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Nonnen in Birma
Dem Weltlichen entsagen

Anders als die Mönche, die sich von je her in die Politik einmischten, sind die Nonnen in Birma für ihre Bescheidenheit und absolute Zurückhaltung bekannt. Doch die Militärregierung setzt sie ganz gezielt zur Verbreitung des von ihr gewünschten Einheitsbuddhismus ein.

Von Ingrid Norbu | 04.03.2014
    Eine Nonne mit Regenschirm (Sonnenschirm) geht durch die Shwedagon Pagode in der Stadt Yangon in Myanmar.
    Eine Nonne in der Shwedagon Pagode in der Stadt Yangon in Myanmar. (dpa/picture alliance/Malte Christians)
    Sie sitzen im Schneidersitz auf dem Boden, vor sich ein niedriges Pult mit Büchern. Die jungen Frauen in den rosa Roben rezitieren einen religiösen Text. Vor ihnen erhöht an einem Tisch sitzt die Lehrerin. Sieben Stunden Unterricht täglich, dazu noch individuelle Studien am Abend gehören zum Pensum der Klosterschülerinnen der Sakyadita Thilashin Nonnenschule in Sagaing in Zentralbirma. Die Ethnologin Hiroko Kawanami beschäftigt sich seit 30 Jahren mit dem Leben der religiösen Frauen in Birma. 1998 hat sie diese Nonnenschule in Sagaing gegründet.
    "Was die Ausbildung betrifft, sind die birmanischen Nonnen seit der Gründung der ersten Nonnenschule hier in Sagaing vor 150 Jahren einen langen Weg gegangen. Sie haben lange um Anerkennung gekämpft. Mittlerweile helfen ihnen wohlgesonnene Lehrer, Mönche, in der Bildungshierarchie aufzusteigen. Nun können die Nonnen nach Abschluss aller Examen selbst Lehrerinnen für den buddhistischen Glauben werden und mit einem Zertifikat der Regierung ihre eigenen Nonnenschulen leiten."
    Entsagung und Entmächtigung
    Etwa 390 unabhängige Frauenklöster gibt es heute allein in Sagaing. Lernen, beten, Spenden sammeln, aber auch Kochen, Waschen und Putzen gehören zu den täglichen Pflichten der Schülerinnen. Disziplin und religiöse Bildung haben sich aber als Erfolgsrezept für den gesellschaftlichen Aufstieg junger Frauen entpuppt. Hiroko Kawanami hat 2013 eine wissenschaftliche Untersuchung veröffentlicht mit dem Titel "Renunciation and Empowerment", übersetzt: Entsagung und Ermächtigung. Darin untersucht sie auch die Motive junger Mädchen, Nonne zu werden.
    "Viele kommen ins Kloster, wenn sie noch recht jung, also 12 oder 14 Jahre alt sind, noch ehe sie überhaupt ans Heiraten denken. Einige kommen aus religiösen Familien, aber viele Mädchen wollen nach der Grundschule weiterstudieren. Nur in den Klöstern ist das für ärmere Landbewohner möglich. Ihre Motive haben sich gewandelt. Traditionell kommen Mönche und Nonnen eher vom Land und nur sehr wenige aus Städten wie Yangon oder Mandalay, aber nun wollen immer mehr Mädchen auch von dort ins Kloster."
    Hiroko Kawanami hat in den letzten 20 Jahren 160 Klöster besucht und mit Nonnen dort Interviews geführt. Deren Gründe, dem Weltlichen zu entsagen, reichen von der Flucht vor Zwangsheiraten und vor der Verantwortung für Haushalt und Kinder, bis hin zu dem Wunsch nach einem friedlichen Dasein, über das sie als gebildete Frauen selbst die Kontrolle haben. Ihre Geburt als Frau lässt nach traditioneller Vorstellung auf weniger angesammelte Verdienste in einer früheren Existenzform schließen. Deshalb versuchen die Frauen diesen Mangel durch ein Klosterleben wettzumachen, wie die Schülerin Ma Vipula, 28 Jahre alt.
    "Im weltlichen Alltag gibt es wenig Möglichkeiten, Verdienste anzusammeln, weil man Geld verdienen und als Tochter die Eltern unterstützen muss. So kann man nicht so intensiv den Buddhismus studieren und zum Meditieren hat man auch nicht viel Zeit."
    Nonne zu sein ist ein richtiger Beruf
    Frauen in Birma müssen nicht unbedingt heiraten, wie beispielsweise in Indien oder China. Etwa drei von zehn bleiben ledig, leben im Haus der Eltern und sorgen für sie im Alter oder wenn sie krank sind. Ma Vita Kari, 35 Jahre alt, entschied sich gegen den Willen der Eltern für ein Klosterleben.
    "Sie waren nicht einverstanden, weil ich die einzige in der Familie war, die Geld verdiente. Anfangs kamen sie jeden Tag ins Kloster und versuchten mich wieder mitzunehmen. Jeden Tag. Erst als ich vorübergehend in ein weit entferntes Kloster versetzt wurde, gaben sie auf."
    In ganz Birma gibt es heute etwa 50.000 Nonnen. Ungefähr 500 von ihnen stehen als Lehrerinnen an der Spitze der Hierarchie und werden fast so wie gelehrte Mönche respektiert. Nonne zu sein ist auch Dank der Anerkennung der Prüfungen durch die Militärregierung ein richtiger Beruf. Umgekehrt versucht die Regierung, die Nonnen in die Pflicht zu nehmen, beispielsweise wenn es um die kulturelle Einbindung ethnischer Minderheiten geht. Mehr als 100 Volksgruppen leben im Land mit unterschiedlichen Sprachen und Religionen. Viele Mädchen aus diesen Volksgruppen werden ins Kloster, beispielsweise nach Sagaing geschickt, sagt Hiroko Kawanami.
    "Sie beginnen damit, die birmanische Sprache zu lernen, die sie oft nicht beherrschen. Dann studieren sie Buddhismus bis zu einem gewissen Niveau. Später gehen sie in ihre Dörfer zurück und wirken dort wie Botschafterinnen. Immer mehr Mädchen kommen von dort und das vergrößert die Zahl der Nonnen allgemein."
    Das Bild von Birma im Ausland aufpolieren
    Bei den Jungen ethnischer Minderheiten wäre so ein Klosteraufenthalt in Zentralbirma zu riskant, denn sie könnten sich dort wie die Mönche politisieren. Bei den Mädchen besteht diese Gefahr nicht, sagt Hiroko Kawanami. Darüber hinaus sollen die Nonnen mit ihrer Zurückhaltung und Bescheidenheit das Bild von Birma im Ausland aufpolieren helfen.
    "Vor 20 Jahren hat die Regierung eine Theravada -Mission erfunden. An der Universität in Yangon bekommen Nonnen und Mönche Englischunterricht, um im Ausland den buddhistischen Glauben zu verbreiten. Wichtig war, dass auch Nonnen dabei sind. Sie sollten dem Regime einen Weg aus der Isolation ebnen. Vielleicht dachten sie, dass der Buddhismus ein Instrument ist, einerseits mit der Welt draußen zu kommunizieren und andererseits die ethnischen Minderheiten im Land zu indoktrinieren."
    Wenn die 170 Nonnen in der Sakyadita-Schule von Sagaing am Mittag im Gänsemarsch mit gefalteten Händen zur Gebetshalle gehen, richten Touristen ihre Kameraobjektive auf sie. Das Bild vom Land der goldenen Pagoden und des friedlichen Buddhismus lässt sich am besten mit den überaus disziplinierten Nonnen propagieren.