Dienstag, 16. April 2024

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Norwegische Band Motorpsycho
Kreatives Wunderwerk

1989 gründeten vier Norweger die Psychedelic-Rockband Motorpsycho. Seitdem haben sie über 20 Studioalben veröffentlicht, die allesamt extrem unterschiedlich klingen. Den typischen Motorpsycho-Sound gibt es nicht. Diese enorme Kreativität führt Bassist und Sänger Bent Sæther auf einen Grund zurück: Langeweile.

Von Manuel Unger | 29.04.2018
    Zwei Männer sitzen in einem Raum mit Musikinstrumenten. Ein Mann hat eine Schirmmütze auf und ein Mikrofon in der Hand.
    Bent Sæther im Gespräch mit Manuel Unger (Jan Schwarzkamp )
    Musik: "Intrepid Explorer"
    Hits hatten sie nie, stattdessen gibt es Songs, die auch schon mal über 40 Minuten lang sein können. Jan Schwarzkamp, Redakteur beim Visions Magazin:
    "Motorpsycho machen halt Nerdmusik für Musik Nerds und dementsprechend, gibt es da viel zu entdecken. Der kreative Output der Musiker ist kaum zu überblicken."
    Eivind Brydøy, norwegischer Musikmanager: "Die Schublade in die Motorpsycho passen soll, ist noch nicht gebaut. So viele Genre Ausflüge hat die Band aus Norwegen schon unternommen: Progressive Rock – na klar. Metal, gab es! Jazz, darf auch mal sein. Country, warum nicht? Das Grundgerüst ist klassisch: Bass, Gitarre, Schlagzeug, Gesang. Aber diese Band ist nach allen Seiten offen."
    Der musikalische Kosmos von Motorpsycho ist gewaltig - ihre Welt überschaubar. Heimat ist die drittgrößte Stadt Norwegens: Trondheim. Hier leben Bent Sæther, Hans Magnus Ryan und Thomas Järmyr.

    Musik: "The Tower"
    Bent Sæther ist Bassist und Sänger der Rockband Motorpsycho. Gemeinsam mit Gitarrist Hans Magnus Ryan und Drummer Kjel Runar "Killer" Jensen hat er 1989 die Band in Trondheim gegründet.
    Ein immenses kreatives Schaffen
    Die Besetzung - vor allem am Schlagzeug - hat sich immer wieder verändert. Die beiden Konstante bei Motorpsycho sind Bent Saether und "Snah" - also "Hans" rückwärts gesprochen - Magnus Ryan. Und geblieben ist das immense kreative Schaffen. Es gibt so viele, so unterschiedliche Veröffentlichungen der beiden, dass selbst Bent Sæther den Überblick verloren hat.
    Bent: "Vor zehn Jahren habe ich aufgehört zu zählen. Es spielt auch keine Rolle. Für uns ist das alles ein einziger Fluss. Die Alben sind wie einzelne Kapitel einer großen Geschichte. So lange, die Menschen daran interessiert sind, sie zu hören, bringen wir sie raus."
    Im September 2017 veröffentlichen Motorpsycho ihr aktuelles Album "The Tower"- wahrscheinlich ist es ihr 20. Studioalbum. Spieldauer - über 84 Minuten. Das erste Stück ist der Titelsong und zeigt, wohin die musikalische Reise bei Motorpsycho gehen kann, denn bei dieser Band weiß man nie, was als nächstes kommt... Klar ist: der Hörer wird immer gefordert - und wird meistens mit Klangorgien belohnt, die kaum eine Band in dieser Intensität hinbekommt.
    Musik: "The Tower"
    Es ist ein klarer, eiskalter Wintertag am ersten Februar Wochenende 2018. Bent Sæther hat die Wollmütze tief ins Gesicht gezogen. Wir gehen zu Fuß von der großen Mole am Hafen zum Proberaum von Motorpsycho. Diesen Spaziergang unternimmt Bent vor allem sonntags. Immer dann, wenn der 49jährige mit seinem Hund eine Runde dreht. Ich möchte von ihm wissen, was ihm an seinem Leben in Trondheim am besten gefällt?

