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"Obama hat einfach nicht angebissen"

Die letzte Fernsehdebatte zwischen den US-Präsidentschaftskandidaten ging laut ersten Umfragen eindeutig an den Demokraten Barack Obama, der damit auch Favorit für das Präsidentenamt ist. Susanna Capelouto, Nachrichtenchefin beim Georgia Public Radio, schränkt ein: Obama kann am 4. November nur gewinnen, wenn er es schafft, einen traditionell republikanischen US-Südstaat wie Georgia zu gewinnen.

Susanna Capelouto im Gespräch mit Friedbert Meurer | 16.10.2008
    Friedbert Meurer: John McCain und Barack Obama, sie haben sich heute Nacht bis vor etwa einer halben Stunde das dritte und ihr letztes Fernsehduell vor der Präsidentschaftswahl, die am 04. November kommen wird, geliefert. In den Umfragen führt Obama ja zuletzt deutlich gegenüber seinem Konkurrenten McCain. Die Finanzkrise, der beinahe oder tatsächliche Zusammenbruch von Banken in der Wall Street hat den Demokraten ganz offensichtlich Oberwasser gegeben, was nicht heißt, dass die Wahl schon gelaufen wäre. Vielleicht hängt sie auch ab von dem Verlauf des TV-Duells heute Nacht.
    In Georgia im Bundesstaat Atlanta begrüße ich Susanna Capelouto. Sie ist Nachrichtenchefin des US-Hörfunksenders Georgia Public Radio. Das gehört zum National Public Radio (NPR). Mancher mag das kennen. Guten Morgen, Frau Capelouto, nach Atlanta.

    Susanna Capelouto: Guten Morgen!

    Meurer: War für Sie jemand der beiden, John McCain oder Barack Obama, der Sieger des Abends, des TV-Duells?

    Capelouto: Es war wohl John McCains beste Debatte von allen drei Debatten. Ich glaube, das Format, wo die Kandidaten an einem Tisch sitzen, scheint ihm besser zu stehen als dieses town hall Format der letzten Debatte, wo sie auf der Bühne hin- und hergelaufen sind. Aber es ist nicht klar, ob McCains Präsentation genug war, um die Meinung zu ändern. McCain hat versucht, Barack Obama anzugreifen. Er hat zweimal sogar versucht, Rassenpolitik in die Debatte einzubringen. Aber Obama hat einfach nicht angebissen. Obama hat wieder sehr gemessen geantwortet. Dafür ist er jetzt bekannt. Er ist cool. Er denkt viel nach. In dieser Debatte, glaube ich, hat Obama am Ende dann doch vielleicht gewonnen.

    Meurer: Sie haben gerade gesagt, Frau Capeoluto, John McCain hat zweimal die Rassenpolitik angesprochen. Wie hat sich das angehört?

    Capelouto: Er hat es versucht. John Lewis ist ein Kongressabgeordneter aus Georgia und der hat am Wochenende die McCain-Kampagne mit dem Gouverneur Wales in Alabama während des civil rights movements verglichen. McCain hat gesagt, das sei nicht wichtig, das wäre zu stark, sie wären nicht rassistisch. Das kam aber von einem Schwarzen aus Atlanta, dem John Lewis, und John Lewis war mit Martin Luther King bekannt. Während der Debatte hat McCain Obama gefragt, was er denn davon hält, was John Lewis gesagt hat, dass das doch zu stark sei, und Obama ist nicht richtig darauf eingegangen. Er hat gesagt, wenn er sich mit John Lewis über den Ton der Kampagne unterhalten wollte, dann sollte er doch John Lewis fragen. Obama ist einfach nicht darauf eingegangen. Es war praktisch so: Er wollte ihn in eine Rassendiskussion einbringen, aber Obama hat sehr cool und gemessen geantwortet.

    Meurer: Diese Rassendiskussion, Frau Capelouto; hier bei uns in Deutschland wird im Augenblick darüber diskutiert, dass Obama eigentlich, wenn alles glatt läuft, es keinen Terroranschlag gibt, keine außenpolitische Krise, der klare Favorit jetzt für die US-Präsidentschaftswahl ist. Kann ihn allerdings doch noch stoppen der mögliche Umstand, dass weiße Wähler der Mittelschicht einen farbigen Amerikaner nicht bereit sein werden zu wählen?

    Capelouto: Es kann sein, aber die Sache mit Obama ist: er hatte weiße Großeltern. Er ist unter Weißen aufgewachsen. Deswegen ist er nicht ganz schwarz, wie die meisten Schwarzamerikaner. Für Schwarzamerikaner ist er aber grundsätzlich das schwärzeste, was es überhaupt als Präsident gibt, und sie werden auch alle für Obama abstimmen.
    Den jüngeren Weißen ist es eigentlich ganz egal, ob er weiß oder Schwarz ist. Die gehen wirklich darauf ein: wir brauchen eine Veränderung, die Republikaner hatten acht Jahre, wir brauchen was Neues. Für ältere Amerikaner ist es teilweise schwer und ich glaube viele suchen nach Gründen, nicht für Obama abzustimmen. Die Republikaner wählen sowieso McCain. Das ist der einzige, den sie haben. Abe ich glaube, diese Mittelwähler, diese Mittelschicht, wie Sie sagen, für die ist Rassismus oder die Hautfarbe wohl ein Faktor. Es kommt aber darauf an, denn die Wirtschaft, die Wirtschaftskrise ist stärker als die Frage der Hautfarbe. Viele werden nach ihrem Geld wählen und nicht unbedingt nach der Hautfarbe.

    Meurer: Nun gibt es ja den Spruch in den USA, wer die Wahl gewinnen will, die Präsidentschaftswahl, muss zumindest teilweise in den Südstaaten gewinnen. Nun sind in den Südstaaten aber traditionell die Republikaner stark. Wie sind denn die Chancen von Obama in den Südstaaten?

    Capelouto: Das ist sehr interessant. In den Südstaaten sind 30 Prozent oder ein Drittel der Bevölkerung Schwarzamerikaner. Die Staatsregierungen bestehen jedoch überwiegend aus weißen Republikanern. Es gibt aber einige Staaten wie North Carolina, wo man hier im Obama-Camp in Georgia nicht genau weiß, wie sie sich verhalten. Es scheint immer noch, dass McCain sehr stark ist. Aber hier in Georgia sind jetzt 40 Prozent die Neuwähler und junge Wähler und man sagt, dass diese alle für Obama sind. Die Umfragen befragen nicht unbedingt die Neuwähler und die fragen nicht die jungen Wähler. Deswegen sagt man, es könnte sein, dass Obama sogar so einen Staat wie Georgia gewinnen könnte. Man weiß es nicht genau. Man weiß aber, Obama braucht unbedingt einen Südstaat. Ob es Virginia wird oder ob es North Carolina wird, einer der Südstaaten muss es sein. Er braucht ihn einfach der Anzahl wegen, denn ohne die Südstaaten ist seit Jimmy Carter keiner Präsident in den USA geworden.

    Meurer: Wir sprachen über das dritte TV-Duell und den Wahlkampf in den USA mit Susanna Capelouto. Sie ist die Nachrichtenchefin von Georgia Public Radio. Schönen Dank und auf Wiederhören nach Atlanta.