Donnerstag, 28. März 2024

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NSA-Ausschuss
"Hut ab für die Spionageabwehr der Deutschen"

Der Fall des wegen Spionageverdachts festgenommenen BND-Mitarbeiters habe zweifach eine "neue Dimension: auf der Ebene der Spionage und der Ebene der deutsch-amerikanischen Beziehungen", sagte der Politikwissenschaftler Andrew Denison im Deutschlandfunk. Sollten die Vorwürfe zutreffen, wäre dies eine "üble Spionagekunst".

Andrew Denison im Gespräch mit Silvia Engels | 05.07.2014
    Andrew B. Denison, Publizist und Politologe aus den USA, aufgenommen am 08.05.2014 während der ZDF-Talksendung "Maybrit Illner"
    Andrew B. Denison, Direktor Transatlantic Networks (dpa / Karlheinz Schindler)
    Auf der Ebene der Spionage müsse man sagen: "Hut ab für die Spionageabwehr der Deutschen, dass sie diesen Mann gefangen haben." Als Amerikaner, der in Deutschland lebe und Steuern zahle, müsse er sagen, es sei gut, dass man beim BND keine Doppelagenten arbeiten lasse, sagte der US-Politikwissenschaftler und Publizist Andrew Denison im Deutschlandfunk.
    Sollte es sich aber tatsächlich um einen amerikanischen "Mitarbeiter" handeln, dann wäre dies "üble Spionagekunst". Es wäre "ein bisschen unglaublich", so einfach geschnappt und als amerikanischer Agent identifiziert zu werden. "Die Ungeschicklichkeit macht uns zu schaffen." Als Deutscher würde man vielleicht aber auch fragen, so Denison, warum spionierten die Amerikaner die Deutschen und den Ausschuss aus. Seiner Meinung nach hat das damit zu tun, dass "Amerika sehr lange sehr eng mit dem BND zusammengearbeitet hat, über Jahrzehnte". Der deutsche Nachrichtendienst habe auch viele Erkenntnisse aus den USA erhalten, so dass dort die Sorge bestehe, diese könnten weitergegeben werden. Jetzt wollten diese auch sehen, in welche Richtung die Arbeit des NSA-Untersuchungsausschusses gehe. Daher sei es für ihn "schon plausibel, dass die Amerikaner jemanden da positioniert" haben.
    "Ein No-Spy-Abkommen wird es nicht geben"
    Es sei wahrscheinlich, dass Amerika trotz der bekanntgewordenen Abhör-Affäre um die Bundeskanzlerin auch jetzt noch spioniere. "Amerika wird wahrscheinlich weiterhin abhören in Deutschland, ob es das will oder nicht." Fragen müsse man aber, was das für die deutsch-amerikanischen Beziehungen bedeute. Und diese Beziehungen seien in der Tat belastet. Vertrauen sei verloren gegangen. Europa und Amerika brauchten sich aber angesichts der weltweiten Krisen "mehr als je zuvor". Deshalb sei das um so bedauerlicher, "fast tragisch". Für Amerika sei Deutschland "wichtigster Partner". Und wenn die Deutschen die Spionage nicht hinnähmen, "dann müssen wir dran arbeiten". Aber: "Einen Sonderdeal, ein No-Spy-Abkommen zwischen Amerika und Deutschland, das wird es nicht geben."