    "Normalerweise ist es hier ziemlich ruhig. Schwer zu sagen... Wir sind Teil des Musikgeschäfts und wir sind sicherlich so etwas wie ein wirtschaftliches Unternehmen, aber wir sehen das Ganze so, als sei es Kunst. Und damit wir unsere Kunst gut machen können, brauchen wir Zeit, Ruhe und Konzentration. Diese Stadt bietet nicht viel Unterhaltung und hat auch sonst kaum etwas zu bieten. Und das ist gut so. Wenn du nicht selber was auf die Beine stellst, dann passiert nicht viel. Es ist ein guter Ort, um sich zu fokussieren. Dass ist es, was ich am Meisten schätze."
    Langeweile als Motor
    Trotz des strahlenden Sonnenscheins und der kalten Meeresbriese überrascht Trondheim nicht gerade durch seine Schönheit. Alles wirkt zweckmäßig erbaut und erinnert eher an eine amerikanische Kleinstadt als an das Norwegen, das man aus dem Reiseprospekt kennt. Meer, Fjorde und Wälder sind in Sichtweite.
    Sæther: "Wenn du da rüber guckst, an dem Haus vorbei, dann siehst du nichts als Natur. Es gehört noch zum Stadtgebiet und es ist riesig. Da kannst du tagelange durchlaufen und es gehört immer noch zu Trondheim. Wir leben hier nah an der Natur. Du nimmst die Bahn oder zwei Busse und bist frei von allem."

    Unger: "Machst du das?"

    Sæther: "Ja, klar. Wir versuchen es, wie die meisten anderen auch, wir gehen skifahren oder wandern. Natur ist gut."

    Unger: "Aber das machst du mit Freunden und Familie oder ist das auch etwas für die Band?"

    Sæther: "Nein, mit Familie und Freunden. Nein, die Band geht nicht wirklich zusammen skifahren - obwohl ich war ein paar Mal mit Hans Magnus skifahren. Das ist schon gut."

    Unger: "Brauchst du die Natur, um kreativ zu sein oder reicht dir deine Küche, dein Wohnzimmer oder was auch immer?"

    Sæther: "Keine Ahnung. Ich glaube, ich brauche nichts Spezielles. Es spielt keine Rolle. Ich muss – ich muss mich langweilen. Eigentlich ist es das was ich brauche und dann denke ich mir irgendeinen Blödsinn aus - und daraus entsteht dann etwas."
    Langeweile als Motor - Bent Sæther findet hier all das, was er zum Leben und Arbeiten braucht und das seit mehr als 30 Jahren.
    Sæther: "Ich war 19 als ich hierher gezogen bin. Zunächst wollte ich an der Universität studieren. Da, wo ich aufgewachsen bin, gab es nicht viel. Für mich war das hier, was ich mir unter einer Stadt vorstellte, deshalb war es immer: Die Stadt - auf jeden Fall war es Stadt genug. Nachdem wir dann einige Zeit zusammen gespielt haben und in das Musikbusiness eingestiegen sind, wurde mir klar, dass ich nicht Teil einer Szene sein wollte. Die geschäftliche Seite interessierte mich nicht und ich musste auch nicht die ganze Zeit mit anderen Musikern abhängen. Für unsere Ansprüche als Band war es hier groß genug. "Snah", Hans Magnus unser Gitarrist tickt genauso wie ich. Wir sind nicht die Geselligsten."

    Zwei Jahre nach der Bandgründung erscheint 1991 das erste Motorpsycho Album "Lobotomizer". Bereits hier zeigen die Musiker ihre riesige musikalische Bandbreite. Songs mit Cello und Akustikgitarren bis hin zu wüstem Metal. Lange Haar, psychedlisches Cover und verzerrte Gitarren mit spätpubertären, wütenden Texten.

    Musik:" Wasted"

    Unger: "Wie alt warst du, als du ernsthaft darüber nachgedacht hast Musiker zu werden?"

    Sæther: "Ich bin mir nicht sicher. Ich glaube, dass ich immer davon geträumt habe und es war immer ein Teil von mir. Meine Cousins haben mir Kiss vorgespielt, da war ich sieben Jahre alt. Mein erstes Kiss Album habe ich mit acht oder neun bekommen. Das war der Anfang, damit ging alles los. Es hat meine ganze Phantasiewelt eingenommen und es hat mich nicht mehr losgelassen. Die Musik war also schon da, als ich noch sehr jung war und ich habe immer gehofft, dass ich irgendwas damit anfangen kann. Während meines Studiums habe ich beim lokalen Uni Radio gearbeitet. Damals dachte ich, dass Musikjournalismus etwas sein könnte. Aber dann kam die Band und hat alles verändert."

