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Nutzen und Risiken abwägen

Brustkrebs ist hierzulande die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Dementsprechend gibt es seit 2005 ein Massenscreening für Frauen zwischen 50 und 69 Jahren. Etwa die Hälfte nutzt das Angebot. Die US-Radiologengesellschaft aber fordert einen deutlich früheren Start der Vorsorgeuntersuchungen.

Von Heike Zafar | 06.12.2011
    "Ganz locker stehen, jetzt Kompression, sagen Sie, wenn's nicht mehr geht, noch okay vom Druck?"

    Mammografiezentrum der Universitätsklinik Münster: Petra Weber ist zur Vorsorgeuntersuchung gekommen, ihre rechte Brust liegt eingeklemmt zwischen zwei Platten.

    Drei Mal noch muss sie die Prozedur über sich ergehen lassen, jede Brust wird von oben und von der Seite durchleuchtet.

    "Es ist nicht das Angenehmste, aber angenehmer als Zahnarzt auf alle Fälle."

    Früherkennung kann Leben retten, sagen auch die Ärzte: Seit 2005 werden in Deutschland alle Frauen, die wie Petra Weber gerade 50 geworden sind, routinemäßig zur Mammografie eingeladen. In wenigen Wochen soll der zweite Ergebnisbericht auf Bundesebene vorgestellt werden. Professor Walter Heindel, Leiter des Mammografie Zentrums in Münster, zieht schon jetzt vorläufige Bilanz:

    "Vorab kann ich jetzt sagen, dass mehr als ein Drittel der in der Früherkennung entdeckten Karzinome einen Tumordurchmesser von weniger als einem Zentimeter hat und bei Dreiviertel der Frauen, die mit der schrecklichen Diagnose konfrontiert werden, sind die Lymphkonten nicht befallen, das heißt, dass diese Frauen geheilt werden können."
    Heilung häufig sogar ohne Chemotherapie und ohne Brustamputation - so Professor Heindel - und darum müsse jetzt darüber nachgedacht werden, ob das Reihenscreening nicht schon vor dem 50. Lebensjahr sinnvoll sei:

    "Die schwierige Frage ist für die Gesellschaft zu entscheiden, welche Grenze akzeptieren wir für Früherkennung. Meine persönliche Abschätzung wäre, dass das ab 45 vertretbar wäre."

    Das Problem dabei ist, dass es gerade bei unter 50-jährigen Frauen schneller zu falschen positiven Befunden kommt.

    "Und da muss man abwägen, ist das eine vertretbare Verbesserung für die einzelne Frau oder ist der Unterschied für die potenziell zu rettende Frau im Vergleich zu den vielen, die man mit untersucht, die dann auch ein Risiko tragen durch Röntgenuntersuchung, ist das guten Gewissens vertretbar."

    Die amerikanische "Radiological Society oft North America", bei der über 40.000 Radiologen organisiert sind, hat das für sich schon entschieden: Ein flächendeckendes Mammografie-Screening sollte schon für Frauen ab 40 beginnen, Egal, ob sie eine familiäre Vorbelastung haben oder nicht, so die Forderung. In Deutschland ist man da etwas vorsichtiger: Frauen unter 45 haben noch deutlich dichteres Brustgewebe als ältere Frauen, darum müsste man - für eine sichere Diagnose - die Brust sogar jedes Jahr den Röntgenstrahlen aussetzen, sagt Professor Walter Heindel:

    "Auch in Deutschland war man sich früh bewusst, dass Screening Nutzen bringen kann, aber auch potenzielle Gefahren mit sich bringt."

    Die Ärzte in Münster würden sich übrigens wünschen, dass das Mammografie-Screening, wie in England, bis zum 75. Lebensjahr ausgeweitet wird.

    Bis darüber entschieden ist, kann es noch lange dauern. Die Ärzte wollen jetzt erst mal das Image des Mammografie-Screenings verbessern: Bislang nimmt nur etwas mehr als die Hälfte aller Frauen die Einladung zum Mammografie-Screening an, in ländlichen Regionen sind es etwas mehr, in Städten etwas weniger.

    Petra Weber aus Münster kann das nicht nachvollziehen, für sie keine Frage, dass sie in zwei Jahren wieder zum Screening kommt.

    "Weil's immer besser ist, die Chance wahrzunehmen, als später zu sagen, hätte ich mal."