    Das Interview in voller Länge:
    Silvia Engels: Dass es den US-Geheimdienst NSA interessiert, wie im gleichnamigen deutschen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss die Arbeit der US-Dienste besprochen wird, das ist naheliegend. Dass aber nun der Verdacht besteht, ein Mitarbeiter des deutschen Bundesnachrichtendienstes habe für die NSA gezielt Parlamentarier ausspioniert, gibt dem seit Monaten schwelenden NSA-Skandal eine neue Dimension. Am Telefon ist der US-amerikanische Politikwissenschaftler und Publizist Andrew Denison. Ich grüße Sie, Herr Denison!
    Andrew Denison: Ja, Frau Engels, schönen guten Morgen!
    Engels: Offiziell bewiesen ist ja der Spionageverdacht noch nicht, doch diese Vorwürfe an den festgenommenen 31-jährigen BND-Mitarbeiter sind sehr konkret. Es steht also der Verdacht eines konkreten US-Spionageauftrags im Raum. Hat das eine neue Dimension?
    Denison: Auf zwei Ebenen hat es neue Dimensionen, auf der Ebene der Spionage und auf der Ebene der deutsch-amerikanischen Beziehungen. Auf der Ebene der Spionage muss man sagen, Hut ab für die Abwehr der Deutschen, dass sie diesen Mann gefangen haben. Also, als Amerikaner in Deutschland lebend, gebe ich hier Steuern aus, und es ist gut, dass der BND keine Doppelagenten arbeiten lässt. Jetzt die zweite Frage, ist das ein amerikanischer Mitarbeiter, dann würde ich sagen, wenn ja, dann hat er aber üble Spionagekunst gezeigt. Denn so einfach geschnappt zu werden und dann als amerikanischer Agent identifiziert zu werden, das finde ich ein bisschen unglaublich, weil Spione, Sie wissen ja, ihre Spuren verdecken. Und diese Spuren scheinen sehr klar zu sein.
    Engels: Wenn ich Sie richtig verstehe, finden Sie es nicht so erstaunlich, dass der US-Geheimdienst versucht hat, offenbar ja auch BND-Mitarbeiter abzuschöpfen, vielleicht sogar gezielt anzuwerben. Nur die Ungeschicklichkeit, dass es aufgeflogen ist, das macht Ihnen zu schaffen?
    Denison: Genau. Die Ungeschicklichkeit macht mir zu schaffen. Aber man würde sich vielleicht als Deutscher fragen, warum spionieren die Amerikaner auch den Deutschen und nun der BND.
    Engels: Ganz genau.
    Denison: Ich denke, das hat auch damit zu tun, dass Amerika sehr lange sehr eng mit dem BND zusammengearbeitet hat, über Jahrzehnte. Und der BND hat auch viele Geheimnisse der Amerikaner, wo die Amerikaner Sorge haben, dass die nicht weiter gehen. Und ich glaube, die Amerikaner meinen, es ist besser, einen Agenten im BND zu haben als nicht, um ein bisschen von innen zu schauen, in welche Richtung das alles geht. Also daher ist es für mich schon plausibel, dass die Amerikaner da jemanden positioniert haben, aber dass er so aufgeflogen ist - ja, hm.
    Engels: Aber dann schauen wir doch auf das Inhaltliche. Sie selbst haben ja auch in den letzten Monaten beobachtet, wie sehr das transatlantische Verhältnis gelitten hat unter der bekanntgewordenen Abhöraffäre, was das Handy der Bundeskanzlerin anging. Jetzt scheint es so zu sein, dass diese Spionage durch den in Rede stehenden BND-Mitarbeiter von 2012 bis ins Jahr 2014 gehalten haben soll. Das heißt, die Amerikaner haben einfach weiter gemacht, obwohl das Verhältnis schon so belastet war. Kann das sein?
    Denison: Das kann sein, denn die Amerikaner haben erstens klar gemacht, wir machen kein No-Spy-Abkommen mit Deutschland. Zweitens, wir sagen nichts über unsere Methoden und wer geheimdienstlich arbeitet. Und drittens werden wir ausnahmsweise sagen, Frau Merkel wird nicht mehr abgehört, aber die Amerikaner haben immer wieder gesagt, Deutschland als solches ist weiterhin Ziel - denke an Mohammed Atta und die vielen Spionagen aus Russland vorher. Amerika wird wahrscheinlich weiterhin abhören in Deutschland, ob man das will oder nicht. Jetzt Ihre andere Frage, was bedeutet das für die deutsch-amerikanischen Beziehungen. In der Tat, die Beziehungen sind belastet jetzt. Auch, weil Vertrauen verloren gegangen ist wegen dieser Edward-Snowden-Geschichte und all das. Das ist zu bedauern. Das ist ein bisschen wie eine Ehe, wo man irgendwie nicht aus dem Loch kommt. Aber vor allem ist es auch zu bedauern, Frau Engels, weil wenn wir um Europa herum schauen, sehen wir, in der Ukraine brennt es, Russland ist gefährlich. Was ist mit Belarus? Schauen wir mal von der Türkei in den Nahen Osten hinein. Amerika und Deutschland brauchen sich mehr als je zuvor, auch um Europa wirtschaftlich nachhaltig zu machen. Wenn wir dann diese Probleme gerade dann haben, dann muss ich sagen, das ist wirklich zu bedauern, fast tragisch.
    Engels: Deutsche Politiker sprechen einmal mehr von einem großen Vertrauensbruch. Der US-Botschafter wurde ins Auswärtige Amt gebeten. Rechnen Sie mit weiteren Schritten, oder bald Business as usual?
    Denison: Es ist eine verrückte Sache. Ich meine, ich habe gesagt, Ukraine, Syrien, Irak – riesige Probleme, auch der Euro und all das. Aber es kann nicht Business as usual sein, und für Amerika - Deutschland ist Amerikas wichtigster Partner. Und selbst wenn wir denken, es ist ganz normal, dass wir in Deutschland spionieren wegen Terroristen und Russen und allem anderen. Wenn die Deutschen da wirklich so sensibel darauf reagieren und es nicht hinnehmen, dann müssen wir dran arbeiten. Aber es wird, um darauf zurückzukommen, einen Sonderdeal, ein No-Spy-Abkommen zwischen Amerika und Deutschland, das wird es nicht geben.
    Engels: Der US-amerikanische Politikwissenschaftler und Publizist Andrew Denison. Vielen Dank für das Gespräch heute Mittag!
    Denison: Ein Vergnügen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.