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Numerus clausus bremst Lehrernachwuchs

Heute ist der 15. UNESCO-Welttag des Lehrers. In Deutschland fehlen Hunderte Pädagogen. Und viele Studierende, die es werden wollen, fallen wegen des Numerus Clausus aus dem Berufsraster.

Von Bernd Dicks | 05.10.2009
    Für die Abiturientin Jeanette Gandlau aus Düsseldorf steht der Berufswunsch fest. Sie will Grundschullehrerin werden. Seit einem mehrtägigen Praktikum in ihrer alten Grundschule fühlt sich für die Arbeit mit den 6- bis 10-Jährigen berufen:

    "Ich komme sehr gut mit denen klar, ich mag es auch, dass sie in der Grundschule – wie das halt so ist – noch Spaß an der Schule haben, das würde ich gerne unterstützen. Und was für mich auch sehr wichtig ist, dass ich später Beruf und Familie sehr gut verbinden kann und dass funktioniert bei dem Beruf der Grundschullehrerin sehr gut, denke ich mal."

    Doch die 19-Jährige wird nach ihrem Abitur im kommenden Jahr mit großer Wahrscheinlichkeit keinen Studienplatz bekommen, da ihre Abiturnote mit 2,5 zu schlecht für eine direkte Zulassung an den Hochschulen in ihrer Umgebung ist.

    Janette ist kein Einzelfall, in Onlineforen tauschen sich viele junge Abiturienten aus, wo es welche Zulassungsbeschränkungen es in Form des Numerus clausus für ihr Wunschlehramtsstudium in Deutschland gibt und wo nicht.

    Für Peter Silbernagel, dem Sprecher der Nordrhein-Westfälischen Lehrerverbände, in der aktuellen Zeit ein Unding:

    "Das ist paradox und dafür habe ich absolut kein Verständnis. In Situationen, wo in vielen Bundesländern der Lehrermangel so eklatant groß ist, wie er jetzt ist, und wahrscheinlich auch noch steigen wird, müssen auch die Hochschulen flexibler reagieren. Sie können nicht einen Numerus clausus hochhalten, weil sie sich außerstande sehen – so die offizielle Lesart – die Kapazitäten zu erweitern, und dann den relativ 'wenigen' Kandidaten für ein Lehramt das Leben auch noch schwer machen."

    Sind also die Hochschulen die Schuldigen am Lehrermangel?

    Ulrich von Aleman, Prorektor für die Lehre an der Heinrich Heine Universität Düsseldorf, sagt Nein und verweist an die Politik, die vor etwa 20 Jahren den Universitäten, wie Düsseldorf, das Lehramt aufgrund von zu vielen Lehrkräften auf dem Markt abgenommen haben.

    Inzwischen denkt man aber auch in Düsseldorf wieder ganz offen über die Vor- und Nachteile einer Wiederaufnahme nach, so von Alemann:

    "Die Nutzen wären, wir würden Ausbildungsmöglichkeiten schaffen, wir würden neue Studierende gewinnen. Aber wir müssen an die Kosten denken und wir müssen an den Zyklus denken. Denn regelmäßig wechseln sich Lehrerschwämme und Lehrerbedarf voneinander ab, und wenn wir jetzt das Lehramtsstudium wieder einführen würden, würden wir erst in fünf bis sechs Jahren wieder Lehrer produzieren können, und es ist die Frage, ob dieser Lehrerbedarf da nicht schon wieder abgeebbt ist."

    Die zuständigen Ministerien für die Lehrerausbildung sehen sich nicht in der Schuld für den Lehrermangel. Andre Zimmermann vom NRW Wissenschaftsministerium, verweist darauf, dass es genug Studienplätze für Lehramtsanwärter gibt.

    Immerhin stehen beispielsweise in Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr 10.000 Rentner 15.000 potenzielle Lehramtsanwärter gegenüber:

    "Wir haben auch genug Absolventen aber nicht in allen Fächern. Und wenn man dann zum Beispiel bei Chemie, Physik, Mathematik schaut, wo vor allem an den Gymnasien, Realschulen und Hauptschulen nicht genug Lehrer da sind, da haben wir freie Studienplätzen fast überall in Nordrhein-Westfalen ..."

    Beim Grundschullehramt hingegen würde es eben eine zu große Nachfrage geben, deshalb auch die Zulassungsbeschränkung. Abiturienten wie Janette Gandlau sollen sich, so die Wunschvorstellung des Ministeriums, einfach ein anderes Fach oder eine andere Schulform aussuchen. Dies kommt aber für die junge Abiturientin nicht in Frage.

    "Ich wäre allerdings schon bereit, zwei Jahre auf mein Grundschullehramtsstudium zu warten. Was ich in der Zeit mache, überlege ich gerade, vielleicht eine Ausbildung, um die Zeit zu überbrücken."

    Doch auch nach einer Ausbildung wären ihre Chancen auf den Lehrerberuf wohl eher schlecht, da dann der doppelte Abiturjahrgang in NRW ansteht und die Universitäten vor lauter Abiturienten kaum noch Luft bekommen.
    Ob sie will oder nicht, trotz Lehrermangel wird für sie der Weg in ihren Traumberuf alles andere als einfach.