was für ein toller Typ. Haben sie ihn je getroffen? Ein wahnsinnig netter Mensch."