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Nur eine Übergangslösung für Demenzkranke

Gesundheitsminister Daniel Bahr hat in Berlin die Eckpunkte für die Pflegereform vorgestellt. Die nötige Erweiterung des Bedürftigkeitsbegriffs auf Demenzerkrankungen wird es vorerst nicht geben. Allerdings: Der FDP-Minister versprach "Übergangslösungen".

Von Andreas Baum | 16.11.2011
    Nun stehen zumindest die Eckpunkte der Pflegereform von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr, in den nächsten Monaten ist sein Ministerium gehalten, einen Gesetzentwurf auszuarbeiten. Schon heute ist klar, dass der Beitrag zur Pflegeversicherung leicht angehoben wird. Zum ersten Januar 2013 steigt er von 1,95 auf 2,05 Prozent, was für die Versicherten eine maximale Mehrbelastung von 3 Euro 82 im Monat bedeutet. Trotzdem bringt dieser Anstieg 1,1 Milliarden Euro – Daniel Bahr will einen besonderen Schwerpunkt auf demenzkranke Patienten und ihre Angehörigen legen. Die häusliche Pflege soll für sie erleichtert werden, im Übrigen soll der Pflegebedürftigkeitsbegriff durch einen Beirat genauer gefasst werden, weil er Demenzkranken bisher nicht gerecht wird.

    "Deswegen wollen wir mit den zur Verfügung stehenden Mitteln ganz gezielte Anreize setzen und Schwerpunkte legen insbesondere bei Menschen mit Demenzerkrankungen die bisher noch kaum Leistung aus der Pflegeversicherung bekommen."

    Außerdem will Bahr den Pflegeberuf attraktiver machen, die ambulante Pflege soll gestärkt werden, weil die Betroffenen in der Regel lieber zu Hause bleiben, anstatt in ein Heim zu ziehen. Nicht zuletzt will er Bürokratie abbauen und die Pflegekräfte von unnötigem Zeitdruck zu befreien.

    "Einer der Kritikpunkte, der mir immer wieder in Gesprächen vor Ort zu Ohren kommt, ist dass das starre Korsett der Minutenpflege, der starren Leistungspakete nicht den Bedürfnissen entspricht."

    Gesundheitsminister Bahr wird von allen Seiten kritisiert. So gibt es bei den Sozialverbänden große Zweifel, ob die 1,1 Milliarden Euro ausreichen. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles bemängelt, die Neufassung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs werde auf die lange Bank geschoben, wie dem Minister überhaupt der Vorwurf gemacht wird, recht langsam zu Werke zu gehen – was dieser freilich weit von sich weist.

    "Wir sind im Zeitplan. Ich möchte, dass in der Tat auch die Verbesserungen für die Pflegebedürftigen schon im nächsten Jahr wirksam machen. Ob das für alle Verbesserungen gilt, das müssen wir sehen."

    Auf drei Milliarden Euro beziffern Experten den wirklichen Bedarf in der Pflege, deshalb sollen die Deutschen nach Bahrs Vorstellungen bald zusätzlich privat vorsorgen – diese freiwillige Zusatzversicherung würde mit Steuergeldern gefördert. Der Deutsche Gewerkschaftsbund wendet allerdings ein, dass dies kaum mehr als eine Subvention von privaten Versicherungen bedeuten würde. Damit Angehörige nicht nur die finanziellen, sondern auch die praktischen Probleme lösen können, wird ab 2012 eine Familienpflegezeit eingeführt. Zwei Jahre lang können Angehörige zu Hause bleiben, um zu pflegen.