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NSU-Trilogie in der ARD
Erschreckend dicht an den wahren Ereignissen

Drei Spielfilme hat die ARD dem Thema NSU gewidmet. Jeder mit einem anderen Schwerpunkt, jeder von einem anderen Regisseur gedreht. Heute stehen die Ermittler im Fokus und bilden den Abschluss dieser Trilogie, die einen Teil der deutschen Geschichte fiktionalisiert, der noch lange nicht abgeschlossen ist.

Von Susanne Luerweg | 06.04.2016
    Von links: Paul Winter (Florian Lukas), Charlotte Ahler (Liv Lisa Fries) und Alexander Melchior (Florian Stetter) als Besucher im Gefängnis
    Von links: Paul Winter (Florian Lukas), Charlotte Ahler (Liv Lisa Fries) und Alexander Melchior (Florian Stetter) als Besucher im Gefängnis (BR/Wiedemann & Berg Television GmbH & Co. KG/Stefan Erhard)
    Eisenach im November 2011. Zwei Männer mit Masken überfallen eine Bank. Sie wirken gewalttätig, roh. Der dritte Teil der NSU-Trilogie "Die Ermittler - nur für den Dienstgebrauch" beginnt mit einem Knalleffekt. Die ersten Szenen sind schnell geschnitten, immer wieder fällt das Bild ins Schwarz.
    "Hier Wagen 17. Parkender, weißer Camper, der auf die Beschreibung zum Bankraub passt."
    Eine unscheinbare Straße in einem Wohngebiet in der Lutherstadt Eisenach. Hier endet das Leben der NSU-Mitglieder Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. Dreizehn Jahre wurde erfolglos nach ihnen gefahndet, jetzt sollen sie sich selbst erschossen haben.
    "Jetzt ist es sicher, die beiden sind Böhnhardt und Mundlos. Sie haben sich selber rasiert. Mit einer Pumpgun."
    "Und wo ist die Zschäpe?"
    "Heute Nachmittag ist in Zwickau eine Wohnung abgebrannt. Vermutliche Brandstiftung. Wir gehen davon aus, dass die da zu dritt gewohnt haben."
    "Die Ermittler - nur für den Dienstgebrauch" stellt das Ende von Mundlos und Böhnhardt an den Anfang und springt dann immer wieder in der Zeit zurück. Erzählt unter anderem von den zahlreichen Versuchen, das Trio zu schnappen. Und von den Zielfahndern, die immer einen Schritt zu spät kommen, die NSU-Mitglieder nie zu fassen kriegen, und im Laufe der Zeit verzweifeln.
    "Das war ein Witz. Ich hatte die gesamte Bande ausermittelt. Das weißt du, Walter. Thüringer Heimatschutz, Blood and Honor, das sind kriminelle Strukturen. Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe. Das steht alles in meinen Akten. Hier."
    Der Verfassungsschutz spielt eine dubiose Rolle
    Die Akten werden größtenteils vernichtet, die Ermittlungen auch nach dem Tod von Böhnhardt und Mundlos behindert.
    "Wieso lässt ein erfahrener Polizist wie sie das Wohnmobil abtransportieren? So dass man den Tatort nicht mehr rekonstruieren kann? Oder ging es genau darum?"
    Der Verfassungsschutz spielt eine dubiose Rolle im Fall der NSU-Täter. Eine Sichtweise, die der Film untermauert, indem die Macher die richtigen Fragen stellen.
    "Natürlich bewegen wir uns in der Szene und halten unsere Quellen im Auge. Sie kontrollieren die Szene und ihre Quellen und dann ein tödlicher Angriff auf einen Polizisten? Direkt unter den Augen des LFV? Wie geht das zusammen Überall wo die getötet haben, hatten die Kontakte."
    Wie kann es sein, dass das NSU-Trio dreizehn Jahre nicht gefunden wird, zehn Menschen ermordet, ohne ins Visier der Ermittler zu rücken, immer wieder mühelos den Wohnort wechselt, ohne aufzufliegen? Und das, obwohl die rechte Szene im Osten massiv von Männern des Verfassungsschutzes durchdrungen war. Und war der Selbstmord von Böhnhardt und Mundlos tatsächlich ein Selbstmord? Im Laufe des 90-minütigen Films nimmt die Fassungslosigkeit immer mehr zu.
    "Die Pumpgun mit der sie geschossen haben, war durchgeladen. Richtig? Es lagen zwei leere Patronenhülsen am Boden. Mundlos erschießt Böhnhardt. Danach repetiert er die Waffe. Die Hülse fliegt raus. Mundlos lädt neu. Er schießt. Die zweite Hülse lag dann wieder am Boden. Er hat danach also noch repetiert. Wie soll das gehen?"
    "Könnte es sein, dass da jemand drittes im Wohnmobil war und er hat die beiden erschossen?"
    "Was soll diese Verschwörungsscheiße?"
    Eine Fiktion, erschreckend dicht an den wahren Ereignissen
    Wie schon die ersten beiden Teile der NSU-Trilogie findet auch Florian Cossen als Regisseur des dritten Films eine sehr eigene Bildästhetik. Wie schon die ersten beiden Teile ist auch dieser ein Spielfilm. Eine Fiktion, die aber erschreckend dicht an den wahren Ereignissen ist.
    Wer überhaupt keine Lust hat, sich mit der politischen Realität auseinanderzusetzen, kann "Die Ermittler - nur für den Dienstgebrauch" auch einfach als Thriller sehen. Für alle anderen bildet er das fehlende Puzzleteil im gesamten filmischen NSU-Komplex. Zwar ist dieser Film der schwächste in der Reihe, da die Zeitsprünge und die ein oder andere private Eskapade der Ermittler verwirren, dennoch bringt Florian Cossen eine sehr eigene Note ein, wenn er beispielsweise Florian Lukas als Ermittler Hesses "Im Nebel" zitieren lässt. Die ARD stochert auf jeden Fall mit diesem, sowie auch schon mit den anderen Filmen, nicht im Nebel, sondern setzt Maßstäbe und bricht eine Lanze gegen das Vergessen. Die Filme kommen zu einer Zeit in der wieder Asylbewerberheime brennen, Zeugen die gegen Beate Zschäpe aussagen wollen unerklärlicherweise sterben, und rechte Meinungen Mainstream geworden sind.