Donnerstag, 18. April 2024

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Nur eine Exzellenzuni im Osten
"Wir müssen den Aufholprozess beschleunigen"

Im Wettbewerb um den Status als Exzellenzuniversität hätten westdeutsche Hochschulen viele Jahre Vorsprung, sagte der Wissenschaftsminister von Sachsen-Anhalt, Armin Willingmann, im Dlf. Der sei aufholbar, allerdings nur durch zusätzliches Geld in den Wissenschaftsetats der Ost-Bundesländer.

Armin Willingmann im Gespräch mit Stephanie Gebert | 01.11.2019
Die Fakultät für Informatik der Technischen Universität in Dresden (Sachsen), aufgenommen am 18.02.2014.
Die Fakultät für Informatik der Technischen Universität in Dresden (Sachsen). Die TU Dresden ist die einzige ostdeutsche Exzellenzuniversität (picture-alliance / dpa / Arno Burgi)
Stephanie Gebert: Auch 30 Jahre nach dem Mauerfall gibt es ein klares Ost-West-Gefälle. Die fehlende Angleichung der Rente wird immer gern genannt, wir können das aber auch in der Wissenschaft beobachten. Armin Willingmann, was macht Ihnen als Wissenschaftsminister von Sachsen-Anhalt am meisten Sorgen?
Armin Willingmann: Wir müssen ganz nüchtern sagen, wer so viele Jahre Vorsprung oder Jahrzehnte Vorsprung hat wie die westlichen Bundesländer im Zusammenhang mit dem Aufbau einer Wissenschafts- und Forschungsinfrastruktur, der verliert diese Spitzenposition so schnell nicht, sondern wir müssen auch hier schauen, dass wir den Aufholprozess beschleunigen, und dass wir versuchen ranzukommen. Das gelingt ja mitunter auch, wenn sich der Landeshaushaltsgesetzgeber bekennt, indem Wissenschaftsetats durchaus wachsen, aber die Bäume wachsen da nicht in den Himmel. Man muss nüchtern sagen: Dort, wo aus Landesmitteln viel möglich ist, da ist auch mehr möglich als bei uns.
"Der Aufholprozess ist längst nicht abgeschlossen"
Gebert: Ich gieße ungern Wasser in den Wein, aber nehmen wir mal das Beispiel Exzellenzstrategie – ab heute fließt das Geld. Dabei ist nur die TU Dresden ausgezeichnet worden als ostdeutsche Universität. Sie hatten hinterher kritisiert, es sind vor allem die reichen Metropoluniversitäten, die damit gefördert werden. Also wird in Deutschland gefördert nach dem Motto, wer hat, dem wird gegeben?
Willingmann: Ja, wenn Sie das so biblisch versuchen wollen zu begründen – ich hatte nicht den Eindruck bei der Vergabe, dass das der leitende Gedanke war, aber er ist es de facto. In der Tat muss man sagen, dort, wo schon wissenschaftliche Qualität vorhanden, wissenschaftliche Exzellenz sich über Sonderforschungsbereiche, über Cluster über Jahre entwickelt hat, da kann man dann auch leichter im Rennen um die Exzellenzuniversität reüssieren. Und genau hier müssen wir ansetzen, da ist der Aufholprozess längst nicht abgeschlossen. Es ist gut, dass die TU Dresden dabei ist bei den Exzellenzuniversitäten, und es muss auch deutlich gemacht werden, das war keine, sagen wir, Gnadenentscheidung, sondern in einem Verfahren – wissenschaftsgeleitet – hat sich die TU Dresden auch gegen Mitbewerber aus anderen Bundesländern durchgesetzt. Insgesamt ist das natürlich zu wenig, wenn wir das Verhältnis Ost- und Westdeutschland uns anschauen.
Hochschulen besser aussstatten
Gebert: Allen anderen Hochschulen in den ostdeutschen Ländern geht damit ja nicht nur Millionenförderung verloren, sondern auch das Renommee, dass man wieder Spitzenforscher dann auch anlockt, die dann nicht zu ihnen an die Unis kommen. Sie sagen immer, Sie möchten den Vorsprung aufholen – lässt sich dieser Vorsprung überhaupt noch aufholen?
Willingmann: Na ja, man sollte die Flinte jetzt nicht ins Korn werfen, aber man muss natürlich schon sagen, das ist ein sehr, sehr langer Prozess, bis man das hin kriegt. Sie haben ja völlig recht, dort, wo bereits Spitzenforschung über Jahre und Jahrzehnte etabliert ist, da kommen die Spitzenwissenschaftler aus dem In- und Ausland gerne hin, da bilden sich Communitys. Das ist natürlich in Ländern, in den fünf neuen Bundesländern, bei denen man das aufholen muss, sehr viel schwerer, und dennoch gelingt es ja. Wir haben ja immerhin vier Exzellenz-Cluster in dem Auswahlverfahren zuvor errungen. Auch da ist unerfreulich, dass drei Bundesländer leer ausgegangen sind – mit Mecklenburg-Vorpommern, mit Brandenburg und auch wir in Sachsen-Anhalt waren nicht dabei, aber wir waren nur knapp nicht dabei. Ich denke, wenn man sich konsequent zu einer Wissenschaftsfinanzierung und zu einer weiteren besseren Ausgestaltung der Bedingungen der Universitäten bekennt, dann können wir diesen Aufholprozess zumindest beschleunigen.
