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Oberlandesgericht München
Mit transparentem Kirchenasyl legal in Deutschland

Macht sich ein Asylbewerber strafbar, wenn er in ein Kirchenasyl geht? Mit dieser Frage hat sich zum ersten Mal ein Oberlandesgericht in Bayern beschäftigt - und in seinem Urteil die Position der Kirchen gestärkt.

Von Tobias Krone | 03.05.2018
    Die Staatsanwaltschaft München war in Revision gegangen gegen einen Nigerianer, der im Münchner Vorort Freising mehrere Monate im Kirchenasyl verbracht hatte, dann wegen illegalen Aufenthalts angeklagt und in erster Instanz freigesprochen worden war. Das Urteil gab ihm nun Recht, wenn auch mit Einschränkungen. Gerichtspressesprecher Florian Gliwitzki:
    "Der Senat hat den Freispruch des Amtsgerichts Freising bestätigt. Zugleich hat er deutlich gemacht, dass ein Kirchenasyl in Deutschland nicht existiert und vom Staat nicht anerkannt werden kann."
    Das Gericht bestätigte damit die allgemeine rechtliche Auffassung: Kirchenasyl verhindert keine Abschiebung. Die kirchlichen Gemeinden könnten weder eine Duldung für abgelehnte Asylbewerber erzwingen, noch Abschiebungen rechtlich aufheben. Auch wenn bisher noch nie Polizisten gewaltsam auf Kirchengelände aufmarschiert sind, um dieses ausschließliche Recht des Staates durchzusetzen. Insofern vordergründig betrachtet nichts Neues. Aus Sicht des Gerichts ist Evans I. ein Einzelfall:
    "Der Senat hat den Freispruch des Gerichts nur deswegen bestätigt, weil das Bundesamt für Migration eigeninitiativ entschieden hat, erneut zu prüfen, ob der Ausländer abzuschieben ist oder ob Abschiebehindernisse bestehen."
    In Übereinkunft mit den Behörden geregelt
    Diese Begründung wiederum ist neu - und macht all denjenigen Mut, die sich in Deutschland für Kirchenasyle einsetzen. Das Kirchenasyl ist zwar nicht rechtlich, aber in Übereinkunft mit den Behörden seit 2015 klar geregelt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hatte sich mit den Kirchen damals auf eine einheitliche Vorgehensweise geeinigt. Der verteidigende Anwalt Franz Bethäuser:
    "Wenn ein solches Kirchenasyl gemeldet wird, wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind für dieses Dossier, wenn die Prüfung beginnen kann, dann prüft das Bundesamt von sich aus noch einmal nach dieser Vereinbarung die Frage: Ist die Entscheidung - in dem Fall war es die Frage: Überstellung nach Italien - rechtlich zulässig, in Ordnung oder nicht."
    In diesem Fall hatten sich der nigerianische Asylsuchende und die Kirchengemeinde korrekt verhalten, das Kirchenasyl noch am selben Tag dem Bundesamt und der Bundespolizei gegenüber offengelegt - und nötige Unterlagen eingereicht. Das BAMF bestätigte daraufhin, dass es den Fall erneut prüfen würde. Mit diesem Akt habe der Geflüchtete Evans I. automatisch eine Duldung bekommen, so die Verteidigung - und sei seitdem nicht mehr illegal in Deutschland. Der Richter hat das heute bestätigt.
    "Das Oberlandesgericht hat mit der Entscheidung deutlich gemacht, dass Entscheidungen des Bundesamtes für Migration, nämlich die Entscheidung eine Einzelfallprüfung noch einmal vorzunehmen, Auswirkungen auf die Strafbarkeit eines Ausländers haben. Und somit auch von der Staatsanwaltschaft und den Strafgerichten Beachtung finden müssen."
    Damit ist klar: Wer sich beim Kirchenasyl gegenüber BAMF und Bundespolizei transparent verhält, ist nicht illegal in Deutschland. Die Kirchen haben damit ein Stück weit Rechtssicherheit gewonnen. Das freut die anwesenden Kirchenvertreter, wie die Rechtsanwältin des Katholischen Büros Bayern Bettina Nickel:
    "Die Zunahme von Kirchenasylfällen geht seit 2013. Seit 2015 haben wir die Vereinbarung und seit – ich glaube so Ende 2016 begannen ja vermehrt die Strafverfahren zum einen gegen die Flüchtlinge, als auch die Ermittlungsverfahren gegen die hauptamtlichen Kirchenmitarbeitenden. Also seither haben wir eigentlich auf eine Klärung irgendwann gehofft. Und dazu trägt dieses Urteil mit Sicherheit jetzt bei."
    Strafbarkeit der Geistlichen?
    Offen bleibt aber die Frage, ob Kirchenmitarbeiter sich strafbar machen, wenn sie Geflüchteten zu einem Kirchenasyl verhelfen.
    "Das Urteil hat jetzt ausdrücklich nicht über die Strafbarkeit der Geistlichen, also sprich der Pfarrer, Pfarrerinnen, Ordensleute und anderen hauptamtlichen entschieden, sondern es ging jetzt nur um die Betroffenen, die im Kirchenasyl sind."
    Für die Geflüchteten, die im Kirchenasyl sind, ist dieses Signal wichtig: Und zwar in ganz Deutschland, bekräftigt Gerichtssprecher Gliwitzki:
    "Weil das Oberlandesgericht mit dieser Entscheidung eine Einzelfrage geklärt hat, die zunächst einmal auch von anderen Oberlandesgerichten eine gewisse Beachtung erfahren müsste, denn nach unserer Rechtsordnung müssen abweichende Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte dann dem Bundesgerichtshof vorgelegt werden."
    Somit dürfte der Freispruch auch in anderen Bundesländern Vorbildcharakter haben, es sei denn, ein Bundesland würde einen ähnlichen Fall nochmal auf Bundesebene verhandeln wollen.