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"Notwendige Hilfsaktion"

Der Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, sieht in der Aufnahme von 2000 Flüchtlingen aus dem Irak nur einen ersten Schritt. Wenn die Integration der Flüchtlinge gelänge, könnte Deutschland auch noch mehr Flüchtlinge aufnehmen, so Laschet.

Armin Laschet im Gespräch mit Friedbert Meurer | 19.03.2009
    Friedbert Meurer: Um etwa 14 Uhr wird heute am Flughafen Hannover-Langenhagen eine Maschine erwartet, mit der die ersten Flüchtlinge aus dem Irak, 120 an der Zahl, hier in Deutschland ankommen werden, denn Deutschland nimmt insgesamt 2000 Flüchtlinge aus dem Irak auf. Sie kommen nicht direkt aus dem Irak, sondern hatten ihre Heimat vor oder nach dem Krieg verlassen müssen und Zuflucht in Syrien und Jordanien gefunden. Viele von ihnen, wenn auch nicht alle, sind Christen.

    Sie alle kommen zunächst ins Durchgangslager Friedland nach Niedersachsen, werden dort aber in der Regel nach zwei Wochen schon auf die anderen Bundesländer verteilt. Armin Laschet ist Integrationsminister in Nordrhein-Westfalen, CDU. Guten Tag, Herr Laschet.

    Armin Laschet: Guten Tag.

    Meurer: Warum ist es denn humanitär notwendig, dass wir diese Flüchtlinge aufnehmen?

    Laschet: Es ist notwendig, weil die Flüchtlinge zunächst keine Rückkehrperspektive in den Irak haben. Ich habe vor wenigen Wochen sowohl Syrien als auch Jordanien besucht und wenn man da vor Ort sieht, dass beispielsweise zwei Millionen Flüchtlinge sich in Syrien aufhalten, dann ist das eine Lage, die dieses Land nicht alleine stemmen kann, und deshalb hat die Europäische Union gesagt, wir nehmen 10.000 Flüchtlinge auf als humanitäre Hilfsaktion mit der Perspektive auch für jeden einzelnen, sich hier zu integrieren, hier Arbeit finden zu können und einen dauerhaften Aufenthaltsstatus zu bekommen.

    Meurer: Sind 10.000 oder 2500 nach Deutschland viel zu wenig, wenn allein zwei Millionen in Syrien sind?

    Laschet: Das ist in der Tat keine sehr hohe Zahl. Das ist zum ersten Mal, dass sich Deutschland an einem solchen, so genannten Resettlement-Programm des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen beteiligt. Insofern ist das auch eine neue Erfahrung für uns. Wir kennen natürlich die Fluchtbewegungen, wir haben viele Hunderttausende Asylbewerber in den letzten Jahren aufgenommen. Deren Zahl ist ja drastisch zurückgegangen. Aber eine solche humanitäre Aktion hat Deutschland in der Form noch nie gemacht.

    Deshalb ist 10.000 eine erste Größenordnung, aber ich denke, wenn die Integration gelingt, wenn wir jetzt merken, dass die Flüchtlinge auch in den Städten und Gemeinden ankommen - und da gibt es eine sehr große Bereitschaft, zu einer neuen Willkommenskultur für diese christlichen und auch anderen Flüchtlinge von verfolgten Minderheiten zu kommen -, dass wir dann auch noch mehr Flüchtlinge aufnehmen könnten.

    Meurer: Bevor wir über die Integration reden, Herr Laschet: Die meisten sollen ja Christen sein. Auch wenn das offiziell bestritten wird, spielt die Konfession eine Rolle bei der Aufnahme?

    Laschet: Eine Rolle spielt die Frage, wer hat eine Rückkehrperspektive, in den Irak zu gehen. Schiiten haben überall im Irak Gegenden, in denen sie verfolgungsfrei leben können. Das gleiche gilt für Sunniten. Aber Christen und andere religiöse Minderheiten haben es im gesamten Irak sehr, sehr schwer und deshalb ist hier eine Priorität der Entscheidung der Bundesrepublik Deutschland, denen zu helfen.

    Ein zweites kommt hinzu: Die Frage ist, wer findet hier in Deutschland am ehesten Menschen, eine Gemeinde, einen Ort, in den er integriert werden kann. Wir haben bereits jetzt viele Iraker, deren Familienangehörige jetzt zureisen. Das sind meistens christliche Gemeinden, kaldäische Gemeinden - so heißt diese Gruppe der Christen, die nach Deutschland kommt -, so dass auch die Integrationsgarantie dort am größten ist, weil sie sofort in Gemeindestrukturen kommen, die Sprache lernen.

    Meurer: Das heißt, die meisten werden hier in Familien unterkommen?

    Laschet: Die meisten werden in Städte kommen, wo Familienangehörige leben oder wo eine Gemeinde ist, in die sie sofort integriert werden können.

    Meurer: Haben die eine Chance, einen Job zu bekommen? Sie dürfen ja arbeiten, weil sie keine Asylbewerber sind.

    Laschet: Sie werden wahrscheinlich nicht sofort einen Job bekommen, weil sie zunächst ja die Sprache nicht sprechen. Aber die, die aufgenommen werden, sind auch so ausgewählt worden in den Interviews, die da vor Ort gemacht werden, dass Familien mit Kindern kommen, dass die Kinder in die Schule kommen, dass sie hier eine Perspektive haben und dass sie sehr schnell auch die Sprache lernen sollen.

    Ich denke, es sind auch sehr viele Qualifizierte übrigens unter denen, die da kommen, aus den Städten des Irak, die auch hier in der Gesellschaft gut gebraucht werden können und wo man alles tun muss, dass sie schnell einen Job finden und auf eigenen Füßen stehen.

    Meurer: Heute Nachmittag werden die ersten 120 irakischen Flüchtlinge am Flughafen Hannover erwartet. Ich sprach darüber mit Armin Laschet, dem Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen. Schönen Dank, Herr Laschet, und auf Wiederhören!

    Laschet: Bitte schön.