Gebert: Wie wollen Sie das denn machen? Sie sind ja nun zuständig für die Wissenschaft in Sachsen-Anhalt, das ist ja auch kein neues Phänomen, dass die ostdeutschen Unis da zurückfallen. Was machen Sie ganz konkret?
Willingmann: Natürlich muss der Wissenschaftsminister die Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir bei den künftigen Wettbewerben – es geht ja weiter, 2026/2027 wird es eine neue Runde geben –, dass wir bei künftigen Wettbewerben noch etwas besser dabei sind. Das heißt, wir unterstützen unsere Universitäten beim Einwerben der Sonderforschungsbereiche – das sind ja sozusagen die Vorstufen der Exzellenz-Cluster –, und wir müssen schauen, dass wir insgesamt für Bemühungen um Exzellenz zusätzlich Mittel bereitstellen. Ich will das versuchen, Sie wissen, wir sind gerade in Haushaltsverhandlungen über den Doppelhaushalt 2020/2021, und eine Botschaft lautet dabei: Wir brauchen zusätzliches Geld im Wissenschaftsetat für diese Exzellenzbewerbungen. Man braucht da nämlich einen etwas längeren Atem, das kann man nicht ein, zwei Jahre machen und dann passiert was, sondern jetzt müssten wir mal fünf Jahre konsequent aufwachsend zusätzlich Geld reingeben.
Mehr Werbung im Ausland nötig
Gebert: Kommen wir noch mal zurück zum Ost-West-Gefälle, auch beim Führungspersonal sehen wir das als deutlichen Trend: 81 Universitäten gibt es in Deutschland, und keine der Hochschulen hat einen Rektor, eine Rektorin, die aus Ostdeutschland stammt. Was ist da los?
Willingmann: Nun, das sind ja in aller Regel öffentlich ausgeschriebene Stellen, auf die sich jedermann bewerben kann. Insoweit muss uns das natürlich betrüben, dass es so ein Befund ist, allerdings trage ich keine Sorge daran, dass alle diese 81 natürlich in einem ordnungsgemäßen Auswahlverfahren dort ins Amt gekommen sind. Die Rahmenbedingungen mögen aber tatsächlich begünstigen, dass das bei einem stark westdeutsch geprägten Personal auch leichter schon mal zu westdeutschen Kandidaten führt, ich will das nicht Apriori ausschließen. Man muss allerdings fairerweise auch sagen, ich schaue hier bei uns ins Land, an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften beispielsweise, an den Fachhochschulen, sieht es bei uns ganz anders aus. Wir haben vier an der Zahl, davon sind zwei Rektoren ostdeutscher Herkunft, eine dritte ist Französin, und nur der vierte kommt aus Westdeutschland. Also man kann es auch mitunter etwas milder betrachten.
Gebert: Wie milde sind Sie denn, wenn Sie sich die schrumpfenden Studierendenzahlen anschauen? Mal abgesehen von dem Anwerben ausländischer Studierender ist es ja tatsächlich so, dass Studien zeigen, dass es vor allem auch wieder die ostdeutschen Länder betrifft, wo die Studierendenzahlen zurückgehen.
Willingmann: Ja, das ist in jedem Falle unerfreulich. Es ist ein bisschen differenziert zu betrachten. Wir sehen das auch an den Hochschulen, dass es sehr unterschiedlich abläuft, aber der grobe Trend ist in etwa zu bestätigen. Da gibt es zwei Botschaften, die man damit als Wissenschaftsminister verbinden sollte: Zunächst mal bilden unsere Hochschulen im Moment immer noch deutlich mehr aus, als tatsächlich finanziell und budgetär untersetzt ist. Wir haben nach wie vor Überlasten an den Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften, sodass ein moderater Rückgang an dieser Stelle noch gar nichts Dramatisches wäre, sondern eher die mitunter beengten Verhältnisse entkrampft. Das Zweite ist natürlich, ja, wir müssen mehr werblich tun, und wir müssen vor allen Dingen mehr werblich in Richtung Ausland tun, um da auch dringend einem gelegentlich entstehenden Eindruck, dass man mit dem Fremden hier fremdelt, entgegenzuwirken. Wer anders als Universitäten und Hochschulen könnten das, und sie bemühen sich da redlich.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.