    Unger: "Welcher Song von Kiss war der erste, den du gehört hast?"

    Sæther: "Das ist eine schwierige Frage, denn meine Cousins hatten zwei Songs aus dem schwedischen Radio mitgeschnitten. Den ersten mochten wir unheimlich gerne und ich kann ihn immer noch singen, habe aber noch nicht herausgefunden, von wem er stammt, da er nicht von Kiss ist. Der andere war "I Want You" aus dem Album "Rock´n Roll Over". Also wahrscheinlich war es "I Want You". Mein erstes Album war "Kiss Alive II", das war die Einstiegsdroge. Auf dem Cover der blutverschmierte Gene Simmons und dann in der Innenseite die Pyro-Show – einfach phantastisch."

    Musik: Kiss: "I Want You"

    Jan Schwarzkamp ist Redakteur beim Visions Magazins. Das musikalische Universum von Motorpsycho entdeckt er Ende der 1990er Jahre.
    Schwarzkamp: "Nun ich habe die Band vor rund 20 Jahren kennengelernt. Erstmal so mit einzelnen Songs und hab mir dann die "Let Them Eat Cake" Platte gekauft, wo Motorpsycho ihre Westcoast Pop Phase mit eingeleutet haben und habe mich dann im Werk zurück gearbeitet und war dann ganz glücklich, weil ich feststellen durfte, dass diese Band einfach wahnsinnig viel unterschiedliche Musik schon gemacht hatte. Von Folk über Noise Rock bis hin zu Sludge Metal, Stoner, Psychedelic gab es einfach sehr viel zu entdecken und gleichzeitig hat die Band mich immer weiter bei der Stange gehalten, weil fast im Jahrestakt eine neue Platte kam und das ist schon sehr erfüllend, wenn eine Band, die man hoch schätzt, dann auch auf einem qualitativ hochwertigen Level ständig neue Veröffentlichungen raushaut."
    Auch für ihn setzt sich die Band aus der breiten Masse der damals gegenwärtigen Rock- und Grungebands ab.
    Schwarzkamp: "Die Band hat immer einen sehr warmen, sehr dicken Sound gehabt, gerade was so den Bass angeht, sehr fuzzig, ja auch sehr kräftig. Gerade, was so die frühen 90er angeht, da stachen Motorpsycho mit ihrem Sound schon ein wenig heraus, weil sie halt, obwohl sie eine halbwegs exotische, norwegische Band waren, dann durchaus mit Platten von Bands wie Nirvana, Sonic Youth, Helmet und Unsain und Dinosaur Jr. und all den Platten aus der Ära mithalten konnten und dann aber auch zu Teilen viel mehr geliefert haben, als die Künstler, die ich gerade genannt habe."
    Ein Wendepunkt in ihrer Karriere
    1993 gibt Grunge den Ton an. Motorpsycho springen nicht auf diesen Zug mit auf, passen mit ihre Sound aber dennoch in die Zeit. Ein Wendepunkt in ihrer Karriere ist das dritte Album "Demon Box". Das vielschichtige Werk öffnet der Band aus Trondheim die Welt. Sie gehen außerhalb von Norwegen auf Tour und begeistern ihre Fans. Ihre treuesten Anhänger nennen sich Psychonauten. Bis heute. Auch der Comedian Oliver Polak ist ein Psychonaut - und er schreibt gerne über seine Herzensband. In 24 Jahren hat er 98 Motorpsycho-Konzerte besucht Im Musikexpress hat er geschrieben:
    "Falls du dich auch in diese Band verlieben solltest, ist es das Beste, was dir passieren kann. Denn dann benötigst du keine weitere Band in deinem Leben, denn Motorpsycho sind quasi alle deine Lieblingsbands in einer Band. Besser als die Beatles."
    Das mit den Beatles ist natürlich etwas übertrieben, denn die konnten schließlich die breite Fan-Masse in Manie versetzen - aber Motorpsycho lassen sich ebenso wenig beirren wie die wandelbaren Pilzköpfe. Schon in den ersten vier Bandjahren sind sie von unerschütterlichem Selbstbewusstsein getrieben und dem Drang, etwas Eigenständiges auf die Beine zu stellen.
    Sæther: "Wir waren damals ziemlich eingebildet als wir angefangen haben. Unsere Ziele waren hoch, aber unsere Fähigkeiten eher beschränkt. Also sind wir hergegangen und haben gesagt: Oh, du magst unsere Musik nicht? Das ist okay, denn sie war auch nicht für dich bestimmt, du solltest sie auch gar nicht mögen. Sie ist für uns, das ist unser Ding. Wenn du so etwas machst, dann ist das, als ob du mit einem roten Tuch vor einem Stier herumwedelst, weil die Leute sagen: was ist das, was ich da verpasse? Das war so ziemlich das Beste was wir damals gemacht haben. Die ersten Alben und die Hälfte von "Demon Box" waren ein bisschen fragwürdig. Aber irgendetwas ist passiert, als wir an dem Album zu "Demon Box" gearbeitet haben. Unsere Einflüsse übertrugen sich auf die Musik und daraus ist dann das entstanden, was wirklich wir sind. Der erste Motorpsycho Song mit dem ich richtig glücklich war - und immer noch bin, ist: "Plan Number One" aus Demon Box. Also, es hat einige Jahre und Alben gebraucht, bis wir wirklich so gut waren, wie wir früher vogegeben haben, zu sein. Aber es hat funktioniert. Es war Punk, weißt du. Scheiß auf dich, wenn du es nicht verstehst. Das ist brilliant."

