Dienstag, 23. April 2024

Archiv


Nukleares Abwracken

Kerntechnik. - Das Kernkraftwerk in Brunsbüttel zählt zu denjenigen Meilern, die auch nach dem vorübergehenden Stillstand im Zuge der Fukushima-Katastrophe nicht mehr angefahren werden durften. Anfang des Monats stellten die Betreiber den Antrag auf Stilllegung. Wie im Detail der Abriss laufen soll, das erläuterten sie nun direkt vor Ort.

Von Frank Grotelüschen | 22.11.2012
    "Wir sind jetzt hier am Reaktor. Sie sehen unter uns den Reaktor, wo noch unsere Brennelemente drin stehen. Das ist ein Siedewasserreaktor. Wenn Sie so wollen ist hier unten wie beim Tauchsieder die Heizspirale, das ist unser Kern, den Sie dort unten sehen."

    Ein wenig melancholisch steht Knut Frisch, Leiter des Kernkraftwerks Brunsbüttel, neben dem 36 Meter tiefen Reaktorbecken. Denn es ist schon eine ganze Weile her, dass sein Reaktor Strom erzeugt hat: 2007 ging er wegen technischer Probleme von Netz, seitdem wurde der Meiler nicht mehr eingeschaltet. Und seit dem 2011 beschlossenen Atomausstieg ist klar: Brunsbüttel bleibt abgeschaltet, und zwar für immer.

    Jetzt, im Abklingbecken neben dem Reaktor, greift ein ferngesteuerter Teleskoparm eines der Brennelemente, um es in einen Castor zu schieben – ein Sarg für Atommüll.

    "Das ist jetzt der finale Akt","

    sagt Frischs Kollege Klaus-Dieter Brandt,

    ""wir sind dabei, die letzten Brennelemente ins Standort-Zwischenlager zu fahren. Wenn wir in drei Jahren so weit sind, werden wir den letzten Kern, der sich noch im Reaktor befindet, auf die gleiche Art und Weise entsorgen."

    Dann erst wird der eigentliche Rückbau beginnen, so nennt man den gezielten und sorgfältigen Abriss des Meilers. Als erstes werden die riesige Turbine und der Generator entfernt. Sie stehen nicht in der Reaktorhalle, sondern im benachbarten Maschinenhaus und sind nicht kontaminiert. Danach geht es ans Eingemachte – die Demontage des Reaktorgefäßes. Ein strahlendes Monstrum aus Stahl, mehrere Stockwerke hoch, gefüllt mit diversen radioaktiven Einbauten. Sie lassen sich nur mit spezieller Technik entfernen, sagt Knut Frisch.

    "Man kann eventuell die Komponenten in Beton eingießen und den Beton zersägen. Das ist eine Möglichkeit. Oder man macht das unter Wasser mit Plasmaschneiden. Das ist Technologie vom Feinsten."

    Wasser nämlich schirmt die Strahlung ab. Doch dazu müssen Roboter und ferngesteuerte Manipulatoren unter Wasser arbeiten können. Technisch höchst aufwändig – aber auch reizvoll für Ingenieure wie Knut Frisch.

    "Rückbau des Kraftwerks ist eine technische Herausforderung. Und der stellen wir uns als Techniker auch eigentlich gerne. Insofern muss man die richtigen Werkzeuge haben und auch die richtigen Fähigkeiten. Das muss alles klappen. Und da sind wir eigentlich ganz guter Dinge, dass wir das auch gut hinkriegen."

    Mit der Demontage des Reaktors allerdings ist es noch nicht getan. Frisch:

    "Wenn das alles fertig ist, wird das Gebäude wasserfrei gemacht. Und dann kommen wir in die Situation, dass alles genau detailliert freigemessen wird und Quadratmeter für Quadratmeter katalogisiert wird."

    Damit wollen die Experten feststellen, welche Teile des Gebäudes wie stark strahlen und ob sie endgelagert werden müssen oder nicht. Erst wenn alle strahlenden Teile entfernt sind, kann das Reaktorgebäude für die Abrissbirne freigegeben werden. Knut Frisch:

    "Wir rechnen insgesamt mit 300.000 Tonnen Abfällen, wobei etwa zehn Prozent aktive Abfälle sind, und 90 Prozent sind ganz normaler Abfall."

    Der größte Teil des Mülls strahlt schwach oder mittel. Er soll ab 2019 im Schacht Konrad endgelagert werden. Was bleibt, sind rund 1500 Tonnen hochaktiver Abfall. Sie werden bis auf Weiteres im Zwischenlager direkt neben dem Kraftwerk bleiben. Und dieses Zwischenlager dürfte noch einige Jahrzehnte stehen. Denn so lange dürfte es dauern, bis ein deutsches Endlager fertig ist. Dort aber, wo heute der Reaktor steht, soll in 20 Jahren nur noch grüne Wiese sein. Und das dürfte den Betreibern des Reaktors, den Energiekonzernen Vattenfall und E.ON, dann bis zu einer Milliarde Euro gekostet haben.