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Novellierung des Kulturgutschutz-Gesetzes
"Internationale Variante des Kulturgutschutzes"

Die Novellierung des Kulturgutschutz-Gesetzes kann den illegalen Handel mit Kulturschätzen aus Krisengebieten unterbinden - davon ist Kulturstaatsministerin Monika Grütters überzeugt. Striktere Einfuhrbestimmungen könnten Händler abschrecken, sagte sie im DLF. Der Schutz von Kulturgütern sei eine globale Angelegenheit.

Monika Grütters im Gespräch mit Antje Allroggen | 22.04.2015
    Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU)
    Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) (dpa / picture alliance / Stephanie Pilick)
    Antje Allroggen: Nach deutschem Recht wird ein Hühnerei besser geschützt als die wertvollste Antike, hieß es vor Kurzem in einem Bericht zum Kulturgutschutz. Bisher ist hierzulande nur der Handel mit Kulturgütern verboten, die nach Angaben der jeweiligen Länder auf einer Liste aufgeführt werden. Was sich noch im Boden befindet und Raubgrabungen zum Opfer fällt, bleibt von dieser Regelung unberührt. Das Gesetz zum Kulturgutschutz soll deshalb überarbeitet werden. Nicht nur die Ausfuhr von Kulturgut, über die wir gleich vornehmlich sprechen wollen, würde sich dadurch verändern; auch der hiesige Kunsthandel. Heute gab es nun in Berlin eine Anhörung zur Novellierung des Kulturgut-Schutzgesetzes. Noch vor der Sommerpause solle ein Entwurf vorliegen. Ich habe die Kulturstaatsministerin Monika Grütters vor der Sendung gefragt, welche konkreten Änderungen das neue Gesetz vorsieht.
    Monika Grütters: Zum Einen wollen wir in unserem Novellierungsvorhaben ein einheitliches und kohärentes Kulturgut-Schutzgesetz schaffen. Wir bringen drei vorhandene Gesetze in einem jetzt endlich zusammen. Da geht es natürlich auch um Rechtsvereinfachung und Modernisierung der Regeln. Und dann möchten wir die öffentlichen Sammlungen besser schützen und wir möchten den internationalen Leihverkehr vereinfachen. Ganz konkret geht es um striktere Ein- und Ausfuhrregelungen. Zum Beispiel bei der Einfuhr von illegalem Kulturgut soll künftig nicht mehr gelten, was auf dortigen Schutzlisten in den Heimatländern steht, sondern jedes Stück muss eine Ausfuhrgenehmigung des Herkunftslandes mit sich bringen. Andernfalls wird es hier gar nicht erst reingelassen. Dieser Paradigmenwechsel ist vor allen Dingen den Herkunftsländern wichtig und ich glaube, es schützt auch den deutschen Kunsthandelstandort vor dem Verdacht, man käme hier mit laxen Regelungen besser rein.
    Das zweite ist, wir möchten deutsches Kulturgut besser vor Abwanderung schützen. Da gleichen wir uns Regelungen an, die in der EU insgesamt schon gelten und künftig auch für uns. Wir stellen unsere Sammlungen in den Museen komplett unter Schutz und gehen nicht mehr mit der Auflistung einzelner Kunstwerke vor und wir werden künftig dafür sorgen, dass wir nicht für viel Geld aus dem Ausland wertvolles deutsches Kulturgut wieder zurückkaufen müssen.
    "Dem Irak bei der Bewahrung seines antiken Erbes helfen"
    Allroggen: Wenn wir jetzt mal auf die Ausfuhrregelungen schauen, können solche Regelungen wirklich dabei helfen, etwa jetzt im weit entfernten Syrien Plünderern das Handwerk zu legen?
    Grütters: Ja. Wir sind der Meinung, dass tatsächlich eine schwierigere Einfuhrbedingung natürlich die sehr professionell organisierten internationalen Kriminellen - das ist organisierte Kriminalität und kommt nach dem Waffenhandel und Drogenhandel direkt an dritter Stelle im internationalen organisierten Verbrechen -, diese Leute wissen natürlich ganz genau, wo sie wie am besten landen können mit ihrem Raubgut. Und wenn die wissen, dass hier die Einfuhr deutlich verschärft wird, wird sie das natürlich eher abhalten, als wenn wir weiterhin relativ lax und nur mit wenigen Zollbeamten hier solche Einfuhr stoppen.
    Das Zweite ist natürlich: Wir können in den Herkunftsländern die dortige Kriminalität natürlich nur begrenzt in den Griff kriegen. Da muss die Weltgemeinschaft zusammenhalten. Das tut sie aber auch. Wir haben gerade heute Deutschland und der Irak zusammen bei der UNO eine Initiative der Rettung der Kulturdenkmäler im Zwei-Strom-Land gestartet, um dafür zu sorgen, die Verantwortlichen für kulturellen Vandalismus zur Rechenschaft zu ziehen, und wir möchten die internationale Gemeinschaft in die Pflicht nehmen, dem Irak bei der Dokumentation und Bewahrung seines antiken Erbes zu helfen, weil wir es wirklich mit Menschheitskulturerbe zu tun haben. So könnte eine Zusammenarbeit tatsächlich auch vor Ort wirksam sein.
    Allroggen: Diese gerade von Ihnen genannte Initiative erwähnt ja auch wirkliche konkrete Maßnahmen. Zum Beispiel könnte man die Ausbildung irakischer Fachleute verbessern.
    Grütters: Ja.
    "Bewusstseinswandel in der gesamten Museumswelt"
    Allroggen: Es gibt auch andere Vorschläge. Der Deutsche Kulturrat hat heute angeregt, anlässlich der Anhörung, über ein zeitlich begrenztes Asyl in Deutschland für bedrohtes syrisches und irakisches Kulturgut nachzudenken. Was halten Sie von diesem Vorschlag?
    Grütters: Ich höre den zwar in dieser Form zum ersten Mal, habe aber insofern für diese globale Betrachtung eine große Sympathie, als es sich tatsächlich um einen Bewusstseinswandel in der gesamten Museumswelt, muss man sagen, im Moment handelt. Wir gehen nicht mehr davon aus, welches Land welche Kunstwerke besitzt, und unabhängig davon, wo sie herkommen, sagen wir, wir sind nicht mehr nur Besitzer, sondern Bewahrer eines Menschheitskulturerbes. Wenn zum Beispiel die chinesischen Turfan-Höhlen hier in Berlin sind, dann fühlen wir uns diesem Kulturgut verpflichtet, es angemessen zu bewahren, zu präsentieren und dafür zu sorgen, dass seine Herkunft auch erzählt wird. Es gibt ein globales Bewusstsein dafür, dass wir Kuratoren im besten Sinne des Wortes sind. Insofern, glaube ich, gibt es eine internationale Variante sehr wohl des Kulturgutschutzes. Vielleicht könnte die auch in solchen Asylfragen zum Ausdruck kommen.
    Allroggen: Monika Grütters war das über die Nivellierung des Kulturgut-Schutzgesetzes und neue Maßnahmen für die kulturelle Zusammenarbeit.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.