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Nutzerbedürfnisse beim Kartenlesen

Geographie. - Landkarten vermitteln eine Solidität der Darstellung, die nicht immer gerechtfertigt ist. Dann nämlich, wenn Teile der Karten auf unsicheren oder veralteten Geodaten beruhen. Zwei Forscher aus Hamburg und Vechta haben nun untersucht, ob sich diese unsicheren Daten dem Nutzer gegenüber kommunizieren lassen – und wie wünschenswert das prinzipiell ist. Das Ergebnis wurde auf der Internationalen Kartographie Konferenz vorgestellt, die diese Wochen in Dresden stattfindet.

Von Thomas Gith | 29.08.2013
    Karten können ganz unterschiedliche Inhalte darstellen: Topographische Karten bilden das Gelände ab, thematische Karten etwa das Wetter oder die Nutzung von Landflächen. Wichtig ist dabei, dass die dargestellten Inhalte stimmen – und dass sich die Nutzer auf die Karte verlassen können. Das allerdings ist nicht immer der Fall, erläutert Geoinformatiker Jochen Schiewe von der Hamburger Hafen City Universität. Denn Karten können mit Unsicherheiten behaftet sein.

    "Das sind zum einen klassischer Weise wie wir sagen geometrische Unsicherheiten. Also liegt der Ort, liegt das Gebäude tatsächlich da, wo es in der Karte auch dargestellt wird. Es gibt aber auch so genannte thematische Unsicherheiten, ist in dem Gebäude, auf dem McDonalds steht, auch tatsächlich immer noch McDonalds drin. Dann gibt es noch temporale, zeitliche Unsicherheiten, wie verändert sich irgendetwas, irgendeine Nutzung im Laufe der Zeit, was man ja auch nicht immer in einer Karte abbilden kann."

    In konventionellen Karten werden solche Unsicherheiten bisher kaum dargestellt. Offizielle topographische Karten weisen dabei in unseren Breitengraden allerdings eine oft hohe Genauigkeit auf. Thematische Karte, die etwa das Wetter visualisieren, können da eher mit Unsicherheiten behaftet sein. Bei wichtigen Entscheidungen, die auf Grundlage solcher Karten getroffen werden, ist das unter Umständen folgenreich. Schiewe:

    "Zum Beispiel wenn es um die Ausbreitung von Stürmen, von Unwettern geht, ist es natürlich schon von Interesse, wie sicher es ist, dass an einer Stelle tatsächlich der Sturm auch auftritt. Das hat dramatische Folgen für die Bevölkerung, das hat wichtige Folgen für die Leute, die Evakuierungen veranlassen müssen. Von daher wäre es natürlich schon wichtig, diese Informationen zu haben. Aber das findet eben sehr, sehr selten statt."

    Wer also auf Grundlage einer Karte Entscheidungen trifft, muss der Darstellung vertrauen – und ungenaue Darstellungen können das Vertrauen in eine Karte ruinieren. Zusammen mit einem Psychologen untersuchte Jochen Schiewe daher zunächst, welche Faktoren das Vertrauen in eine Karte grundsätzlich beeinflussen. Das Ergebnis: Die Quelle ist enorm wichtig. Getraut wird vor allem der amtlichen Kartographie. Und: Die Aktualität der Karte ist zentral.

    "Wobei wir das festgestellt haben, dass diese Aktualität oftmals nur unreflektiert wahrgenommen wird. Also in anderen Worten: Da ist eine Internetkarte, die muss einfach aktuell sein. Was oftmals eben nicht der Fall ist."

    Eine Forschungsfrage war jetzt, ob die Kennzeichnung von unsicheren Daten das Vertrauen in Karten grundsätzlich erhöhen kann. Die Forscher differenzierten dabei unter anderem zwischen dem Anlass, aus dem heraus eine Karte genutzt wird, und den kartographischen Vorkenntnissen der Nutzer. Das Ergebnis: Je riskanter die Entscheidung ist, die auf Grundlage einer Karte getroffen wird, desto wichtiger ist es zu wissen, wie sehr man der Darstellung vertrauen kann.

    "Es gibt verschiedene Szenarien, wo wir eben getestet haben, unterschiedliche Risiken, die damit verbunden sind, mit der Nutzung einer Karte. Das einfachste ist eben noch die Planung einer Urlaubsreise. Ein bisschen kniffeliger wird es dann schon, wenn ich die Reise zu einem Vorstellungsgespräch plane oder, ganz am anderen Ende, wenn es um Hochwasserereignisse vor meiner eigenen Haustür geht."

    Während etwa ein Umweg auf der Urlaubsreise nicht zwingend schwere Folgen hat, können die durch einen nicht leergeräumtem Keller bei Hochwasser sehr wohl entstehen. Die Forscher fanden heraus, dass sich professionelle Kartennutzer den mit Karten verbundenen Risiken bewusster sind als Laien. Grundsätzlich stimmen beide aber in einem überein. Jochen Schiewe.

    "Generell wurde die Kommunikation von Unsicherheiten als notwendig bewertet, dass so etwas natürlich sinnvoll ist. In der tatsächlichen Umsetzung gibt es allerdings Probleme. Und da haben wir den Probanden auch verschiedene Methoden mal vorgelegt, verschiedene Visualisierungsformen vorgelegt und haben dann festgestellt, da gibt es durchaus Interpretationsprobleme."

    Denn die Kommunikation solcher Unsicherheiten in Karten ist bisher unüblich – und ein gutes und verständliches Modell gibt es dafür noch nicht. Große Forschungsfrage ist daher jetzt, wie die Darstellung von Unsicherheiten aussehen kann - um dann auf dieser Grundlage möglichst sichere Entscheidungen aus Karten ableiten zu können.