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Oberster Sowjet schafft Sowjetunion ab

Michael Gorbatschow wollte die Sowjetunion modernisieren, aber die von ihm eingeleitete Reformpolitik nahm Ausmaße an, die er bald nicht mehr kontrollieren konnte und schließlich zum Zerfall der Großmacht führte. Am 26. Dezember 1991 beschloss der Oberste Sowjet die Auflösung der Sowjetunion.

Von Otto Langels | 26.12.2011
    Der Abstieg der früheren Supermacht Sowjetunion begann 1985 mit dem Amtsantritt Michail Gorbatschows als Generalsekretär der Kommunistischen Partei. Gorbatschow wollte den sowjetischen Sozialismus erneuern. Die Reformversuche stießen unter den Stichworten Perestroika und Glasnost vor allem im Westen auf große Sympathie, sie entwickelten jedoch eine Dynamik, die nicht nur in der Sowjetunion, sondern in ganz Europa zu dramatischen Veränderungen führte. Michail Gorbatschow:

    "Im Juli 1989 war ich zu einem Besuch in der Bundesrepublik. Die Situation war erschütternd. Zwei Länder, zwei Völker gingen aufeinander zu. Ja, und drei, vier Monate später fiel in Berlin die Mauer. Unter den Bruderstaaten des Warschauer Paktes vollzogen sich, mit Ausnahme Rumäniens, samtene Revolutionen."

    Im März 1990 trat Litauen als erste Republik aus dem 1922 gegründeten Vielvölkerstaat Sowjetunion aus; ein Jahr später folgten Georgien, Estland und Lettland. Im Juli 1991 löste sich der Warschauer Pakt auf.
    Während das sowjetische Imperium zerfiel, stagnierte die Wirtschaft, die Versorgungslage war schlecht, vor den Geschäften bildeten sich lange Schlangen.

    O-Ton Reporter: "Um die Familie zu versorgen, muss man schon immer unterwegs sein, Hin und Her rasen, um das Wenige, das es gibt, zu bekommen. Das Wort Perestroika erwähnt man am besten überhaupt nicht mehr."

    Orthodoxe Kommunisten in Partei und Armee befürchteten einen weiteren Zerfall der Sowjetunion. Sie inszenierten am 19. August einen Putsch, setzten Michail Gorbatschow ab und ließen in Moskau Panzer auffahren. Aber die Bevölkerung mit Boris Jelzin an der Spitze ging zu Hunderttausenden auf die Straße. Nach drei Tagen war der Putsch gescheitert, Gorbatschow kehrte an die Spitze der Sowjetunion zurück, aber seine Macht war gebrochen. Der neue starke Mann in Moskau war Boris Jelzin, Präsident der größten Sowjetrepublik Russland. In den folgenden Monaten zerfiel die Sowjetunion weiter. Der Unmut der Bevölkerung richtete sich gleichermaßen gegen Politiker, die die UdSSR bewahren beziehungsweise auflösen wollten.

    O-Ton Passanten: "Ich unterstütze Jelzin sehr, Gorbatschow hat nicht Recht. Ihn interessiert nur seine Präsidentschaft. Das Land interessiert ihn nicht. Sie haben nichts zu tun, deshalb machen sie diese Dummheiten. Es ist doch keine gute Sache, die Union zu zerstören."

    Michail Gorbatschow versuchte zu retten, was nicht mehr zu retten war. Ein neuer Unionsvertrag, der den einzelnen Republiken eine größere Autonomie einräumen sollte, war nur noch Makulatur. Am 1. Dezember 1991 entschieden sich die Ukrainer in einer Volksabstimmung mit großer Mehrheit für die staatliche Souveränität, eine Woche später proklamierten Russland, Weißrussland und die Ukraine in Brest die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten.

    O-Ton Korrespondent: "Präsident Gorbatschow war zu den Gesprächen bei Brest nicht eingeladen worden. Er hatte zuletzt gestern noch für eine Union als Konföderation selbstständiger Staaten mit ausgedehnten Rechten leidenschaftlich geworben."

    Am 21. Dezember trafen sich in Alma Ata die Staatsoberhäupter von elf ehemaligen Sowjetrepubliken. Der Präsident Kasachstans erklärte feierlich, die Sowjetunion existiere nicht mehr.

    Vier Tage später gab Michail Gorbatschow seinen Rücktritt als Präsident der Sowjetunion bekannt, aufgrund der ausweglosen Situation, wie er im Fernsehen sagte.
    Symbolträchtig wurde am Abend des 25. Dezember, in Moskau ein normaler Arbeitstag, die sowjetische Fahne über dem Kreml eingeholt und die russische Flagge gehisst.

    Am 26. Dezember 1991 beschloss der Oberste Sowjet als höchstes gesetzgebendes Organ die Auflösung der Sowjetunion zum Jahresende. Aus den Trümmern der einstigen Großmacht ging Russland als wichtigster Nachfolgestaat hervor und übernahm auf internationaler Ebene unter anderem in den Vereinten Nationen die Rolle der Sowjetunion.