    Musik: "Plan #1"
    Motorpsycho sind eine Institution
    Musikmanager Eivind Brydøy kümmert sich seit vielen Jahren um Bands wie Kaizers Orechstra oder auch Spidergawd. Ebenfalls eine Rockband aus Trondheim in der Bent Sæther nebenbei einige Jahre Bass gespielt hat. Eivind Brydøy sagt:
    "Motorpsycho haben vielen anderen Bands den Weg geebnet und den begrenzten norwegischen Musikmarkt erweitert. Sie haben die Türe zur europäischen Szene aufgestoßen als sie mit den Alben "Demon Box" und "Timothys Monster" rauskamen, die sogar in die nowegischen Charts einstiegen. Ja, sie waren eine sehr wichtige Band für all die anderen, die später folgten, denn sie zeigten ihnen: wir können es nach Europa schaffen. Ich erinnere mich daran, dass wir uns mit Kaizers Orchestra daran orientiert haben, was sie vorher gemacht haben. Okay, wir können es sogar wagen, auf Norwegisch zu singen. Wir bauen uns etwas auf und danach kommt Europa."

    Auch für Per Borten waren und sind Motorpsycho ein Vorbild. Der heute 39jährige gehört ebenfalls zu den bekanntesten und respektiertesten norwegischen Rockmusikern. Er ist Sänger und Gitarrist bei Spidergawd. 2013 hat er die Band ins Leben gerufen. Für ihn ist Bent Sæther so etwas wie ein musikalischer Vater.
    Borton: "Meine erste Band habe ich gegründet, da war ich 21 Jahre alt. Es hat mir sehr viel bedeutet, dass ich zu ihm nach Hause kommen konnte. Wir haben uns hingesetzt und uns meine Demos angehört. Es gab Leute, die gesagt haben, dass das was ich mache nicht zeitgemäß ist und er hat dann gesagt: Scheiß auf diese Typen! Scheiß auf alle! Hör nur auf dich selber und mach das, was du machen willst! Da er damals der einzige Star für uns war, hat er mir das Selbstvertrauen gegeben, das zu tun, was ich tun wollte und dafür werde ich ihm immer dankbar sein. Er war so etwas wie ein Mentor für mich."
    Die Musik seines Vorbilds hat ihn und viele andere Jugendliche in Norwegen maßgeblich geprägt. Per Borton sagt, dass er wahrscheinlich auch ohne Motorpsycho angefangen hätte, selber Musik zu machen. Aber die Band war sehr wichtig für ihn und seine Entwicklung. Die Nacht, als er das erste Mal einen Song von Motorpsycho gehört hat, wird er auf jeden Fall nie vergessen.
    Borton: "Ich bin auf dem Land aufgewachsen, außerhalb der Stadt. Natürlich hatte ich da ältere Freunde und die haben mir Musik gegeben, die nicht wirklich am Puls der Zeit war, deshalb hing ich immer fünf Jahre hinterher. Dann kam das "Demon Box" Album raus und ich kann mich noch dran erinnern, welches das erste Stück war, das ich daraus hörte: "Nothing To Say". Es war auf einer Party so gegen 5 oder 6 Uhr morgens. Damals war ich 15 Jahre alt und wahrscheinlich das erste oder zweite Mal völlig betrunken. Jemand drehte die Anlage auf und dieser Song lief. Diesen Moment werde ich für den Rest meines Lebens nicht mehr vergessen. Noch nie hatte ich vorher so etwas Brutales gehört. Das Album war für mich wie ein musikalischer Weckruf. "

