Freitag, 19. April 2024

Archiv

Norwegens Ausstieg aus Kohleinvestitionen
"Für RWE hat das erhebliche Folgen"

Der staatliche Pensionsfonds in Norwegen investiert nicht mehr in Kohle - das hat das norwegische Parlament beschlossen. Eine begrüßenswerte Entscheidung, findet Heffa Schücking von der Umweltschutzorganisation Urgewald. Sie glaubt, der Schritt wird auch für deutsche Investoren sowie Energieunternehmen Auswirkungen haben.

Heffa Schücking im Gespräch mit Georg Ehring | 29.05.2015
    Braunkohle-Kraftwerk Turow in Polen
    "Die Kohleindustrie ist ja ein dreckiges Geschäft," meint Heffa Schücking, "für Klima und Umwelt". (picture alliance / CTK / Radek Petrasek)
    Georg Ehring: Norwegen ist eines der reichsten Länder der Welt, vor allem Gewinne aus der Ölförderung haben viele Milliarden Kronen in die Kassen von Staat und Privatleuten gespült. Für die Umwelt ist Öl ein schmutziger Rohstoff, noch umweltschädlicher ist Kohle. Mit Kohle will Norwegen künftig möglichst wenig zu tun haben - gestern beschloss der Finanzausschuss im Parlament einstimmig, der staatliche Pensionsfonds solle Geschäfte mit Unternehmen beenden, die mehr als 30 Prozent ihres Umsatzes mit Kohle machen. Ausstieg aus Kohleinvestitionen ist ein Anliegen der Nichtregierungsorganisation Urgewald, Heffa Schücking kümmert sich dort um dieses Thema. Guten Tag, Frau Schücking!
    Heffa Schücking: Ja, guten Tag!
    Ehring: Frau Schücking, was glauben Sie denn, was Norwegen zu diesem Ausstieg bewogen hat?
    Schücking: Ich fand es sehr spannend, dass der Finanzausschuss festgestellt hat, dass Investitionen in die Kohle unethisch sind. Die Kohleindustrie ist ja ein dreckiges Geschäft nicht nur, weil sie eine ungeheure Klimabelastung darstellt, sondern auch, weil der Kohlebergbau, also bis hin zu Kohleverbrennung, einen unglaublichen Eingriff in unsere Umwelt bedeutet - also von Landschaftsveränderung, Wasserverschmutzung, Luftverschmutzung, mit entsprechenden Gesundheitsfolgen für die Menschen, die in der Nähe dieser Anlagen leben. Und der Pensionsfonds wird sich deshalb zukünftig von einem Großteil seiner Kohleinvestments trennen, das ist richtig so.
    Ehring: Wie groß ist dieser Pensionsfonds, ist das ein wichtiger Spieler auf dem Markt?
    Schücking: Ja, der Pensionsfonds umfasst um die 800 Milliarden Euro und ist einer der zehn größten Investoren in die globale Kohleindustrie.
    Ehring: Der muss ja dann auch sehr stark aufs Geld achten, sonst hätte er auch nicht so viel Geld zusammenbekommen - gab's da auch wirtschaftliche Gründe für diese Entscheidung, ist Kohleinvestition inzwischen riskant geworden?
    Schücking: Es gab schon eine Bewegung in den letzten Jahren, wo der Pensionsfonds von sich aus seine Investments in bestimmte Kohlebergbauunternehmen schon zurückgefahren hatte. Ich denke, dass das vor allen Dingen finanziell motiviert ist, aber auch nicht nur. Es wurden zum Teil auch Begründungen angegeben mit Landschaftszerstörung oder Auswirkung auf Wasserressourcen, aber das war noch im Vorfeld dieser Entscheidung. Und jetzt bedeutet es wirklich einen großflächigen Ausstieg.
    "RWE hat die Energiewende verpasst"
    Ehring: Hat das auch Folgen für Deutschland, werden die Norweger auch aus deutschen Unternehmen aussteigen?
    Schücking: Oh ja, für RWE hat das erhebliche Folgen, weil die Norweger einer der größten Anteilseigner von RWE sind. Ich glaube, der Konzern schwächelt sowieso, das ist gerade das Letzte, was er braucht, aber ich meine, RWE hat einfach - das muss man ganz klar sagen - die Energiewende verpasst und bekommt jetzt die Quittung dafür, auch auf dieser Ebene. Ich denke, dass die Bedeutung von der Entscheidung in Norwegen aber sich nicht nur auf die Konzerne bezieht, in die der Pensionsfonds hier investiert ist, sondern eben auch auf die großen deutschen Investoren - ich denke da an die Allianz. Also wenn der norwegische Pensionsfonds aus der Kohle aussteigt, da fragt man sich, warum die Allianz das nicht kann, zumal die Allianz ja schon seit Jahren sozusagen warnt, dass der Klimawandel echt ist, dass er menschengemacht ist und dass Regierungen dem entgegentreten müssen. Da fragt man sich allerdings dann, warum die Allianz es nicht auch als ihre Aufgabe sieht, ihre Kohleinvestments zurückzufahren.
    Ehring: Glauben Sie denn, dass es abgesehen von der Allianz möglicherweise Nachahmer geben wird, die jetzt ihr Geld zurückziehen, auch jenseits von ethisch ausgerichteten Fonds?
    Schücking: Ja, ich glaube, eine Menge, weil der norwegische Pensionsfonds einfach als einer der größten Investoren und einer derjenigen, die schon vor Jahren angefangen haben, sich bestimmte ethische Grundsätze zu geben, schon so ein, ja, sag ich mal, als Anführer begriffen wird und es eine ganze Reihe von anderen Pensionsfonds, anderen Investoren gibt, die seinen Entscheidungen folgen.
    Ehring: Herzlichen Dank! Das war Heffa Schücking von der Organisation Urgewald. Norwegens staatlicher Pensionsfonds steigt aus der Kohlewirtschaft aus.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.