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Nur eine Verschleierungstaktik?

Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat erklärt, die islamische Burka, die Gesichter und Körper bedeckt, sei in Frankreich nicht willkommen. Sie sei ein Symbol der Erniedrigung und Unterwerfung der Frau. Nun berät ein parlamentarisches Untersuchungsgremium darüber.

Von Burkhard Birke | 29.06.2009
    Sie tragen Kopftücher, vereinzelt Schleier: Viele, vor allem jüngere muslimische Frauen sind ganz westlich gekleidet, wenn sie ihre Einkäufe auf den Wochenmärkten ihrer Wohnviertel erledigen. Ganz selten nur sieht man die Burka, die völlige Verhüllung, oder den Niqab, der den Kopf verhüllt und nur einen Sehschlitz für die Augen offen lässt.

    "Jeder macht, was er will, trägt einen Schleier oder nicht, versteckt sich, versteckt sich nicht, das gehört doch zur Meinungsfreiheit...",

    ... meint diese junge Muslimin, aber es gibt natürlich auch andere Stimmen:

    "Ich akzeptiere die Burka, aber ich selbst würde sie nie tragen, wenn man mit jemandem spricht, sollte man doch mindestens sein Gesicht sehen."

    ""Die müssten sich so wie wir kleiden.""
    Das zu prüfen wird nun Aufgabe eines 32-köpfigen Sondierungsausschusses der Assemblée Nationale sein. Das haben die Fraktionschefs des Parlamentes auf Antrag des kommunistischen Abgeordneten Gerin beschlossen, nur einen Tag nachdem Präsident Nicolas Sarkozy in seiner erste Rede vor dem Kongress in Versailles zum Thema Stellung bezogen hatte:

    "Die Burka ist kein religiöses Zeichen, sondern eines der Erniedrigung der Knechtschaft. Ich sage es ganz förmlich: Sie wird auf französischem Gebiet nicht willkommen sein."

    Nicht willkommen bedeutet längst nicht verboten! Man bemerke die Wortwahl des Präsidenten. Denn zum einen sind angesichts der strikten Trennung von Religion und Staat im laizistischen Frankreich nicht nur das Kopftuch, sondern auch die Kippa oder große Kreuze aus dem öffentlichen Raum wie zum Beispiel Schulen schon längst verbannt. Zum anderen darf der Präsident der Findungsmission des Parlamentes nicht vorgreifen. Selbst innerhalb der Regierung gibt es durchaus unterschiedliche Meinungen. Zwei Ministerinnen aus der Immigration, Fadela Amara und Rama Yade befürworten ein generelles Verbot im Gegensatz zu Eric Besson. Der für Einwanderung zuständige Minister kann sich nicht vorstellen, das Tragen der Burka per Gesetz untersagen zu lassen.

    Durch Bildung, durch Unterrichtung, auf dem Weg des Dialogs muss aus Sicht des ehemaligen Sozialisten das vermeintliche Problem gelöst werden. Zwei Fragen sind entscheidend: Tragen die Frauen die Burka freiwillig oder werden sie dazu gezwungen? Verstoßen sie damit gegen die Gesetze der Republik, die auch und gerade die Würde der Frau festschreiben?
    Ein generelles Vermummungsverbot existiert jedenfalls nicht. Probleme wie bei Bankgeschäften oder Behördengängen ließen sich lösen: Wobei gerade in Burkas gehüllte Frauen eher nicht diejenigen sind, die Bankgeschäfte erledigen. Das entspricht nicht ihrer Rolle bei den Fundamentalisten, deren Zahl auf
    30 000 von insgesamt nahezu 6 Millionen Muslimen in Frankreich geschätzt wird. Zwischen 5000 und 10 000 Frauen tragen vielleicht die Burka oder den Niqab in Frankreich: Eine Minderheit! Und in kritischen Vierteln wie Bassens in Marseille hat man wirklich andere Sorgen

    "Ratten schlafen hier bei uns. Die Wohnungen sind verwahrlost. Um uns herum gibt es 800 Unternehmen, die die Jugendlichen aus unserem Viertel nicht einstellen. Die Fabriken, wo die Väter gearbeitet haben, machen dicht, reden Sie darüber, Sarkozy, bringen Sie Lösungen und hören Sie auf über die Burka zu sprechen – das interessiert uns nicht – die Burka tut uns doch nichts!"

    Schéhérazade Ben Messaoud weiß wovon sie spricht. Sie ist im einstigen Elendsviertel geboren und aufgewachsen. Heute arbeitet sie mit ihrer Organisation Made für bessere Lebensbedingungen. Die Burka ist das letzte was der gläubigen Muslimin als Problem aufgefallen wäre.