    Musik: "Nothing To Say"

    Durchgefroren kommen wir nach einem etwa dreißigminütigen Fußmarsch in einem durch Hafen- und Werftgebäude geprägten Stadtteil von Trondheim an.
    Sæther: "Da sind wir! Früher war hier ein Autohändler und Mitte der 90er sagte die Stadt wir verkaufen die ganzen Häuser dem Autohändler und er kann damit machen, was er möchte. Dieses ganze Gelände wird ein großes Autohaus. Und so haben sie es dann auch beschlossen. Alle Häuser wurden verkauft. Seit Mitte der 80er Jahre waren darin Sozialwohnungen in denen Punks und Künstler wohnten. Und wir haben uns gewehrt. Wir haben gesagt: wir gehen hier nicht weg! Ein paar Jahre später hat es sich dann gedreht und jetzt läuft es genau andersherum. Die Stadt vermietet jetzt die Häuser an die Gemeinschaft der Anwohner, die hier leben. Es wird von den Menschen und für die Menschen geführt. Wir praktizieren jetzt das, was wir Mitte der 80er Jahre in Deutschland als alternative Politik wahrgenommen haben. Und es funktioniert! Hier leben in etwa 200 bis 250 Menschen mit ihren Kindern und allem drum und dran. Das hier ist der Kindergarten. Da drüben haben wir unser Büro. In dieser Halle können wir Konzerte spielen. Es gibt ein Cafe und hier ist der Ort, wo wir proben."
    Das Geheimnis ist unspektulärer als man es sich vorab vorstellt. Ein fensterloser, ca. 30 Quadratmeter großer Raum, der vollgepackt ist mit Gitarrenverstärkern, Instrumenten und Kisten, die die Band mit auf Tour nimmt. Ein Blick reicht: Hier wird gearbeitet.
    Profis und Arbeiter
    Sæther: "Wir sind Profis. Wenn wir alle da sind, treffen wir uns hier jeden Tag um 10 Uhr und arbeiten bis 14 oder 15 Uhr - ja, das ist Arbeit. Wir probieren dann alles Mögliche aus und versuchen, dass die Songs so gut klingen, wie es eben geht. Da werden dann die Dinge gemacht, um die wir uns kümmern müssen. Wir sind Profis und Arbeiter. Wir wissen, was wir zu tun haben. Früher, als wir noch keine Kinder und Familien hatten, war das anders. Da konnten wir die Sachen erledigen, wann und wie wir es wollten. Jetzt haben wir noch andere Verpflichtungen, mit denen wir umgehen müssen. Aber unsere Arbeitstage sind gute Tage. Man bekommt eine Menge geschafft und es ist befriedigend."
    Hans Magnus Ryan und Bent Sæther sind ein eingespieltes Team. Trotz ihrer Nebenprojekte und Familien sind sie äußerst produktiv - und weiterhin offen für neues. Vor allem, wenn es um weitere Musiker geht, die die Beiden bei ihren genialen, teils aber aus sehr fordernden, musikalischen Ideen unterstützen.
    Sæther: "Ich glaube, dass wir bei unserem fünften Schlagzeuger angekommen sind. Wir hatten etliche Keyboard Player und einige Gitarristen. Es waren schon eine Menge Leute dabei. Aber "Snah" - Hans Magnus und ich, sind das Herzstück der Band. Ich versuche das mal zu analysieren: Wahrscheinlich liegt es daran, dass wir uns so gut ergänzen. Was ich mache und was ich kann, kann er nicht. Und was ich mag, hat er. Zum Beispiel, wenn wir einen Song schreiben, dann habe ich schon eine ganze Akkord Struktur und der Song ist fast fertig, aber dann fehlt noch eine interessante Melodie. Dann kann ich ihm das Ganze geben und er kommt mit einer interessanten Melodie zurück. Er hat diesen Zugang und wenn er einen Song schreibt, dann fehlen ihm die Akkorde und die Strukturen, dafür hat er aber schon die Melodie und ich kann dann das Schlagzeug und alles Weitere drum herum bauen. Als Songwriter passen wir sehr gut zusammen. Aber als Menschen sind wir sehr verschieden. Es sei denn, es geht um das Wesentliche, dann sind wir uns ähnlich. Wir müssen beide hier zusammen sein, um Motorpsycho zu sein. Die anderen Leute sind eher austauschbar."

