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Nordkorea
Juche - Herrscherkult mit religiösen Zügen

In der Juche-Ideologie in Nordkorea richtet sich das gesamte Interesse auf die eigene Nation. Das Volk hat bedingungslos dem Herrscher zu folgen, der wie ein Heiliger verehrt wird. Seit 2011 steht Kim Jong-un, der jüngste Sohn des früheren Diktators, an der Spitze des Staates.

Von Horst Blümel | 24.04.2014
    Nordkoreas Diktator Kim Jong-un steht zwischen zahlreichen Uniformträgern im Mausoleum seines Vaters Kim Jong-il Pjöngjang.
    Nordkoreas Diktator Kim Jong-un besucht im Februar 2014 das Mausoleum seines Vaters Kim Jong-il in Pjöngjang (picture alliance / dpa / YONHAP / KCNA)
    "Unabhängigkeit und Selbstständigkeit sind die Stützpfeiler des Juche. Vorrang hat dabei die militärische Stärke des Landes. Die Ideologie betrachtet den Menschen als Herrscher und Gestalter der Welt. Dies ist die Essenz des Juche."
    Sagt der Historiker Leonid Petrov, der Sprache, Geschichte und Politik Koreas an der Australian National University lehrt. Seit Mitte der 1950er Jahre ist Juche die Staatsideologie im kommunistischen Nordkorea. Die von Staatsgründer Kim Il-sung entworfene Ideologie bestimmt seitdem das Leben des Landes. Mit dem Juche entstand auch ein Personenkult um den Staatsgründer und seinen Sohn Kim Jong-il. Bilder der beiden sieht man überall in der Öffentlichkeit. Ihre Porträts sind in jedem Haus ein Muss und in Juche-Schreinen erfahren die verstorbenen Staatsführer höchste Verehrung.
    "Man kann sagen, dass Juche die Religion Nordkoreas ist. Im Juche gibt es zwar keinen Gott, aber die verstorbenen Herrscher werden wie Heilige verehrt. Den Staatsvater Kim Il-sung erklärte man zum ewigen Präsidenten des Landes und damit regiert er sozusagen immer noch das Land."
    Einheimische sieht man nicht im Gottesdienst
    Vor der Teilung Koreas 1948 gab es Buddhisten und Christen im ganzen Land. Heutzutage sind in Nordkorea die meisten Tempel und Kirchen geschlossen. Das Regime hat die Gebäude zu Denkmälern einer überholten Kultur erklärt, teilweise hat man sie in Museen verwandelt. In der Hauptstadt Pjöngjang feiert man in ganz wenigen Kirchen sonntags eine Messe. Die Kirchenbesucher sind ausschließlich im Land arbeitende Ausländer, Einheimische sieht man nicht im Gottesdienst.
    "Nordkoreanische Christen müssen ihren Glauben im Geheimen ausüben, weil sie vom Regime verfolgt werden. Wenn man die Christen aufspürt, landen sie im Gefängnis. Das Regime will damit erreichen, dass die Christen ihren Glauben widerrufen. Halten die Gläubigen aber weiterhin an ihrer Religion fest, kommen sie in Arbeitslager. Und manchmal sterben sie auch dort, denn das Leben in den Arbeitslagern ist hart."
    Das Christentum stellt eine ernsthafte Bedrohung für die Machthaber und die Staatsdoktrin dar, weil sowohl die Gottesanbetung als auch die Ethik des Christentums dem Juche widersprechen.
    "Das Juche schürt den Hass in der Bevölkerung gegen Feinde des Systems und mögliche Eindringlinge. Diese Feindseligkeit steht im Gegensatz zum christlichen Gebot der Nächstenliebe. Überhaupt verbietet das Regime jede Religion, die das Juche gefährden könnte."
    Buddhisten und die Anhänger des Cheondogyo, der "Religion des Himmlischen Weges", werden vom Staat beobachtet, aber soweit geduldet. Cheondogyo beinhaltet unter anderem Elemente des Buddhismus und Schamanismus. Seit 2011 steht Kim Jong-un, der jüngste Sohn des früheren Diktators, an der Spitze des Staates. Die Staatspropaganda beschreibt ihn als den "heutigen Kim Sung". Damit soll ausgedrückt werden, dass er dieselben Ziele verfolgt und die gleichen Qualitäten besitzt wie sein Großvater.
    "Aber in Wirklichkeit fehlen Kim Jong-un Eigenschaften, die in der koreanischen Gesellschaft besonders respektiert werden: Er ist zu jung und daher mangelt es ihm an Lebenserfahrung, er hat niemals in der Armee gedient und er versteht nicht genug von Wirtschaft. In Wahrheit ist er gar nicht so beliebt, wie es immer behauptet wird. Allein die Tatsache, dass er der Enkel des Staatsgründers ist, bringt ihm Respekt ein."
    Zwar Veränderungen, aber weiterhin verschlossen
    Mit dem neuen Führer Kim Jong-un haben sich auch Veränderungen im Leben der Nordkoreaner ergeben. Doch auch wenn es inzwischen Handys und Computer gibt, sind damit nur Verbindungen innerhalb des Landes möglich. Informationen aus dem Ausland bleiben der Bevölkerung weiterhin verschlossen.
    "Kim Jong-un versucht, seinen Landsleuten das Gefühl zu vermitteln, dass sich wirklich etwas bewegt. Zum Beispiel gibt es neuerdings Konzerte koreanischer Musikgruppen und moderne Freizeitparks entstehen. Außerdem können sich die Leute individueller kleiden. Aber politische Reformen bleiben aus, die Menschen leben nach wie vor unter denselben Bedingungen."
    Seit jeher bestimmt die Lehre des chinesischen Philosophen Konfuzius das Zusammenleben der Menschen in Korea. Im Konfuzianismus erweist man älteren Menschen höchsten Respekt und es wird großen Wert auf die "tugendhaften Beziehungen" gelegt. Dadurch ist das Verhältnis zwischen Mann und Frau, Vater und Sohn und zwischen Herrschern und ihrem Volk definiert.
    "Aber das Regime vermeidet es, den Konfuzianismus zu erwähnen. Dies könnte dem Ansehen des neuen Führers zusätzlich schaden. Dass Kim Jong-un zum Beispiel seinen Onkel hinrichten ließ, lässt sich mit den Grundsätzen des Konfuzianismus nicht vereinbaren. Die Lehre schreibt ein gerechtes und fürsorgliches Verhalten des Herrschers vor, ein rücksichtsloser Führer verliert das 'Mandat des Himmels', also das Recht zu regieren."