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NSU-Prozess vor dem Ende
Schlussworte der Angeklagten

Das Ende des NSU-Prozesses steht kurz bevor. Die fünf Angeklagten erhalten die Möglichkeit, ihre letzten Worte zu sprechen. Danach hat das Münchner Oberlandesgericht elf Tage Zeit, sein Urteil zu fällen. Doch schon jetzt ist klar: Nicht alle Angeklagten werden sich erklären.

Von Thies Marsen | 03.07.2018
    Das Namensschild der Angeklagten Zschäpe im Gerichtssal
    Die Schlussworte der fünf Angeklagten im NSU-Prozess werden erwartet (picture alliance / dpa / Tobias Hase)
    Nur André E. wird schweigen - so wie er es schon während des gesamten, über fünf Jahre dauernden Verfahrens getan hat. Der Verteidiger des mutmaßlichen NSU-Unterstützers hat bereits angekündigt, dass von seinem Mandanten keine Schlussworte zu erwarten sind. Die anderen vier Angeklagten aber wollen die letzte Gelegenheit ergreifen, vor dem Münchner Oberlandesgericht ihre Sicht der Dinge kundzutun.
    Lange werden sie dafür allerdings nicht brauchen: Holger G., Carsten S. und Ralf Wohlleben wollen nur kurz sprechen - ebenso Beate Zschäpe: Fünf Minuten werde die Hauptangeklagte brauchen, so ihre Verteidigung. Die 43-Jährige hat sich im Prozess nur einige wenige Male persönlich zu Wort gemeldet und das auch nur mit einigen wenigen dürren Sätzen. Im Dezember 2015 ließ sie ihren Verteidiger eine schriftliche Stellungnahme verlesen. Darin entschuldigte sie sich bei den Opfern des NSU und deren Angehörigen - allerdings nicht etwa für eigene Taten, sondern nur für die - Zitat - "von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt begangenen Straftaten".
    Empörung und Enttäuschung bei den Hinterbliebenen
    Eine Erklärung, die Empörung bei den Nebenklägern auslöste - etwa bei Kerim Şimşek, Sohn des ersten NSU-Opfers Enver Şimşek aus Nürnberg:
    "Wenn sie geschwiegen hätte, wäre es besser gewesen. Also die Entschuldigung nehme ich gar nicht wahr, weil die hat gar nichts zugegeben, die hat alles abgestritten, am Ende noch sich zu entschuldigen bringt gar nichts."
    Enttäuschung damals auch bei der Witwe, Adile Şimşek.
    "Ich bin sehr traurig, weil meine Erwartungen sind nicht erfüllt worden. Die Entschuldigung akzeptieren wir nicht und sie ist auch nicht glaubhaft."
    Besonders empört waren die Angehörigen darüber, dass Beate Zschäpe sich weigerte, ihre Fragen zu beantworten. Und so bleibt auch nach fünf Jahren Prozess vieles, was die Nebenkläger bis heute umtreibt, im Unklaren: Welche Helfer hatte der NSU an den Tatorten? Wie wurden die Mordopfer ausgewählt? Warum war es ausgerechnet mein Mann, mein Vater, mein Bruder, mein Sohn, der ermordet wurde?
    Gamze Kubaşık, Tochter des Dortmunder NSU-Opfers Mehmet Kubaşık, will die Hoffnung dennoch nicht aufgeben. Vergangenen November richtete sie im Gerichtssaal persönlich das Wort an die Hauptangeklagte und versprach ihr, sich für eine Verringerung ihrer Haftzeit einzusetzen, sollte Zschäpe doch noch auspacken:

    "Ich habe sehr lange darüber nachgedacht, auch sehr lange Gespräche mit meinem Anwalt geführt und auch dann zum Entschluss gekommen, dass ich ihr die Chance geben würde, wenn sie sprechen würde, die Wahrheit, aber dann nur wenn sie die Wahrheit sagt, dass man ihre Strafe vermindert."
    Viel Neues ist nicht zu erwarten
    Dass Beate Zschäpe in den fünf Minuten, die sie für ihre Schlussworte angemeldet hat, Nennenswertes zur Aufklärung beitragen wird, darf bezweifelt werden. Der einzige Angeklagte, der tatsächlich umfassend ausgesagt und Reue gezeigt hat, ist Carsten S. Seine Entschuldigung wurde von den meisten Nebenklägern auch akzeptiert - etwa von Yvonne Boulgarides, Witwe des Münchner Mordopfers Theodorus Boulgarides, die Carsten S. auch persönlich getroffen hat:
    "Er hat sich nochmals bei uns entschuldigt und hat währenddessen so, wirklich, wirklich furchtbar geweint, und so etwas kann man nicht spielen, wir konnten alles fühlen. Wir hoffen, dass seine Strafe entsprechend milde ausfällt."
    Vermutlich wird Carsten S. die Schlussworte dafür nutzen, seine Entschuldigung zu erneuern. Auch von den restlichen Angeklagten dürfte wenig Neues zu erwarten sein. Spannend bleibt die Frage, ob der mutmaßliche Lieferant der Mordwaffe, Ralf Wohlleben, der gemeinsam mit seinen rechtsextremen Verteidigern den Prozess mehrfach als Bühne für Neonazi-Propaganda nutzte, auch sein Schlusswort dafür missbrauchen wird.
    Und ob die Zschäpe-Altverteidiger Anja Sturm und Wolfgang Heer doch noch neue Beweisanträge einbringen wollen, wie sie in der vergangenen Woche andeuteten - das würde die Schlussworte der Angeklagten und damit auch das Ende des NSU-Prozesses einmal mehr verzögern.