Donnerstag, 28. März 2024

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Norman Mailer: "Die legendäre Reise der Apollo 11"
Überwältigt von der Kraft der Ereignisse

Die Rakete als "weiße Madonna", der Ausstieg aus der Landefähre als Geburt - in der Reportage des berühmten amerikanischen Schriftstellers Norman Mailer wird die Apollo-Mission zum Sinnbild eines Zeitalters. Der Bildband kombiniert Mailers meisterhaften Text mit beeindruckenden Fotos.

Von Michael Lange | 07.07.2019
Das Vertical Assembly Building am Kennedy Space Center, in dem die Saturn-V-Mondraketen aufrecht zusammengebaut wurden, geht wesentlich auf Kurt Debus zurück
Die gigantische Saturn-V-Rakete erschien dem amerikanischen Schriftsteller Norman Mailer als "Madonnenbild" des technischen Zeitalters (NASA)
Zunächst nur widerwillig beschäftigte sich einer der führenden Schriftsteller Amerikas mit dem Apollo-11-Projekt. Genau wie die Mondlandung trotz widrigster Umstände schließlich zum Erfolg wurde, so gelang Norman Mailer eine Reportage, die heute als Meisterwerk der Literatur gilt. Der Taschen-Verlag kombiniert sie mit beeindruckenden Bildern und macht so die Ereignisse von 1969 wieder lebendig.
Wenn ein Autor stets auf der Suche nach Metaphern und Assoziationen ist, dann ist das für viele Leser nur schwer erträglich. Nicht so bei Norman Mailer. Seine Vergleiche sind so überraschend und fantasievoll. Sie lassen die Ereignisse von 1969 noch wirklicher erscheinen. Er beschreibt die in der Ferne schimmernde Saturn-V-Rakete als ein "Madonnenbild aus weißem Stein, das in den Bergen dem müden Wanderer im Abenddämmern entgegenwinkt". Der Ausstieg aus der Landefähre, bei der sich Astronaut Neil Armstrong im aufgeblähten Raumanzug durch eine zu enge Luke nach außen bewegt, wird bei Mailer zu einer Art Geburt.
"Die wichtigste Woche seit der Geburt Christi"
Die Astronauten stilisiert er nicht zu unantastbaren Helden des technischen Zeitalters, sondern stellt sich in ihrer Verletzlichkeit und Unvollkommenheit dar und macht sie so noch heldenhafter. Aber auch die Technik kommt bei Norman Mailer nicht zu kurz. Genial einfach und ohne alle Fachausdrücke beschreibt er das Antriebssystem der Rakete, sodass die Kräfte, die dort wirken, verständlich und nahezu spürbar werden. Auch die Stimmung der Zeit fängt Mailer ein wie kein Zweiter. Er selbst steht mittendrin in dieser Zeit, die er die wichtigste Woche seit der Geburt Christi nennt. Sein Alter Ego Aquarius ist von der Kraft der Ereignisse überwältigt. Das gleiche Gefühl erzeugen die sorgsam ausgewählten Fotografien, die von fachkundigen Bildunterschriften erläutert werden. Auch sie fangen die technische Gigantomanie ebenso ein wie den Zeitgeist von 1969. Es gibt keine bessere Möglichkeit, die erste Mondlandung auf dem heimischen Sofa nachzuerleben.
Buchcover Norman Mailer: Moonfire
Moonfire – Die legendäre Reise der Apollo 11
Von Norman Mailer, mit einer Einleitung von Colum McCann
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Anke Burger und Dirk van Gunsteren
Bildband konzipiert von Lawrence Schiller, produziert von Benedikt Taschen.
Taschen-Verlag, Köln 2019, Neuauflage, 348 Seiten, 40 Euro