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Nordkosovarische Stadt glaubt nicht an den Frieden

Im Norden des Kosovo regt sich Widerstand gegen ein Assoziierungsabkommen, welches die Regierungschefs des Kosovo und Serbiens zur Normalisierung der zwischenstaatlichen Beziehungen verhandeln. Vor Ort - zum Beispiel in Mitrovica - sehen die Menschen nämlich nichts Verbindendes.

Von Tim Gerrit Köhler | 20.03.2013
    Autos fahren hier schon lange nicht mehr. Die Brücke über den Fluss Ibar ist versperrt. Am Nordufer haben die Serben vor zwei Jahren Kieshaufen und Betonstücke aufgetürmt. An einer Hütte hält ein Mann in einem grauen Anorak Wache. Auch das Südufer, die Seite der Kosovo-Albaner, wird bewacht. Hier sind es italienische KFOR-Soldaten, die in gepanzerten Fahrzeugen die leere Brücke beobachten. Hin und wieder geht ein Fußgänger hinüber, doch in der Regel bleiben die Bewohner der beiden Seiten unter sich. Für die Serben ist Mitrovica von enormer Bedeutung. Hier liegen das Krankenhaus, die Uni, das Regionalparlament – ein Parlament, das von den Albanern, der Regierung in Belgrad und der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird. Anerkennung, das ist das Schlüsselwort, wenn es um das Kosovo geht. Für die rund 50.000 Serben in und um Mitrovica ist es kein Staat, sondern eigenes Territorium. Serbien eben. Und das soll es bleiben:

    "Warum sollten wir unseren Staat hergeben für irgendwelche Autonomieversprechen? Würde Deutschland denn Bayern opfern, nur um in die EU zu kommen?"

    Marko Jaksic ist Arzt und Abgeordneter aus Mitrovica. Egal, was in Brüssel, Belgrad oder Pristina entschieden wird. Für ihn ist sein Kosovo ein untrennbarer Teil Serbiens. Dass die Regierung in Belgrad nun auf die Albaner zugeht, ihren Staat möglicherweise anerkennt, das ist für ihn Verrat. Es gehe der serbischen Regierung nur darum, den EU-Beitrittsgesprächen näherzukommen. Jaksic gilt als Hardliner, doch auch liberalere Köpfe wie Milan Pavlovic von der Nichtregierungsorganisation Aktiv sind derselben Auffassung.

    "Wenn die EU die Serben und die Albaner nicht zwingen würde, am Verhandlungstisch zu sitzen, dann würden sie das niemals tun. Aber bei diesen Gesprächen geht es nicht um die Interessen der normalen Leute hier. Und das ist nicht nur meine Meinung, sondern die Meinung aller, mit denen ich rede."

    Auch wenn es auf der obersten Ebene, also zwischen Belgrad und Pristina, tatsächlich zu einer Einigung kommen sollte: Ob die angesichts des Widerstands vor Ort umgesetzt werden kann, scheint mehr als fraglich. Jede Seite wirft der anderen vor, ein Hort der Kriminalität und des Schmuggels zu sein. Jede Seite wartet auf eine Entschuldigung der anderen für Kriegsverbrechen, Vertreibungen und Gewalt. Zwar fließt viel Geld der internationalen Gemeinschaft in Programme, die auf Austausch und Verständigung zielen. Doch selbst die, die sie leiten, sprechen offen von ihrem Scheitern. Wie Sasa Gvozdic, der für NGO-Projekte mit serbischen und albanischen Jugendlichen durchgeführt hat.

    "Manchmal wurden wir dazu einfach von unseren Geldgebern gezwungen. Sie wollten eine Art Verbindung zwischen beiden Seiten herstellen. Aber aus unserer Sicht hat das keinen Erfolg gehabt. Denn die Verbindungen zwischen dem Norden und dem Süden – sie sind einfach gekappt. Unter diesen Umständen gibt es einfach nichts Verbindendes mehr."

    Die Regierungen in Belgrad und Pristina mögen sich annähern – im Norden des Kosovo ist davon rein gar nichts zu spüren. Wie auch immer ein Abkommen aussehen wird: Es den Menschen zu vermitteln, es mit Leben zu füllen, das dürfte eine Herkulesaufgabe werden. Hier, wo Geschichte und Symbolik so wichtig sind.

    Aber vielleicht ist bei der Suche nach einem Ausweg ja gerade Mitrovica selbst ein passendes Symbol, mit seiner versperrten Brücke. Denn 500 Meter weiter steht eine zweite Brücke. Auch sie wird von KFOR-Soldaten bewacht, vom Stadtzentrum aus ist sie nur über Umwege zu erreichen – aber sie ist offen.