    Musik: "My Best Friend"

    Bent Sæther strahlt Zufriedenheit aus. Er lebt das Leben, welches er leben möchte, mit einigen Annehmlichkeiten und aber vor allem mit vielen Freiheiten. Motorpsycho sind von keiner großen Plattenfirma abhängig. Sie sind im besten Sinne "independent". In Deutschland wurde 1994 eigens das Label "Stickman Records" gegründet, um die Musik von Motorpsycho unabhängig zu veröffentlichen.
    Nicht unter dem Diktat einer Plattenfirma
    Dadurch stehen sie nicht unter dem Diktat einer Plattenfirma. Ihr eigener kreativer Antrieb sorgt dafür, dass sie immer weitermachen. Geld und Wohlstand spielen nur eine untergeordnete Rolle.

    "Ich war noch nie reich. Aber wir verdienen mit unseren Platten und den Auftritten genügend Geld, so dass wir seit 1995/96 einigermaßen davon leben können. Unsere Verkäufe sind wie bei allen anderen auch runter gegangen. Aber da wir nie die großen Stückzahlen verkauft haben, sind wir auch nicht daran gewöhnt Geld zu haben. Wir leiden nicht darunter. Es ist weiterhin in etwa das gleichbleibende moderate Einkommen – aber es funktioniert."
    Unger: "Ist es langweilig neue Songs zu schreiben?
    Sæther: "Verlierst du manchmal das Interesse daran, neue Songs zu schreiben, oder steckt das immer in dir?"

    "Wenn es nur um Songs geht, dann Ja. Daran verliere ich das Interesse. Aber dann schreibe ich andere Sachen: Musik für's Theater, ich mache etwas mit anderen Menschen, für Projekte - eben andere Sachen. Wenn du ein Lied so definierst: Strophe, der Refrain wird zwei Mal wiederholt, dann kommt das Solo und dann noch zweimal der Refrain, dann Ja. Damit bin ich durch. Aber so lange man nicht an eine Form gebunden ist, kann man seine Kreativität herausfordern und alles kann passieren. Noch langweilt es mich nicht."
    Psychonauten und Liebhaber intensiver Musik, fernab von jeglichen Konventionen, bekommen bei einer Aussage wieder dieser, feuchte Augen. Schön, dass es noch Bands wie Motorpsycho gibt, die sich nicht in ein Korsett zwängen lassen, sondern ihrer Kreativität und dem Inneren Bauchgefühl nachgeben und die ihre Ideen in einer musikalischen Qualität und Vielfältigkeit ausdrücken können, die unerreicht ist. Motorpsycho, die Band aus Norwegen hat noch viel vor.

    Unger: "Aber wäre es nicht schön, einen Hit zu haben, der deine Rente bezahlt?"

    Sæther: "Nein, nicht wirklich. Weil ich noch keine Interesse daran habe aufzuhören. Das ist mein Leben. Ich sehe keinen Grund, dass zu ändern. Ich bin glücklich wie ein Schwein im Dreck, wenn ich das hier machen kann. Damit möchte ich nicht aufhören. Es ist eine befriedigende Arbeit. Es gibt also keinen Grund einen Hit zu haben."

    Musik:" The Maypole"