Donnerstag, 28. März 2024

Notizen aus Berlin
Berlinale in der Wüste

Am zweiten Tag der Berlinale stand Werner Herzogs Film "Queen of the Desert" mit Nicole Kidman in der Hauptrolle im Fokus. "Ein großes Poem" über die Neuordnung des Nahen Ostens nach dem Untergang des Osmanischen Reichs, meint unser Autor Christoph Schmitz.

Von Christoph Schmitz | 06.02.2015
    Die australische Schauspielerin Nicole Kidman kommt am 06.02.2015 in Berlin während der 65. Internationalen Filmfestspiele zum Fototermin für "Queen of the Desert". Der Film läuft im Wettbewerb.
    Nicole Kidman bei der Berlinale-Premiere ihres neuen Films "Queen of the Desert". (picture-alliance / dpa / Jörg Carstensen)
    Heute wieder Wüste. Nach der Schneewüste gestern mit Isabel Coixets Forscherdrama "Niemand will diese Nacht" aus der Arktis, gerade die Sandwüste Arabiens in Werner Herzogs Film "Queen of the Desert". Heute wieder eine Frau. Gestern die mutige Josephine Peary unter Inuit 1908, gerade die ebenso mutige wie intelligente Getrude Bell unter Beduinen ebenfalls zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Jeweils gespielt von Weltstars. Juliette Binoche als Josephine. Nicole Kidman als Getrude, die vor dem Reichtum und vor der Langeweile der britischen Upperclass in den Nahen Osten flüchtet: Um an Ausgrabungen teilzunehmen, um Persisch und Arabisch zu lernen, um die geliebte Poesie des Orients im Original lesen zu können, um die fremden Kulturen der Beduinen zu erforschen und die entlegensten Orte einer für Europäer unbekannten Welt zu erkunden.
    Verfilmung wahrer Biographien
    Und auch Gertrude Bells Lebensgeschichte beruht wie das ihrer Arktis-Kollegin Josephine auf einer wahren Biographie. Gertrude Bell wirkte an der Neuordnung des Nahen Ostens nach dem Untergang des Osmanischen Reiches aktiv mit. Ein großes Poem hat Werner Herzog auf die Leinwand gebracht. Einen Lebensroman in Bildern, für den er sich über zwei Stunden Zeit nimmt, um imposante Landschaften samt Stürmen, exotische Oasen, uralte Städte und ihre Bewohner vor uns auszubreiten.
    Die Liebe seiner Hauptfigur zur persischen und arabischen Kultur schwingt in jeder Sekunde mit. Und die vertrackten machtpolitischen Verhältnisse in der britischen Kolonie und unter den einheimischen Völkern. Mit Herzog verstehen wir die Konflikte heute ein wenig besser. Seine erzählerische Ruhe zeugt von Altersweisheit. So wirkt sein Film auf sympathische Weise altmodisch. Aber glaubwürdig durch und durch.
    Mit dem Taxi durch Teheran
    Heute war in Berlin der Tag des Vorderen Orient. Herzogs Gertrude beginnt ihre Reise in Teheran. Und von dort und von der Stadt erzählte heute auch der zweite Film - die dokumentarisch angelegte Arbeit "Taxi" des iranischen Regisseurs Jafar Panahi. Er selbst fährt ein Taxi durch die Hauptstadt und zeigt im Film seine Fahrgäste im Gespräch untereinander und mit ihm selbst. Inszenierter Alltag, witzig, aufschlußreich, traurig. Denn immer schwebt eine Angst mit. Die Angst erwischt, beschattet zu werden, weil Jafar Panahi eigentlich Drehverbot hat. Ganz offiziell. Ein kleines, heiteres und nachdenkliches Kammerspiel ist ihm gelungen über den Alltag im Iran. Große Filmemacher waren heute am Werk. Die Wüste lebt.