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Nur noch Muttersprachen-TV

Nach französischem Vorbild wollen jetzt auch die Slowaken ihre Muttersprache in den heimischen Medien schützen. Ein neues Gesetz, das im Januar in Kraft tritt, fängt beim Fernsehen an und verbietet kurzerhand fremdsprachige Filme. Die Sender befürchten immense Folgekosten.

Von Kilian Kirchgeßner | 15.12.2007
    James Bond rettet die Welt auch auf Tschechisch. Für die Fernsehzuschauer werden die Film-Abenteuer des britischen Geheimagenten synchronisiert - genau so, wie alle anderen ausländischen Produktionen auch, die in Tschechien zu sehen sind. Bislang lohnte sich die Übersetzung für die Fernsehsender auch wirtschaftlich, weil sich die TV-Stationen in der benachbarten Slowakei an den Kosten beteiligten. Sie zeigten die Filme einfach auch auf Tschechisch. Die beiden Sprachen sind eng miteinander verwandt. Verständnisprobleme gab es eigentlich nie, meint Sona Ulicna vom Kulturministerium in Bratislava.

    "Die ältere Generation kommt mit dem Tschechischen ganz ohne Probleme klar. Das sind die Menschen, die noch in der gemeinsamen tschechoslowakischen Republik aufgewachsen sind. Seit sich unsere beiden Länder kurz nach der Wende getrennt haben, bereitet das Tschechische aber gerade Kindern und Jugendlichen zunehmend Schwierigkeiten."

    Das slowakische Kulturministerium plant deshalb eine neue Regelung. "Novelle des audiovisuellen Gesetzes" heißt das Papier, das die Fernsehlandschaft grundlegend umkrempeln wird. Künftig reicht die tschechische Synchronisation für das slowakische Fernsehen nicht mehr aus, es dürfen nur noch Filme mit slowakischer Übersetzung gesendet werden. Ausgerechnet am ersten Januar soll das Gesetz in Kraft treten, exakt zum 15. Jahrestag der tschechoslowakischen Teilung. Einen Zusammenhang mit dem symbolträchtigen Datum weist man im Kulturministerium allerdings weit zurück. Sona Ulicna:

    "Wir wollen einfach unsere Staatssprache kultivieren. Schon heute trifft man häufig auf falsches Slowakisch in der Öffentlichkeit. Wir finden, dass zumindest in den Medien die Sprache korrekt gesprochen werden sollte. Das Gesetz richtet sich also überhaupt nicht gegen das Tschechische, sondern soll eine Hilfe für unsere eigene Sprache sein."

    Der Aufwand für die Fernsehsender ist erheblich. Die alten Programmbestände dürfen sie zwar weiterhin verwenden, alle neuen Filme aus dem Ausland allerdings müssen sie eigens synchronisieren lassen, in einem Land mit gerade einmal fünf Millionen Einwohnern.

    An einer der großen Ausfallstraßen in der Hauptstadt Bratislava steht das markante Hochhaus des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Zwei Programme werden von hier aus in die ganze Slowakei ausgestrahlt. Rund 100 Stunden der monatlichen Sendezeit machten die tschechischsprachigen Filme bislang aus. Künftig muss sich das ändern. Die Mehrkosten für die Sender sind erheblich: Bis zu 30 Euro kostet die slowakische Synchronisation für jede einzelne Minute. Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern überlegt man bereits, wo sich Geld einsparen lässt, sagt Zelmira Habanova vom slowakischen Fernsehen:

    "Die Rundfunkgebühren werden nicht steigen, zumindest am Anfang nicht. Die Kosten müssen wir irgendwie anders auffangen. Wir planen deshalb, künftig unseren eigenen Produktionen mehr Raum zu geben und damit gleichzeitig die slowakischen Künstler zu unterstützen. Das ist eine unserer Prioritäten."

    Das Gesetz, das private Sender ebenso betrifft wie die öffentlich-rechtlichen Anbieter, wird heftig kritisiert. Es vertiefe den Graben zwischen Tschechen und Slowaken und das, obwohl beide Seiten bislang so stolz darauf waren, dass sie trotz der Staatsgrenze einen gemeinsamen Kulturraum bilden. Der Historiker Jan Rychlik, der an der Prager Akademie der Wissenschaften die Trennung der Tschechoslowakei erforscht, beobachtet eine schleichende Distanzierung zwischen beiden Ländern. Hinter dem neuen Gesetz in der Slowakei allerdings stünden ganz andere Interessen, urteilt er:

    "Das ist der Erfolg von bestimmten Lobby-Gruppen, und ich kann das gut verstehen. Eine Reihe von Leuten wird damit gutes Geld verdienen, ein und denselben Film erst ins Tschechische und dann ins Slowakische zu übersetzen. Das hat nichts mit kulturellen Aspekten zu tun, das ist einfach ökonomischer Unfug."