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Obdachlosigkeit im Winter
Suppe essen und Gutes tun

Die kalte Jahreszeit ist da. Für Menschen ohne Wohnung ist der Winter schlimm. Viele Berliner Restaurants versuchen zu helfen, indem sie Suppen für einen Euro mehr verkaufen - und diese Mehreinnahmen der Berliner Tafel spenden. Die Aktion, die ursprünglich aus Österreich kommt, macht langsam Schule.

Von Anja Nehls | 01.11.2019
Bedürftige Menschen in der Wohnungslosen-Tagesstätte "Warmer Otto" der Berliner Stadtmission, im Vordergrund ist eine Tasse zu sehen.
Im Winter sind Notunterkünfte und Tafeln für Menschen ohne Obdach noch wichtiger als sonst. (picture alliance / dpa / Britta Pedersen)
In dem kleinen gemütlichen Hofcafé Mutter Fourage in Berlin Wannsee kostet die Kürbiscremesuppe mit Kokosmilch, frischem Koriander und Limette ab heute 7,50 Euro, der grüne Erbseneintopf mit Räuchertofu, genauso wie der Eintopf mit Wirsing und weißen Bohnen jeweils 8 Euro. Das ist bei jeder Suppe ein Euro mehr als normalerweise – und das hat seinen Sinn, sagt Sabine Werth von der Berliner Tafel, die die Idee dazu hatte:
"Wir werben darum, dass in Restaurants möglichst ein Gericht, meistens eine Suppe, aber es kann auch ein anders Gericht sein, für einen Euro mehr als normal auf der Karte angeboten wird und dieser Euro dann an uns gespendet wird."
Zahlreiche Restaurants machen mit
Auch das Holiday Inn am Alexanderplatz, das Café Einstein und die Weinbar Rutz in Mitte oder die Ankerklause in Neukölln machen mit bei der Aktion "Suppe mit Sinn" für die Berliner Tafel. Die Tafel rettet allein in der Hauptstadt jeden Monat 660 Tonnen Lebensmittel von Händlern und aus Supermärkten, bevor sie in der Abfalltonne landen. Die Lebensmittel werden dann an soziale Einrichtungen und Bedürftige verteilt. Sinnvoll, findet Heribert von Reiche, der gemeinsam mit seiner Frau im Mutter Fourage nicht nur ein Café, sondern gleichzeitig auch einen Hofladen mit frischem Obst und Gemüse aus biologischem Anbau betreibt. Auch er setzt sich seit Jahren für Wertschätzung und gegen die Verschwendung von Lebensmitteln ein. Seine Suppen haben deshalb sogar einen doppelten Sinn:
"Wir könnten den Laden alleine gar nicht machen, mit üblicherweise 30 bis 40 Prozent Verlust bei den Frischeprodukten. Nicht wegen des Verlustes, sondern, weil wir die Ware nicht wegschmeißen wollen. Die ist ja nicht schlecht, sondern die kommt in die Küche und der Rest wird so tatsächlich verwertet. Und manchmal bestimmt dann eben der Laden die Tageskarte."
Gesellschaftliche Verantwortung hat jeder
Dann entsteht die Kürbiscremesuppe vielleicht aus einem Kürbis, der an diesem Tag nicht verkauft wurde – und einen Euro bringt sie noch zusätzlich für die Aktion Suppe mit Sinn. Die Aktion Suppe mit Sinn gibt es nun im siebenten Jahr. Mutter Fourage war bereits mehrmals mit dabei. Auf der Speisekarte weist Heribert von Reiche auf sein Engagement hin, fast alle Gäste reagierten bisher positiv - bis auf eine einzige Kundin:
"Die sagt, das ist ja unverschämt und das ist ja Zwangsspende, niemand wird zu irgendwas gezwungen, wir haben so viel andere Produkte drauf. Wer sich der gesellschaftlichen Verantwortung, die wir alle innehaben, entziehen will, der kann das gerne tun und was anderes aussuchen."
Spenden gehen an Notunterkünfte
Im vergangenen Jahr kamen bei Mutter Fourage 900 Euro für die Tafel zusammen, obwohl einen ganzen Monat geschlossen war. Sabine Werth möchte das Spendengeld für die Versorgung von Obdachlosen einsetzen:
"Mit dem Geld, das wir auf die Art und Weise zusammen bekommen, und das waren im vergangenen Jahr immerhin 40.000 Euro, unterstützen wir unsere Arbeit für die Kältehilfe, für die Notunterkünfte, für die Nachtcafés und die Wärmestuben. Weil es ganz wichtig ist, dass da möglichst regelmäßig genügend Lebensmittel hin geliefert werden."
Die Suppe mit Sinn gibt es von November bis März in über 100 Restaurants in Berlin. Ideengeber für die Aktion ist die Tafel in Wien, die die Winterhilfsaktion schon seit 2008 durchführt. Seit vier Jahren gibt es die Suppe mit Sinn in ganz Österreich.